Datenschutz: Google & Apple überraschen im Streit um Corona-Apps

Techgiganten, die in puncto Datenschutz Staaten auf die Finger klopfen: Das klingt ungewohnt, ist aber genau das, was Google und Apple gerade mit der Bundesregierung machen.

Google und Apple ist der Datenhunger von Regierungen während der Corona-Krise ein Dorn im Auge. Google und Apple ist der Datenhunger von Regierungen während der Corona-Krise ein Dorn im Auge.

Der Streit um Apps, die die Verbreitung des Corona-Virus tracken sollen, treibt derzeit kuriose Blüten: Denn diesmal müssen nicht etwa staatliche Behörden den Datenhunger von Techgiganten beschränken - sondern umgekehrt.

Corona-Apps: Ein raffinierteres »1984«?

Großbritannien, Frankreich und auch Deutschland planen derzeit die Einführung von Corona-Apps und -Tracing-Systemen, mit deren Hilfe die Gesundheitsbehörden die Verbreitung von Covid-19 verfolgen können. Das Grundprinzip: Menschen können freiwillig Symptome melden und angeben, ob sie positiv auf Corona getestet wurden.

Eine App wird dann automatisch alle anderen Menschen alarmieren, mit denen die erkrankte Person während der vergangenen Tage Kontakt hatte, und diese bitten, sich testen zu lassen und in Quarantäne zu begeben. Diese Vorgehensweise erfordert allerdings ein Orts-Tracking der Nutzer.

Wie genau funktionieren die Corona-Apps und andere Tracing-Systeme? Derzeit existieren verschiedene Ideen für die Umsetzung derartiger Tracking-Mechanismen. PEPP-PT soll als Rahmen für alle Corona-Apps dienen und europaweit funktionieren und unterstützt eigenen Angaben zufolge sowohl die zentrale Datenspeicherung auf einem Server als auch dezentrale Systeme. Allerdings befürworten die Mitglieder des Projekts grundsätzlich eine zentrale Lösung.

Demgegenüber setzt das schweizerische Open-Source-Projekt D3PT ausschließlich auf dezentrales Tracking, das die Daten mithilfe der API auf den Nutzergeräten sichert. Der dezentrale Ansatz dient den Entwicklern von D3PT dazu, einen maximalen Schutz der Privatsphäre für die Nutzer dieser Tracing-Methode zu gewährleisten.

Beide Systeme setzen zur Bestimmung des Nutzerstandortes aber nicht auf GPS - ein derartiges Tracking ist laut den Richtlinien der Europäischen Kommission zu Contact Tracing wegen der Auswirkungen auf die Nutzerprivatsphäre nicht erwünscht. Stattdessen kommt das Protokoll Bluetooth Low Energy (BLE) zum Einsatz, das die Entfernung zwischen einzelnen Geräten mithilfe von Funksignalen bestimmen kann.

Außerdem haben Apple und Google bereits eine Tracing-Lösung entwickelt, die mihtilfe von APIs funktionieren soll. Smartphones können über diese Schnittstelle einen Schlüssel austauschen, der im Fall einer Covid-19-Diagnose mit Zustimmung des Nutzers in eine Cloud geladen wird. Corona-Apps können dann betroffene Kontakte des Infizierten informieren, ohne dass die Tracking-Daten an einem zentralen Ort gespeichert werden müssen.

Warum streiten sich Google und Apple mit der Bundesregierung? Die Bundesregierung hatte vergangene Woche laut ComputerBase noch angekündigt, auf das PEPP-PT-System zu setzen. Daraufhin hagelte es allerdings von vielen Seiten Kritik - unter anderem auch von Google und Apple.

Obwohl die Nutzung der App und der Tracing-Systeme freiwillig bleiben soll, befürchten Datenschützer die zunehmende Überwachung der Bevölkerung auch nach dem Ende der Corona-Krise. Wie Heise berichtet, setzen Apple und Google deshalb auf ihre Marktmacht, um die Datenkontrolle des Staates auszubremsen.

Denn Apps, die im Hintergrund laufen und die BLE nutzen, funktionieren insbesondere unter iOS nur eingeschränkt: iOS erlaubt nämlich kein kontinuierliches Scannen nach Bluetooth-Signalen im Hintergrund, wie es bislang von europäischen Regierungen entwickelte Apps erfordern.

Apple und Google haben darüber hinaus angekündigt, dass sie nur solchen Apps Zugriff auf Smartphone-APIs und die kontinuierliche Nutzung von BLE gestatten werden, die ihren Standards zum Datenschutz entsprechen. Das ist laut BusinessInsider bei den von den Regierungen entwickelten Apps aber nicht der Fall.

Bundesregierung beugt sich dem Druck von Datenschützern und Tech-Giganten

Eine Rückverfolgung und Alarmierung von Covid-19-Patienten ohne die Unterstützung von Google und Apple dürfte aber von vornherein zum Scheitern verurteilt sein.

Forscher der britischen Universität Oxford gehen laut Heise nämlich davon aus, dass mindestens 60 Prozent der Bevölkerung eine entsprechende App nutzen müssten, damit das System einen Nutzen hat. Das wiederum dürfte schwierig werden, wenn Apple und Google die Installation zugehöriger Software unter iOS und Android verhindern.

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Wie ComputerBase berichtet, hat die Bundesregierung deshalb angekündigt, statt auf die ursprünglich geplante zentrale Lösung mithilfe von PEPP-PT auf eine dezentrale Variante setzen zu wollen. Kanzleramtsminister Helge Braun und Gesundheitsminister Jens Spahn erklärten, die kommende App solle »die in Kürze zur Verfügung stehenden Programmierschnittstellen [APIs, Anm. d. Red.] der wesentlichen Anbieter von mobilen Betriebssystemen« verwenden.

Die Nutzung der App bleibt ebenso freiwillig wie die Möglichkeit, zusätzliche Informationen zu Forschungszwecken an das Robert-Koch-Institut zu übermitteln. Datenschützer bewerteten den Kurswechsel der Bundesregierung dementsprechend als »sehr gute Entscheidung«.

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