Neue Fernseher vor dem Aus? Sorry EU, aber diese Verordnung ist kompletter Unsinn

Meinung: Höchstgrenzen für Stromverbrauch sollen stromschluckenden TVs einen Riegel vorschieben. Gut gemeint ist jedoch nicht gleich gut gemacht.

Energielabel, kennen wir. Die kleben auf Kartons, an Geräten bei Media Markt und Co. und sogar der Online-Händler muss sie klar sichtbar ans Anzeigebild pappen, wie am Beispiel unten zu sehen.

Seit 20 Jahren sehen wir so auf den ersten Blick, ob ein elektronischer Apparat viel Strom frisst. Ein grünes A = gut, ein rotes G = schlecht - nice! Laut der EnBW sieht der durchschnittliche Stromverbrauch für TVs übrigens so aus:

● LED-Fernseher: ca. 70 kWh je 1.000 Stunden
● LCD-Fernseher: ca. 100 kWh je 1.000 Stunden
● OLED-Fernseher: ca. 150 kWh je 1.000 Stunden
● Plasma-Fernseher: ca. 175 kWh je 1.000 Stunden

Vor zwei Jahren hat die EU zugepackt: Strengere Richtlinien sorgten für Schweißperlen auf der Stirn bei den Herstellern. Fernseher und Monitore rutschten aufgrund ihres Verbrauchs in den F- und G-Bereich. HDR und sein Stromverbrauch müssen mittlerweile extra ausgewiesen werden - was ein Service!

Seit 1. März 2023 gibt es nun Grenzwerte, die ein Fernseher und Monitor nicht überschreiten darf, toll. Oder? Das hilft der Umwelt. Falsch, denn die EU hat Schlupflöcher in der neuen Verordnung, die sind größer als jeder 8K-Fernseher

Das große Aber

Ein grünes A können sich Samsung und Konsorten abschminken. Damit haben sie sich abgefunden. Tatsächlich hadern sie damit, den Mindestwert zu erreichen. Tun sie das nicht, darf das Gerät schlichtweg nicht verkauft werden.

Doch wo ist das Schlupfloch? Die Hersteller verringern einfach die standardmäßige Helligkeit. Denn maßgeblich für die Einstufung ist der Energieverbrauch - und somit die Bildeinstellungen -  bei Auslieferungszustand. Was zur Hölle, EU?

Zwar darf die voreingestellte Helligkeit nicht weniger als 65 Prozent der Maximalhelligkeit oder 220 Candela pro Quadratmeter (Nits) betragen, aber das ist mehr als genug Spielraum, um seinen stromfressenden Fernseher trotzdem an den Mann zu bringen.

Bild zu dunkel bei Auslieferung? Das ist in Zukunft Standard und muss selbst nachjustiert werden. Bild zu dunkel bei Auslieferung? Das ist in Zukunft Standard und muss selbst nachjustiert werden.

Tatsächlich ist diese Regel meiner Meinung nach sogar schädlich.

Die Elektronikkonzerne nutzen den Spielraum nicht, um die Spitzenhelligkeit zu drosseln, sondern um mit dem Grenzwert von 65 Prozent gerade so an die erlaubte Norm zukommen. Kurzum: In Sachen Spitzenhelligkeit drehen die Fabrikanten zusätzlich auf.

Die Lachnummer

Also, große TVs und Monitore stehen nicht vor dem Aus, weil die Hersteller einfach die Helligkeit ab Werk drosseln. Nicht die Maximalleistung zählt, sondern die Leistung bei Auslieferung. Wer hat sich das denn ausgedacht? 

Mini-LCD- und OLED-Fernseher, die mehr Hintergrundbeleuchtung verbraten, sind aber erst mal nicht gefährdet. Wieso? Hier folgt der nächste Streich: Die festgelegte Obergrenze für den Stromverbrauch gilt nur für TV-Sendungen und Videos in Standard-Dynamikumfang. 

Was bedeutet das? HDR-Modi werden in der Rechnung gar nicht berücksichtigt - dabei fressen die am meisten Strom! Das heißt, dass Fernseher weiterhin HDR rausballern können, bis die Pupille brennt, denn die EU legt ihr Maßband an einer völlig anderen Stelle an.

HDR knallt viel mehr - und kostet auch mehr. HDR knallt viel mehr - und kostet auch mehr.

8K in Gefahr?

Natürlich nicht. Klar, dass diese Fernseher mehr Strom schlucken, weil sie mehr Pixel auf selbem Raum besitzen, aber Samsung hat schon einen Workaround für sich geschaffen: Den TV einfach mit Eco-Modus als Werkseinstellung ausliefern. Daheim stellt der Konsument einfach den Bildmodus Kino um und ist zufrieden, die Stromrechnung muss schließlich er tragen.

Zwar werden die Sonderregelungen für 8K- und OLED-Fernseher entfallen, die bisherigen Modelle dürfen aber weiter verkauft werden. Immerhin: In Zukunft müssen Hersteller an der Energieeffizienz für 8K und OLED schrauben, das hat die EU-Richtlinie erreicht.

Lohnt sich der Umstieg auf einen 8K-Fernseher überhaupt? Nils hat die Probe aufs Exempel gemacht:

Was sagen die Hersteller?

LG ist wohl der Meinung, man habe mittlerweile das Potenzial von LCD-Displays ausgereizt. Keine Überraschung, denn die Südkoreaner pushen OLED als Technik seit Jahren. Das heißt, sie werden sich auf die Energiebilanz dieser konzentrieren.

Gejammert wird wenn auf hohem Niveau. Verbesserungen der Technik bedeutet natürlich Kosten, die die Hersteller tragen müssen. Konkrete Maßnahmen gibt es noch nicht. Stattdessen wird die Verordnung von manchen Herstellern als zu streng angesehen. Aha.

Und die EU? Die chillt. In einer Stellungnahme schreibt sie:

Das Grundprinzip ist, dass die beiden obersten Klassen bei ­Inkrafttreten der Verordnung praktisch leer sein sollten, da es um einen sich schnell ent­wickelnden Technologiesektor geht. Damit wird ­sichergestellt, dass die beiden Klassen A und B in den nächsten zehn Jahren nicht überfüllt werden.

Im Prinzip eine tolle Idee, aber wenn sich die Hersteller nicht genötigt sehen, bei den gängigen Zollgrößen, Auflösungen und Bildschirmtechnologien energietechnisch nachzulegen, sehen diese sich nicht im Zugzwang. Im Gegenteil: Beide Parteien sehen den Ball in der Spielfeldhälfte des jeweils anderen. Der Umwelt ist damit nicht geholfen.

Meinung des Redakteurs

Maxe Schwind

Mir ist vollkommen klar, dass man Elektronikhersteller nicht in den Schwitzkasten nehmen darf. Der Balanceakt zwischen Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit/Umweltbewusstsein ist ein schwerer. Dennoch erwarte ich von der EU-Kommission mehr als solche laxen Vorschriften.

Grenzwerte für Stromverbrauch waren längst nötig, da bin ich auf der Seite der EU. Doch warum bemisst man diese an solch hirnrissigen Kriterien? SDR statt HDR? 35 Prozent Spielraum bei Auslieferung? Was soll das? Natürlich heißt das, dass der Energieverbrauch in Zukunft besser werden muss, wenn Hersteller wieder grüne Labels an ihren Fernsehern sehen wollen, aber wenn sie sich auch so verkaufen, wo ist dann der Anreiz?

Ich sage nicht, dass man große TVs verbieten soll, im Gegenteil; ich habe selbst haben einen QLED-LCD von Samsung mit 65 Zoll zuhause. Aber liebe EU: Wieso legt ihr euer Maßband an Stellen an, die nicht relevant oder kritisch sind? Mein Vorschlag: Bemesst die Spitzenhelligkeit bei HDR und setzt den Grenzwert Schritt für Schritt über Jahre niedriger, sodass Hersteller, Verbraucher und Politik zusammen mitwachsen können. Das hilft auf Dauer der Umwelt.

Wenn ihr den optimalen TV für euer Wohnzimmer sucht, haben wir hier einen hilfreichen Guide:

Die EU hat mit einer neuen Verordnung zugeschlagen, doch diesmal darf man die Herangehensweise sehr wohl hinterfragen. Wie seht ihr die Grenzwerte für Stromverbrauch in Bezug auf Fernseher und Monitore? Haltet ihr die Vorgehensweise für angebracht oder dürfte die EU ruhig strenger werden? Oder seid ihr auf Maxes Seite? Teilt es uns in den Kommentaren mit!

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