Seite 3: Kingdom Come: Deliverance im Test - Das tschechische Gothic

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Der »Auf dem Papier«-Widerspruch

Dieser »Auf dem Papier«-Widerspruch zieht sich durch das ganze Spiel. Wenn uns jemand erzählen würde: »Hey, da gibt's dieses Mittelalter-Rollenspiel mit Open World, in dem ihr nur zehn Prozent der Zeit mit Kämpfen verbringt, dafür 60 bis 100 Stunden mit Gesprächen, Schlösserknacken und dem Herumstromern im Wald auf der Suche nach Hasen und Hirschen« - dann hätten wir wohl ziemlich verdutzt gefragt, wie sowas Spaß machen kann.

In der Praxis macht unter anderem aber genau dieser Schwerpunkt Kingdom Come so einzigartig. Man muss sich natürlich darauf einlassen - wer kein Faible für ruhige Momente oder ein zumindest grundlegendes Interesse am Mittelalter mitbringt, sollte diese Zeitreise vielleicht lieber auslassen.

Umgekehrt kommen all die Spieler auf ihre Kosten, die bis zum kleinsten Handgriff in eine Rolle eintauchen wollen. Ein gutes Beispiel dafür ist gleichzeitig eine der besten Quests im ganzen Spiel: der Eintritt ins Kloster.

Es gibt mehrere große Gefechte im Spiel, die sich ziemlich unterhaltsam spielen. Es gibt mehrere große Gefechte im Spiel, die sich ziemlich unterhaltsam spielen.

Um einen geflohenen Verbrecher aufzutreiben, kann Heinrich unter falschem Namen zum Benediktinermönch werden, und verschwindet für mehrere Tage hinter geschlossenen Klostermauern. Innerhalb des Konvents müssen wir nicht nur als Detektiv die Zielperson unter einem Haufen gleich gekleideter Mönche ausmachen, sondern uns auch peinlich genau an den Klosteralltag halten. Die komplette Quest kann locker vier bis fünf Stunden dauern, in denen keine einzige Faust fliegt. Und trotzdem erfordert sie vom Spieler ein cleveres Vorgehen.

Der Eintritt ins Kloster

Wer einfach rumposaunt, dass er eigentlich gar kein Mönch ist, fliegt prompt wieder raus. Danach gibt's nur noch den Weg, mit extrem hohem Dietrich-Geschick in zivil einzudringen und irgendwie die richtige Person abzumurksen. Clevere Naturen halten sich indes an die Regeln, sprechen wie in »Der Name der Rose« mit den Klosterbrüdern und erledigen ihre Arbeiten, um ein bisschen Freizeit freizuschaufeln.

Nach einigen Stunden haben wir uns bei unseren eigenen Gedankengängen ertappt: »So, nach 12 Uhr müssen wir noch fix in die Schreibstube, lateinische Texte kopieren. Gut, das sollte nur ein paar Minuten dauern - im Anschluss müssen wir den Kellerer auftreiben, um irgendwie Dietriche hinter die Mauern zu schmuggeln. Hoffentlich bekommt keiner was mit bis zum Nachmittagsgebet.« Und plötzlich hat man den Tagesablauf von Mönchen im Kopf.

Kingdom Come zeigt sich durchaus explizit, wenn's um Gewaltdarstellungen geht. Körperteile kann man trotzdem nicht mit dem Schwert abtrennen. Kingdom Come zeigt sich durchaus explizit, wenn's um Gewaltdarstellungen geht. Körperteile kann man trotzdem nicht mit dem Schwert abtrennen.

Wie es für ein Rollenspiel gehört, muss man die lateinischen Texte tatsächlich von Hand übertragen und die richtigen Phrasen auswählen. Wer in der Schule fleißig sein »Salvete« gepaukt hat, ist klar im Vorteil. Andernfalls braucht man sehr gute Augen, um die mittelalterlichen Lettern zu entziffern.

Zwar spielen moralische Entscheidungen und Konsequenzen bei den Quests von Kingdom Come: Deliverance eine deutlich geringere Rolle als in Mass Effect oder Dragon Age, aber bei den möglichen Lösungswegen trumpft Entwickler Warhorse dafür richtig auf.

Vielfalt triumphiert

Nahezu jede Quest lässt mehrere Herangehensweisen zu - meist rangieren die irgendwo zwischen Gesprächen, Diebstahl oder Gewalt. Zwei konkurrierende Schmiede können wir beispielsweise gegeneinander ausspielen, um am Ende maximalen Profit einzustreichen. Oder wir machen uns zum Champion von einem, um den Vertreter des anderen im ehrenhaften Duell ordentlich zu zerbeulen. Alternativ klauen wir einem Schmied einfach seine Prachtrüstung, sodass er dasteht, wie ein Depp.

Rein spielerisch fühlt sich Kingdom Come häufig an wie ein Adventure. Man ermittelt allein in der Story-Kampagne an diversen Tatorten, stellt Fragen, analysiert Menschen, sammelt Gegenstände. Aber hinter diesen Tätigkeiten verbergen sich stets Rollenspiel-Mechaniken - das erinnert ans legendäre Adventure-RPG Quest for Glory von 1993, nur eben in Open-World-Ausmaßen.

Heinrich kann aus unzähligen Rüstungsteilen auswählen, allerdings verschleißt Equipment sehr schnell und muss repariert werden. Heinrich kann aus unzähligen Rüstungsteilen auswählen, allerdings verschleißt Equipment sehr schnell und muss repariert werden.

Wer beispielsweise eine hohe Redekunst besitzt, erhöht seine Chancen in Gesprächen. Schlösserknacken muss man genauso durch aktiven Gebrauch der Fertigkeit verbessern wie das Schleichen, Kämpfen, Jagen und Saufen. Verbesserte Skills gewähren je nach Wahl zusätzliche Perks.

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