Pure Faszination
Da stand nun dieses an einen kleinen Farbfernseher angeschlossene Wunder der Technik, das einige – darunter auch ich – tatsächlich Brotkasten genannt haben und das noch heute tun – auch wenn das mancher Kollege einfach nicht wahrhaben will. Vielleicht hatten die ja das spätere, langweilig-weiße Modell.
Die für damalige Verhältnisse fantastische Grafik mit ihren 16 Farben sowie der legendäre, dreistimmige synthetische Mono-Sound machten viele Spiele-Klassiker aus dieser Zeit möglich, an die sich C64-Besitzer der ersten Jahre mit vermutlich schmerzenden Joystick-Händen heute noch erinnern. Was Profis aus diesen aus heutiger Sicht minimalen Möglichkeiten herausholten, weckte auch irgendwann das Interesse an der Technik dahinter und was man selbst daraus machen konnte.
Es gab mit diesem modernen Computer kaum Grenzen für Kreativität. Zumindest hatte ich damals diesen Eindruck, denn was der C64 nicht schon konnte, konnte man schließlich selbst programmieren. Beispielsweise mit dem von Microsoft stammenden und von Commodore für den C64 angepassten BASIC-Interpreter, der im ROM, also dem Betriebssystem des Rechners, gespeichert war.
Dazu kamen die flexiblen Anschlüsse wie der Expansions-Port und der User-Port, an dem Spannungen und Signale anlagen, die man für unendlich viele Zwecke nutzen konnte, wenn man sich ein wenig mit Elektronik auskannte. Für Bastler war der C64 alleine deswegen ein Traum, und ich war einer der Verrückten, die sich sogar einen EPROM-Brenner zugelegt hatten, samt UV-Licht-Lampe zum Löschen von beschriebenen, teuren Chips. In so ein EPROM konnte man beispielsweise ein verändertes C64-Betriebssystem »brennen« und statt dem gesockelten (und daher leicht austauschbaren) ROM-Baustein in den C64 einsetzen.
Das reichte von Betriebssystem-Versionen, die schlicht das Dunkelblau/Hellblau-Schema zu Schwarz/Hellgrau veränderten bis hin zu Zusatzfunktionen wie Schnellladern oder verbesserten BASIC-Varianten. Ging dabei etwas schief, musste man die Oberfläche des Chips, die sonst im Gehäuse unterhalb eines kleinen Fensters lichtgeschützt überklebt war, mit UV-Licht bestrahlen, das die Speicherzellen löschte. Die Bastler-Szene mit echter C64-Hardware lebt übrigens auch heute noch und übertrifft sich darin, den Brotkasten für alle möglichen Mess- und Regelungsaufgaben einzusetzen.
Spiele auf Musikkasette
Seitenlange Programmlisten aus Magazinen abtippen, um dann stundenlang den einen verflixten Fehler zu suchen, Adapter für eine Reset-Taste oder ein Parallel-Kabel selbst zusammen löten – das sind Erlebnisse, die man heute kaum noch nachvollziehen kann und die man zum Teil selbst als C64-Liebhaber nicht mehr erleben möchte. Mehr als 20 Minuten auf das Laden von Programmen von ein paar KByte Größe zu warten, wirkt zwar in der Rückschau gemütlich, war aber damals schon nervig. Durch Schnelllader wie Turbo-Tapes mit eigenem Datenformat auf der Kassette waren es dann bald nur noch zwei bis drei Minuten.
Das Diskettenlaufwerk 1541, das ich damals defekt geschenkt bekam und mit einem Chip für 1,50 DM selbst reparieren konnte, statt es für 200 oder 300 DM in ein Reparaturcenter zu schicken, senkte die Ladezeiten nochmals deutlich. Auch dank Hypra-Load, einem Schnelllader für das Floppy-Laufwerk, dauerte der Start eines Spiels von Diskette kaum noch länger als der Start eines PC-Spieles heute – bei damals viel kleineren Datenmengen. Um diese Geschwindigkeiten zu erreichen, verwendete Hypra-Load statt der langsamen Original-Protokolle eigene Übertragungsroutinen. Geschrieben von niemand anderem als dem heutigen Microsoft-Mitarbeiter Boris »Doc Bobo« Schneider-Johne (bekannt für seine Pionierarbeit bei den Magazinen Power Play und Happy Computer, zusammen mit Heinrich Lenhardt, und Übersetzer der ersten beiden originalen Monkey-Island-Spiele) und seinem Schulfreund Karsten Schramm.
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