Manchmal ist ein Untertitel so passend gewählt, dass es schmerzt. »The Lost Paradise« soll der Beiname von Outcast 2 lauten, das verlorene Paradies. Und verlorener könnte dieses Paradies tatsächlich kaum sein, denn Outcast 2 ist nie erschienen, alle Hoffnung darauf begraben. Um zu verstehen, warum dies ein so großer Verlust ist, warum Outcast 2 ein Paradies für Spieler hätte werden können, muss man zunächst die Geschichte des ersten Outcast kennen.
Während Eingeweihte bei diesem Namen ihre Augen kaum vom Funkeln abhalten können, zucken die meisten Spieler heutzutage nur noch mit den Schultern. Outcast? Ach, ist das nicht irgendein Rollenspiel? Nein, es ist viel mehr als das. Outcast ist ein Meilenstein, eine Legende. Im Juni 1999 veröffentlicht das kleine Studio Appeal aus dem belgischen Namur ein PC-Spiel, das man getrost als Vorreiter der modernen, filmischen Action-Adventures betrachten darf.
Schon die Story wirkt hollywoodreif: Der Soldat Cutter Slade wird mit einem Forscherteam durch einen menschengemachten Dimensionsriss auf die Parallelwelt Adelpha geschickt. Dort hat eine irdische Forschungssonde durch einen Energierückstoß ein schwarzes Loch erzeugt, das die Erde zu verschlingen droht - Cutter & Co. sollen's verhindern. Auf der anderen Seite angekommen, wird die Gruppe jedoch über mehrere Kontinente verstreut.
Cutter selbst erwacht in einem Dorf im arktischen Ranzaar. Die Alien-Ureinwohner, die religiösen Talaner, eröffnen ihm, dass er ihr Messias Ulukai sei, der den tyrannischen Herrscher Faé Rhân stürzen werde. »Es ist das erste Videospiel, das wirklich versucht, ein interaktiver Film zu sein«, wirbt damals Bruno Bonnell, der Chef des Publishers Infogrames.
Okay, das ist vor allem Marketinggewäsch - es fällt aber tatsächlich nicht schwer, sich Outcast auf der großen Leinwand vorzustellen, mit Bruce Willis in der Hauptrolle. Vor allem, weil dessen deutscher Synchronsprecher Manfred Lehmann dem Soldaten seine Stimme leiht. So legt Outcast den vielversprechenden Grundstein für ein Universum - das dann aber doch tragisch endet.
Ungewollte Revolution
Auch spielerisch ist Outcast seiner Zeit voraus. In insgesamt sechs großen Eis-, Wald-, Sumpf-, Wüsten- und Stadtarealen können wir uns frei bewegen. Innerhalb der Gebiete macht ein Reittier, das Twon-ha, das Vorankommen einfacher. Und untereinander sind die Minikontinente mit Stargate-ähnlichen Daoka-Toren verknüpft. Nichtspielercharaktere erteilen Kann- und Muss-Aufgaben und plaudern ausgiebig über Hintergründe und Figuren des Universums.
Adelpha ist eben keine schablonenhafte Ballerkulisse, sondern eine glaubwürdige Welt, die lebt und atmet, mit eigener Kultur und fremdartigen, gern mal verwirrenden Namen. Outcast lädt zum Erkunden ein, zum Mehr-wissen-Wollen. Okay, und natürlich trotzdem auch zum Ballern. In den Third-Person-Schießereien wird mit Pistole, Granat- oder gar Flammenwerfer gefeuert, wobei die mit Pistolen und Sprenggranaten ausgerüsteten KI-Heerscharen des Tyrannen aktiv Deckungen nutzen.
Ein großer Erfolg ist Outcast dennoch nicht beschieden. Ein Grund dafür: Appeal setzt auf Voxel- statt Polygongrafik, also voluminöse Grafikbausteine statt der kleinen Dreiecke. So formen die Entwickler zwar herrlich organische Landschaften, die aber einen äußerst kräftigen Prozessor verlangen. Die modernen 3D-Beschleuniger, die während der Entwicklung den Siegeszug antreten, bringen Outcast-Spielern leider nichts, weil sie keine Voxel unterstützen.
»Wären wir etwas schneller gewesen, wäre alles anders gelaufen«, vermutet Franck Sauer im Gespräch mit uns. Sauer hat Appeal zusammen mit seinen belgischen Landsleuten Yann Robert und Yves Grolet gegründet und als Art Director an Outcast gearbeitet. Auch die frisch zugekaufte US-Abteilung von Infogrames sei nicht ganz unschuldig, grummelt er. Sie habe gegen die europäischen Eigner rebelliert, weshalb es in den USA quasi keine Werbung zu Outcast gebe. Das Resultat: Nur 400.000 Mal verkauft sich das Spiel.
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