Nvidia und AMD werden in der Luft zerrissen, aber nicht immer aus dem richtigen Grund

AMD und Nvidia dürfen sich nicht wundern, dass ihre neuen Grafikkarten RX 7600 und vor allem die RTX 4060 Ti stark kritisiert werden. Einer der Gründe geht für mich aber zu weit.

Der Release neuer Grafikkarten ist längst nicht immer ein Grund zur Freude. (Quelle Hintergrundbild: stock.adobe.com) Der Release neuer Grafikkarten ist längst nicht immer ein Grund zur Freude. (Quelle Hintergrundbild: stock.adobe.com)

Mit den neuen Grafikkarten RTX 4060 Ti und RX 7600 haben sich AMD und Nvidia wahrlich nicht mit Ruhm bekleckert. Große Fortschritte gegenüber älteren Generationen sind nicht in Sicht, teilweise ist sogar das Gegenteil der Fall - Stichwort Speicherbandbreite.

Auch die Performance reißt keine Bäume aus. In unseren Messungen schlägt die RTX 4060 Ti die RTX 2060 Super zwar in Full HD um 45 Prozent. Wenn man aber bedenkt, dass die RTX 2060 Super fast vier Jahre alt ist und aus der vorletzten Generation stammt, klingt das gleich deutlich weniger überzeugend. Zumal der Vorsprung gegenüber der 3060 Ti in vielen Tests von Kollegen im Schnitt nur bei etwa zehn Prozent liegt.

Die RX 7600 hat ähnliche Probleme. In Full HD kann sie sich bei unserem Test im Schnitt grade mal um neun Prozent von der RX 5700 XT absetzen. Letztere stammte zu ihrem Release zwar aus einer GPU-Reihe darüber, aber auch hier liegen zwei GPU-Generationen und vier Jahre zwischen den beiden Modellen.

Begeistert bin ich deshalb nicht von den neuen Grafikkarten. Einem der größten Kritikpunkte kann ich aber dennoch nicht folgen, zumindest nicht in der drastischen Form, die in vielen Tests (beziehungsweise Überschriften) und Kommentaren zu lesen ist. Genauer gesagt geht es um die Speicherfrage.

Nils Raettig
Nils Raettig

Nils ist mit seinem Einstieg im Jahr 2013 der dienstälteste Mitarbeiter im GameStar-Tech-Team, begonnen hat seine Arbeit als Tech-Redakteur aber nochmal drei Jahre früher bei der altehrwürdigen PC Praxis. Er kann sich noch gut daran erinnern, wie der Ex-Kollege Jan Purrucker zu seinem Einstieg bei der GameStar grade aus Hawaii zurückgekehrt ist. Der Grund: Die Vorstellung von AMDs Radeon R290er Grafikkarten, deren Chip den Code-Namen Hawaii trägt. Das Top-Modell Radeon R9 290X hat damals zum Release etwa 550 Euro gekostet. Heute liegen Mittelklasse-Modelle wie die RTX 4060 Ti schon bei 440 Euro - manches war früher eben doch besser.

8 Gigabyte reichen nicht mehr! - Aber wofür genau?

Vereinfacht zusammengefasst lautet die oft getätigte Aussage: Heutzutage sind 8,0 GByte VRAM für eine neue Grafikkarte einfach nicht mehr genug.

Ich stimme zwar absolut zu, dass mehr Speicher wünschenswert wäre, und es gibt definitiv Spiele, die bereits jetzt in Full HD mit 8,0 GByte VRAM Probleme machen können, insbesondere bei maximalen Details samt Raytracing.

Daraus kann man in meinen Augen aber nicht wie so oft zu lesen schließen, dass spätestens in zwei, drei Jahren jeder Spieler mit einer GPU mit 8,0 GByte VRAM endgültig zum Aufrüsten gezwungen sein wird.

Einerseits gibt es immer die Option, die Detailstufe zu senken (auch wenn ich gut nachvollziehen kann, dass so mancher stets die höchsten Details einstellen will). Gravierend schlechter sehen Spiele so in der Regel nicht aus, während die FPS meist spürbar steigen. Mehr dazu erfahrt ihr auch hier:

Andererseits betreffen die Performance-Probleme vor allem eine Art von Spiel: Große, schlecht portierte neue Titel, die nicht nur auf dem PC, sondern auch auf den aktuellen Konsolen erscheinen.

Sowohl die PS5 als auch die Xbox Series X haben 16,0 GByte. Wie viel genau sie davon Spielen zur Verfügung stellen, ist nicht klar. Es dürften aber deutlich mehr als 8,0 GByte sein. Deshalb sind für die zahlreichen möglichen PC-Konfigurationen mit weniger VRAM Anpassungen nötig, die offenbar nicht immer erfolgen.

Das ist aber nur eine denkbare Erklärung für die großen Schwierigkeiten, die PC-Versionen in jüngster Zeit oft geplagt haben. Und auch wenn es sich um Ärgernisse handelt, die vermutlich bei besserer Programmierung vermeidbar wären, kann es wichtig sein, sie beim Kauf einer neuen GPU zu berücksichtigen.

Es gibt aber so viel mehr Spiele da draußen, die nicht von solchen Problemen geplagt sind und die keine so hohen Ansprüche an die Hardware stellen. Und längst nicht jeder legt Wert darauf, auch neue Titel stets in maximalen Details flüssig zocken zu können.

Die große Masse gibt sich mit weniger zufrieden

Sie stand lange Zeit unangefochten an der Spitze der Steam-Statistik: Die GTX 1060 von Nvidia. Sie stand lange Zeit unangefochten an der Spitze der Steam-Statistik: Die GTX 1060 von Nvidia.

Das zeigt allein ein Blick in die Statistik von Steam: Die am häufigsten genutzte Grafikkarte ist die GTX 1650 Ti, die grade mal 4,0 GByte VRAM besitzt. Auf Platz zwei liegt die inzwischen fast sieben Jahre alte Geforce GTX 1060 mit maximal 6,0 GByte VRAM, die ihr auch auf dem Bild oben seht.

Bei diesen Modellen mangelt es nicht nur an Videospeicher, um aktuelle Titel in maximalen Details flüssig zu spielen, sondern auch an Rohleistung. Viel Spaß beim Zocken kann man damit aber trotzdem haben, nur eben mit niedrigeren Details oder in weniger hardwarehungrigen Titeln.

Versteht mich nicht falsch, ich bin selbst jemand, der immer erstmal alle Optionen auf Anschlag stellt und der äußerst empfindlich auf typische VRAM-Ärgernisse wie kurze Ruckler oder matschige Texturen reagiert. Aber ich finde es dennoch klar übertrieben, zu sagen, dass niemand mehr eine GPU mit 8,0 GByte VRAM kaufen sollte, wie es immer wieder im Rahmen der jüngsten GPU-Tests der Fall ist.

In dem Zusammenhang lohnt sich auch ein Blick auf diesen Artikel, der in eine ähnliche Richtung weist:

Wie viel Speicher brauchen Grafikkarten 2023? Unsere Empfehlungen von Full HD bis 4K

Am Ende entscheiden eure Ansprüche - und der Preis

Letztlich gilt aus meiner Sicht, dass Grafikkarten wie die RTX 4060 Ti einfach nicht für euch und für mich gemacht sind - und mit euch meine ich diejenigen, die sich mit einer neuen GPU sowohl zum Kaufzeitpunkt als auch zwei, drei Jahre später noch keine Sorgen um einen zu geringen Videospeicher für das Spielen in maximalen Details machen wollen.

Durch die zuletzt immer häufiger auftretenden Probleme bei PC-Versionen wird dieses Unterfangen zusätzlich erschwert. Von den (zu) hohen Preisen für aktuelle Grafikkarten ganz zu schweigen. Was für PC-Enthusiasten damit bleibt, ist vor allem Enttäuschung. Schließlich kann man auch dann so ein Enthusiast sein, wenn man nicht 500 Euro oder gar über 1.000 Euro für eine neue Grafikkarte ausgeben will.

Ich verstehe zwar Nvidias Entscheidung zum Herausbringen einer neuen GPU für über 400 Euro mit nur 8,0 GByte VRAM. Schließlich geht es hier letztlich nur um Gewinnmaximierung, ohne ein möglichst großes Publikum zu verprellen. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass ich sie auch gutheiße - selbst wenn man mit 8,0 GByte VRAM meiner Meinung nach durchaus noch glücklich werden kann.

Wie denkt ihr über die VRAM-Frage? Sollten gar keine neuen Grafikkarten mehr mit weniger als 10 oder 12 GByte VRAM auf den Markt gebracht werden? Haben auch Modelle mit 8,0 GByte noch ihre Daseinsberechtigung, wenn der Preis stimmt? Und wie wichtig ist es für euch, auch ganz neue Spiele stets mit maximalen Details zocken zu können? Schreibt es gerne in die Kommentare und diskutiert mit!

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