Riskante Marschrichtung
Sah es nach dem Erfolg des ersten Drakensang (2008) noch so aus, als würde diese Strategie trotz ihrer engen Grenzen Früchte tragen, musste Radon Labs kurz nach dem Erscheinen von Drakensang: Am Fluss der Zeit(2010) Insolvenz anmelden.
Rückblickend erläuterte der Drakensang-Entwicklungsleiter Bernd Beyreuther schon vor einigen Monaten in GameStar das Scheitern: »Der Kreis der Käufer, den die Spiele mit der DSA-Lizenz angesprochen haben, ist treu, existiert aber leider nur in Deutschland und ist inzwischen viel zu klein geworden. Ein repräsentables Rollenspiel benötigt heutzutage ein Budget, das nicht mehr in einem einzelnen Land eingespielt werden kann.«
Derzeit arbeiten noch zwei weitere Studios an DSA-Titeln. Das Einzelspieler-Rollenspiel Demoniconentsteht beim Karlsruher Publisher Kalypso. Satinvas Kettenvon Daedalic (The Whispered World) wird hingegen das erste Adventure vor dem Hintergrund Aventuriens. Dementsprechend skeptisch beäugt die Community dieses Projekt. Daedalics PR-Manager Claas Paletta ist sich dieser Problematik bewusst: »Wenn jemand sagt, er hätte lieber ein Rollenspiel und kein Adventure, er also befürchtet, wir bewegen uns vom Kern von DSA weg, ist das ein nachvollziehbarer Einwand. Aber viele unserer Entwickler kommen selbst aus dieser Community und haben Aventurien sozusagen im Blut. Da wir intern genauso viel Wert darauf legen, dass sich Satinavs Ketten möglichst authentisch nach DSA anfühlt, empfinden wir diesen Anspruch der Community nicht als Last, sondern als Herausforderung.« Dennoch bleibt das Risiko, ob die Schnittmenge zwischen Adventure- und DSA-Community groß genug ist, um Satinavs Ketten zu tragen.
Schlachtfeld Online-Forum
Die beiden Beispiele demonstrieren, wie unterschiedlich der Einfluss einer organisierten Spielerschaft sein kann. Weiterhin stellt sich aber die Frage: Funktionieren Communitys wie gewünscht? Und was repräsentieren sie – wirklich die Mehrheit der Spieler?
Theoretisch ist im Internet jede Meinung gleichviel wert, so wie bei einer demokratischen Wahl jede Stimme das gleiche Gewicht erhält (von komplizierten Wahlrechtsfragen mal abgesehen). Und wie bei einer Wahl darf das jeder unter dem schützenden Deckmantel der Anonymität tun. Allerdings kann jeder, anders als in der Wahlkabine, seine Meinung auch öffentlich und mit unangebrachten Mitteln zum Ausdruck bringen. Was zum Beispiel Teilnehmer am Profifußball (sei es als Spieler, Trainer oder Funktionär) in gängigen Sportforen an Beleidigungen, Hohn, Spott und Drohungen ertragen müssen, grenzt teilweise an seelische Körperverletzung, ebenso wie das derzeit in der Kritik stehende Mobbing-Netzwerk iShareGossip.
Selbst bei Leitmedien wie dem Spiegel oder der Süddeutschen Zeitung werden gestandene Journalisten für ihre Artikel abqualifiziert oder der Käuflichkeit beschuldigt; meist anonym und ohne belegbare Grundlage. Aber auch bei den Diskussionsteilnehmern untereinander herrscht ein rauer Ton. Jeder Forenbesucher weiß, wie schnell persönliche Beleidigungen, extreme Positionen und unbegründete Rechthaberei bei der Hand sind. Offenbar enthemmt die Anonymität des Internets zahlreiche Nutzer. Das entwertet so manchen wertvollen Beitrag, der im Getöse untergeht. Auch die Form ist dabei entscheidend. Wer knapp, begründet und prägnant formulieren kann, kommt in einer Online- Diskussion weitaus besser weg als umständliche Redner, Buchtext-Verfasser oder Personen, die sprachliche Grundregeln vermissen lassen.
Wieviel wiegt eine Meinung?
Die Ausgewogenheit der Diskussion steht damit in Frage. Denn wenn einige wenige Stimmen dominieren können, ist es beispielsweise für Entwickler oder Publisher nur schwer zu durchschauen, wie gewichtig ein Argument ist. Als uns im Rahmen der Gamescom 2010 Bioware Dragon Age 2 präsentierte, erklärte einer der anwesenden Entwickler: »Im Bioware-Forum zu Dragon Age hat ein Spieler geschrieben, er habe die Kämpfe zwischen den Befehlspausen zur Kaffeepause genutzt. Das ist das Schlimmste, was einem Entwickler passieren kann.« Deshalb habe man das direktere und actionreichere Kampfsystem entwickelt.
Nach der Veröffentlichung des Spiel stellte sich durch das Feedback der Community heraus, dass ein großer Teil der Spieler viele der Neuerungen an Dragon Age 2 nicht mit derselben Freude wahrnimmt. Stattdessen entbrannte in den Foren ein Streit über die Ver(schlimm?)besserungen. Diese Auseinandersetzung gipfelte in der 72stündigen Verbannung eines Users aus dem Bioware Social Network, der Bioware unterstellte, seine Seele an den EA-Teufel verkauft zu haben. Dieser Bann führte gleichzeitig dazu, dass der User Dragon Age 2 nicht mehr spielen konnte. Der Publisher Electronic Arts entschuldigte sich zwar , aber der Fauxpas war in der Welt und Wasser auf die Mühlen der ohnehin zahlreichen EA-Kritiker. Ob in so einem aufgeladenen Klima eine ausgewogene und objektive Diskussion möglich ist, ist zumindest zweifelhaft.
Die Mehrheit schweigt
Wie repräsentativ eine Community ist, lässt sich auf zweierlei Arten bewerten, durch den rein statistischen Zahlenwert sowie die Motivation der User. »Der Anteil von Leuten, die sich in Foren und per Mail zu Wort melden, ist sehr, sehr klein, höchstens im einstelligen Prozentbereich«, schätzt Daedalic die Größe der Community im Vergleich zur gesamten Käuferschaft ein.
Ein Rechenbeispiel: Wenn ein sehr gutes Spiel in Deutschland 100.000 Käufer findet, sich davon gerade 3% in einem Community-Forum anmelden und im Schnitt fünf Beiträge abgeben, dann ergibt das bereits 15.000 Wortmeldungen, die gelesen, abgearbeitet und beantwortet melden wollen. Eine überwältigende Zahl an Meinungen, aber nichtdestotrotz von gerade einmal 3% der eigentlichen Käufer. Sprechen diese Aktiven stellvertretend für den schweigenden Rest?
In Foren meldeten sich tendenziell eher Leute zu Wort, »die ein Problem haben, sei es technischer oder inhaltlicher Natur«, sagt Claas Paletta. Ein Foren-User differenziert weiter aus: »Hat sich der Nutzer extra angemeldet, um seine Kritik zu dem Spiel zu äußern? Dann ist es in der Tat so, dass er seinem Unmut freien Lauf zu lassen und andere Leute vor dem Kauf warnen möchte. Nur selten wird sich ein Nutzer extra anmelden, um zu berichten, wie gut ihm das Spiel gefallen hat.«
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