Kein Quicksave
Umso mehr vermissen wir in solchen Momenten das freie Speichern. Kingdom Come speichert den Spielstand gelegentlich beim Annehmen oder Ausführen von Quests, beim Schlafen im eigenen Bett und durch einen speziellen Gegenstand: Wer den Retterschnaps trinkt, macht damit ein Quicksave.
In der Theorie soll das die Spieler zu behutsamem Vorgehen erziehen und sie im Zweifelsfall auch mal zwingen, mit Fehlern zu leben, weil man keine 30 Minuten nochmal spielen möchte. Die meisten Quests kalkulieren unser Versagen nämlich mit ein und setzen sich trotzdem fort.
In der Praxis sind die ollen Speicherschnäpse aber gerade zu Beginn unbezahlbar teuer. So landet man am schicksalhaften Scheideweg: »Ich habe noch einen Termin, muss eigentlich ausmachen, verliere dadurch aber 35 Minuten Spielfortschritt.« Wie ein Depp rennt man vor jedem größeren Schritt erst zurück in eine Schenke, bezahlt dem Wirt zwei Groschen und schläft für eine Stunde im Bett, um zu speichern.
In Kingdom Come passieren einem außerdem dauernd dumme Fehler. Man besiegt jemanden im fairen Boxkampf, will ihm die Kohle abknöpfen, doch plötzlich jagt einen das ganze Dorf als Dieb. Man verklickt sich in einem Dialog. Oder rennt auf offener Straße in eine Patrouille, die einen in Windeseile niedermacht. Außerdem können diverse Spielfehler dafür sorgen, dass Quests nicht vernünftig ausgelöst werden oder NPCs ihren Weg nicht finden.
Dafür 40 Minuten seines Lebens in die Tonne zu kloppen, macht wirklich niemanden glücklich. Immerhin: Nach knapp 30 Stunden dürfte man genügend Vermögen haben, um immer ein paar Speicherschnäpse im Täschlein zu tragen.
Wie verbuggt ist Kingdom Come?
Und damit wären wir bei der Frage nach den Bugs. Die gute Nachricht zuerst: Kingdom Come spielt sich im Groben rund. Wir hatten in über 60 Stunden keinen einzigen Spielabsturz, die Kampagne ließ sich ohne große Probleme bewältigen und ganz generell kann man hier nicht von einem Bug-Fiasko sprechen wie beispielsweise bei Gothic 3. Im Detail tummeln sich aber dennoch diverse Glitches und kleine Fehler, für die sich die Entwickler noch ein paar Wochen hätten nehmen müssen.
Welche Optionen bringen viel Performance?Tuning-Tipps: Mehr FPS in Kingdom Come fps
Kleinere Fälle sind irgendwelche Dorfbewohner, die in Pferden, Zäunen oder Gebäuden feststecken. Wildtiere reagieren außerdem nicht, wenn man sie mit Pfeilen spickt. Trotz Day-One-Patch laden häufig Texturen und Skins viel zu spät oder die Performance geht in unnachvollziehbaren Situationen in die Knie.
In der letzten Zwischensequenz vor dem Abspann, dem dramatischen Finale des Spiels, wurde ein wichtiger NPC überhaupt nicht ins Bild geladen. Oder die Synchro springt kurzzeitig von Deutsch auf Englisch. Oder sie bricht in den Zwischensequenzen verfrüht ab. Lippensynchronität gibt's in der deutschen Fassung auch nicht. Blöd, denn an sich ist die deutsche Vertonung absolut herausragend.
Mittelgroße Fälle sind irgendwelche KI-Skripte, die nicht vernünftig ausgeführt werden. Die Kräuterfrau im Wald begrüßt Heinrich fröhlich mit seinem Namen, obwohl wir vorher noch nie da waren. Eine Geleiteskorte von uns reitet plötzlich schnurgerade in den Wald, offenbar auf der Suche nach einem neuen Kontinent. Und in den schwierigsten Fällen werden Questschritte nicht vernünftig ausgelöst, sodass man die komplette Mission nochmal spielen muss. Auch in solchen Momenten nervt das eingeschränkte Speichern.
Der Bug-Spielzeit-Quotient
Das klingt jetzt nach vielen Fehlern, auf 100 Stunden Spielzeit hochgerechnet fallen sie allerdings nicht so störend ins Gewicht, dass man von einem ausgewachsenen Spaß-Killer reden kann (verglichen mit Bug-Boliden wie Spellforce 3). Warhorse sollte in den kommenden Wochen trotzdem tunlichst Hand anlegen und die Probleme aus der mittelalterlichen Welt räumen. Kingdom Come hat einige ganz große Stärken, dafür jedoch viele kleine Schwächen.
Aber hier muss man die Kritikpunkte auf dem Papier gegen das abwägen, was einen im eigentlich Spiel tatsächlich beschäftigt: Und das ist meist diese unglaubliche Spielwelt mit all ihren Details, Bewohnern, Orten und Schauplätzen.
All die kleinen Probleme von Kingdom Come Deliverance ändern nichts daran, dass man schon nach 50 Spielstunden nahezu jede Ecke der Open World blind kennt. Man baut eine extrem persönliche Bindung zu den Wäldern, Wiesen und Ortschaften dieser böhmischen Landschaft auf, könnte sogar Wegbeschreibungen geben.
Die teils komplett quer gedachten Lösungen, mit denen man Quests erledigt, fühlen sich wirklich nach unseren eigenen Wegen an. Man erinnert sich an all die NPCs, denen man auf seinen Reisen begegnet, weil sie einen gedanklich wirklich beschäftigt haben.
Man behält sich die Wälder im Kopf, in denen man wildert - obwohl sie im Vergleich zu Fantasy-Epen eben »nur« stinknormaler Wald sind. Kingdom Come verzichtet auf Hunderte Hotspots mit Schatztruhen, Dungeons oder feindlichen Festungen, und trotzdem schaut man sich den Leichnam eines Gesteinigten am Wegesrand gleich zweimal an. Denn diese fühlt sich Welt wirklich lebendig an, obwohl - oder gerade weil - sie manchmal so rau daherkommt.
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