The Council war ein geniales Rollenspiel und die wenigsten haben es bemerkt

Bei The Council glaubt man als erstes, ein filmreifes Adventure vor sich zu haben. Doch in Wahrheit verbirgt sich dahinter ein spannendes Rollenspiel.

Ich lasse mich ja gerne mal über Rollenspiele aus. Oft kritisiere ich dabei, dass Skilltrees und dergleichen nicht das sind, was ein echtes Rollenspiel auszeichnet. Ich persönlich liebe es viel mehr, wenn ich auch durch meine Entscheidungen und mein Verhalten zeigen kann, was für eine Rolle ich eigentlich verkörpern möchte. Wenn das nicht geht, hilft manchmal selbst der ausgeklügeltste Talentbaum nicht mehr. Cyberpunk 2077 und Kingdom Come wären hier zwei prominente Beispiele.

Es gibt sie aber. Die großen Ausnahmen. Die Spiele, die erst durch einen Skilltree echtes Rollenspiel-Flair bekommen. Weil sie dadurch eine Tiefe und Charakter-Varianz erhalten, die Rollenspiel erst möglich macht. Und zu diesem besonderen Rollenspielen gehört ein Spiel, das die meisten eher als Rätsel-Adventure bezeichnen würden: The Council.

Dieses Spiel hat mich zum Release extrem begeistert - weil ich das Gefühl bekam, dass meine Rolle ernst genommen wird. Und da es The Council aktuell bei GameStar Plus als Gratsiversion gibt, wollte ich die Gelegenheit nutzen und erklären, was dieses Spiel besonders macht und warum es sich zuvorderst für Rollenspieler und -spielerinnen eignet.

Fabiano Uslenghi
Fabiano Uslenghi

Fabiano liebt und lebt Rollenspiele. Schon als Kind hat er hunderte Stunden in Baldur's Gate verbracht und freut sich über jede Form von RPG. Niemals lässt er sich eine Möglichkeit entgehen, seine Zeit mit dem Leveln von Charakteren, dem Sortieren des Inventars und vor allem dem Erleben grandioser Geschichten zu verbringen. Übrigens nicht nur digital. Fabiano spielt auch leidenschaftlich gerne Pen & Paper und hat manchmal das Gefühl, er kennt fantastische Reiche wie Aventurien oder Mittelerde besser als die echte Welt.

Worum geht es in The Council?

Als historisch interessierter Mensch mit einem Faible für Detektiv-Geschichten der Marke Sherlock Holmes hat mich bereits die Ausgangslage von The Council komplett abgeholt. In der Rolle des Louis de Richet mache ich mich im Jahr 1793 auf den Weg zu einer ehrwürdigen Villa auf einer einsamen Insel, wo sich auf Geheiß des mysteriösen Lord Mortimers ein Geheimbund versammelt.

Der Trailer gibt einen Vorgeschmack auf die Intrigen in The Council Video starten 1:19 Der Trailer gibt einen Vorgeschmack auf die Intrigen in The Council

Zu diesem geheimen Bund gehört auch Louis selbst, tritt aber eher als Vertretung für seine verschwundene Mutter auf und ist entsprechend mit den anderen Mitgliedern dieses Bundes noch nicht sonderlich vertraut. Bei diesen Mitgliedern handelt es sich auch nicht um irgendwen. Es sind einige der einflussreichsten Persönlichkeiten der damaligen Zeit.

Hier treffe ich also auf Figuren wie Napoleon Bonaparte, George Washington oder Manuel Godoy. Aber auch spannende fiktive Vertreter, wie etwa Emily Hillsborrow, die als bevorzugte Diplomatin der Queen gilt oder der Kardinal Piaggi, der die Interessen der katholischen Kirche vertritt.

Dieses Ensemble aus hochambitionierten Figuren trifft nun also aufeinander und wir stecken als Louis ruckzuck in einer Verschwörung, deren Ausmaße den gesamten Globus zu umfassen drohen. Dabei sind die Charaktere und ihre Motivation ausgezeichnet geschrieben und allgemein hüllt sich The Council in einen mysteriösen Nebel, den ich mit detektivischen Spürsinn, aufmerksamen Nachfragen und klugen Rückschlüssen nach und nach zu lichten weiß.

Das hielt mich von Anfang bis zum Ende bei der Stange - auch wenn es sehr streitbar ist, ob die äußerst abenteuerlichen Wendungen gegen Ende nicht etwas zu viel des Guten sind.

Rein technisch gehört The Council nicht gerade zur Spitzenklasse - die spannende Geschichte tröstet darüber aber hinweg. Rein technisch gehört The Council nicht gerade zur Spitzenklasse - die spannende Geschichte tröstet darüber aber hinweg.

Ein besonderes Rollenspiel

Wie eingangs angedeutet, war es aber nicht nur die Story oder das Setting, das mich von The Council überzeugt hat. Ich war auch wirklich überrascht, wie gut dieses Spiel als RPG funktioniert. Normalerweise kennen wir solche Story-getriebenen, cineastischen Adventure ja eher als streng lineare Abenteuer, in denen ich allerdings schwerwiegende Entscheidungen fällen darf.

Nun, zumindest gaukeln mir solche Spiele oft kompetent vor, dass meine Entscheidungen den weiteren Verlauf nachhaltig prägen. Und auch in The Council muss ich oftmals schwierige Entscheidungen treffen, die durchaus einiges an der Geschichte verändern. Der Clou ist hier aber, dass ich nicht immer alle Entscheidungen auch fällen kann, die theoretisch denkbar wären.

The Council bietet mir nämlich die Option, Louis' Fähigkeiten zu verfeinern. Direkt zu Beginn wähle ich etwa einen Hintergrund, etwa als Detektiv, Diplomat oder Okkultist und starte so bereits mit ein paar Punkten in dem jeweiligen Skilltree.

Der Skilltree ist sicher nicht gewaltig, bietet aber genug Abwechslung, um mehrere Durchgänge lohnenswert zu machen. Der Skilltree ist sicher nicht gewaltig, bietet aber genug Abwechslung, um mehrere Durchgänge lohnenswert zu machen.

Je nach Skills und besonderen Talenten stehen Louis dadurch immer andere Optionen offen. Vielleicht fällt ihm ein kleines Detail auf, das ihm sonst entgangen wäre. Oder er kann die Motive eines Gesprächspartners leichter abschätzen. Oder er kennt sich einfach mit der Materie hervorragend aus. Wie die Story sich entwickelt, hängt also auch daran, welche Entscheidungen ich beim Aufleveln fälle.

Und das ist etwas, das selbst in lupenreinen Rollenspiel viel zu kurz kommt. Da beeinflussen Talente höchstens mal meine Überredungskunst und vor allem, wie ich mich im Kampf verhalte. Die Geschichten dieser Rollenspiele werden von meinen Talenten jedoch viel zu selten wirklich geprägt.

Das macht The Council deutlich besser und wurde seitdem nur von seinem geistigen Nachfolger Vampire: The Masquerade - Swansong und natürlich dem Meisterwerk Disco Elysium übertrumpft.

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