Über Gefühle
Quasi das Star-Duo des dreitägigen Kongresses waren der Däne Jesper Juul (Massachusetts Institute of Technology) und der Amerikaner James Paul Gee (Arizona State University), die (genauso wie ihre Kollegin Elisabeth Hayes) nebenbei ein altes Klischee bestätigten: Referenten aus den USA können flott und launig vortragen, Deutsche eher nicht. Zudem glänzten beide mit einem erfrischenden Detailwissen quer durch die Geschichte der Spiele, das man bei hiesigen Forschern oft vermisst. Ihre lebendig vorgetragenen Thesen waren ebenso sinnvoll wie unspektakulär. Juul brach eine Lanze für Spiele als »emotionalstes aller Medien« und räumte mit dem Missverständnis auf, dass am Computer nur kühles Problemlösen gefragt sei. »Man fragt mich immer wieder, ob ein Computerspiel Menschen zum Weinen bringen kann. Die meisten denken da an eine ergreifende Handlung. Dabei weinen in diesem Moment mit Sicherheit Hunderte von Leuten: Weil sie in Counterstrike verloren haben, weil ihr Diablo-Hardcore-Charakter gestorben ist, weil sie aus der Gilde geworfen wurden. Das sind echte, reale Emotionen, im Gegensatz zu den Mitgefühls-Tränen, die Filme auslösen.«
Dass Menschen ihr eigenes Handeln emotional bewerten, ist keine atemberaubende Erkenntnis. In einem geschickten Perspektivwechsel dreht Juul jedoch die Fragestellung um: »Eigentlich sollten wir nicht die Menschen untersuchen, die Spiele spielen - sondern die, die sie nicht spielen.« Ausgerechnet die mit Spielen verbundenen Emotionen seien es nämlich, die viele Leute abschreckten: Mama und Papa wagen sich auch deshalb nicht an das Spiel des Sohns, weil sie Angst haben, es nicht zu verstehen oder ständig zu verlieren. Kinder, die von ihren Vätern in Jugendjahren beim Tennis abgezogen werden, dürften das Gefühl kennen.
Über das Lernen
James Paul Gee nahm in seiner Rede am zweiten Kongresstag das Erziehungssystem aufs Korn und erhob Computerspiele zum Modell für komplexes Lernen - allem voran Portal, dem Gee einen guten Teil seines hochgradig unterhaltsamen, wenn auch oft überspitzten Vortrags widmete. Die Portalkanone bringe Spieler dazu, ihre Umwelt auf andere Weise anzusehen und völlig neue Problemlösungen zu entdecken; diese Fertigkeit zum analytischen Denken schule kein Medium so gut wie das Computerspiel, erläuterte Gee im Plauderton, immer wieder ergänzt durch Anekdoten: »Ich habe die Polizeisimulation SWAT 4 gespielt und daraus gelernt, wie man ungesehen in Gebäude gelangt - was ziemlich nützlich ist, wenn man an einer Universität arbeitet.« Übergreifendes Eindenken und -fühlen, von Gee »Empathie für komplexe Systeme« genannt, ist für den US-Professor die Kernkompetenz des 21. Jahrhunderts, und Spiele ihr ideales Trainingswerkzeug.
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