Wisst ihr, dass alle Schiffe einst Klimaschützer waren? Nein, keine Segelschiffe, die großen Pötte von heutzutage. Es klingt paradox, rußige Dreckschleudern als Heilsbringer anzupreisen, aber aus einem bestimmtem Blickwinkel stimmt es.
Fossile Brennstoffe enthalten nicht nur klimaschädlichen Kohlenstoff, beim Verbrennungsprozess entweichen auch winzige Teilchen in die Atmosphäre – vor allem aus Schiffsmotoren.
Mit diesen vollführen wir seit Jahrzehnten ein großes Geoengineering-Experiment: Die Teilchen, auch Aerosole genannt, wirken wie ein global aufgespannter Schirm, der uns vor der Sonne schützt. Wie genau das funktioniert – und warum es trotzdem gut ist, dass wir den Schirm jetzt zusammenklappen.
Wolken säen leicht gemacht
Jede Art von fossiler Verbrennung sät Wolken. Denn bei der Verbrennung steigt Schwefel in die Atmosphäre empor, an dem sich Milliarden Tropfen anheften und kondensieren. Es bilden sich Decken aus weißem Wasserdampf.
Da sich die Schiffe über das Meer bewegen, ziehen sie so eine Spur aus künstlichen Wolken hinter sich her. Forscher nennen diese Wolkenmuster Schiffsspuren
. Denn Schiffe sind zwar nicht die alleinigen Verursacher von Schwefelwolken, aber gerade das verwendete Marinedieselöl enthält relativ hohe Mengen an Schwefel.
Und genau diese Wolken kühlen die Erde indirekt ab, indem sie die Strahlung der Sonne zurück ins All reflektieren. Vor allem über den dunklen Oberflächen der Ozeane fällt dieser Effekt stark aus.
Neue Regularien putzen die Schornsteine
Eigentlich eine gute Sache, oder? Leider nicht so ganz. Denn Schwefel in der Atemluft ist gesundheitsschädlich. Regierungen wie in China oder internationale Vereinigungen wie die Internationale Seeschifffahrtsorganisation (IMO) erlassen deshalb Regeln, um den Schwefelausstoß einzugrenzen.
Seit rund 20 Jahren hat bessere Technik daher zu einer starken Abnahme der Schwefelausstöße geführt, wie beispielsweise hier thematisiert wird. Die Belastung durch Schwefel aus Marinediesel ist im Vergleich zu den Jahrzehnten zuvor um 80 Prozent zurückgegangen. Mehr Informationen hierzu sowie den Regularien findet ihr hier beim Umweltbundesamt.
Dadurch sinkt auch die Menge der Wolken, die von den Schiffen gesät werden und die Erwärmung der Ozeane nimmt Fahrt auf.
Die logische Folge, die wir seit ein paar Jahren wahrnehmen: Die Luft erwärmt. So ist es relativ wahrscheinlich, dass das 1,5-Grad-Ziel nicht mehr haltbar ist, wie hier detailliert dargestellt.
Durch industrielle Verschmutzung verursachte Wolkenveränderungen haben einen globalen Kühleffekt erzeugt, der etwa ein Drittel so stark ist wie die Erwärmung durch erhöhte Treibhausgase.
Entlang der Schifffahrtsrouten soll dieser zusätzliche Erwärmungseffekt nach einer neuen Veröffentlichung sogar 50 Prozent des Erwärmungseffekts der Kohlendioxid-Emissionen ausmachen.
Wenn ihr mehr zur Zukunft der Schifffahrt und den verendeten Treibstoffen erfahren möchtet, lest gerne folgenden Artikel, in dem wir eingehend auf die generellen Aussichten sowie im Speziellen auf Methanol eingehen:
Je weniger fossile Brennstoffe wir verwenden, desto klarer wird die Luft und unser Blick auf das wahre Ausmaß der Klimakrise. Denn die Schiffe waren nur der schweflige Anfang. Es werden Dutzende weitere Verbrenner folgen: Kraftwerke, Flugzeugtriebwerke, Autos, Lkws und viele mehr.
Laut einer überwältigenden Mehrheit von Klimawissenschaftlern haben wir keine Wahl: Wir müssen das Aerosol-Pflaster abziehen und uns der Realität stellen. Zu welchem Grad haben die Schwebeteilchen die reale Erwärmung durch die Zunahme von Energie-absorbierenden Klimagasen wie CO₂ oder Methan verschleiert?
Laut dem Weltklimarat könnte es ein halbes oder sogar ein ganzes Grad-Celsius sein. Mit Glück für uns alle ist aber auch ein geringer ausfallender Nachholeffekt der Erwärmung durchaus möglich.
Den abkühlenden Effekt von Schwefeloxiden haben wir als Menschheit natürlich nicht erfunden, wir haben nur eine technisch raffinierte Quelle ersonnen. Vulkane stoßen die Bausteine für diesen globalen Wolken-Sonnenschirm bereits seit Jahrmilliarden aus, wie zum Beispiel diese wissenschaftliche Studie erläutert.
Ein Vergleich, den der oben bereits zitierte Wissenschaftler Michael Diamond anstellt, ist, dass bereits die jüngste Vermeidung der Schwefelemissionen für so viel Erwärmung sorgt, wie das plötzliche Ausbleiben einer mächtigen Vulkaneruption – jährlich, also pro Jahr ein Ausbruch.
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