Auf die Größe kommt es an! Oder?

Dragon Age: Inquisition (DAI) ist der lang erwartete Nachfolger von Dragon Age: II, sollte jedoch vor al­lem in die Fußstapfen des 2009 erschienen...

von Damdil am: 20.01.2015

Dragon Age: Inquisition (DAI) ist der lang erwartete Nachfolger von Dragon Age: II, sollte jedoch vor al­lem in die Fußstapfen des 2009 erschienen ersten Teils der Spielereihe, nämlich Dragon Age: Origin tre­ten. Origins stellte damals (und mit einigen Abstrichen auch noch heute) einen Rollenspielmeilenstein dar, dem das 2011 etwas überhastet herausgebrachte Dragon Age: II leider aus diversen Gründen nicht das Wasser reichen konnte, obwohl es insgesamt ein ordentliches Spiel war. Dementsprechend sind die Er­wartungen der Fans an DAI offenkundig gewaltig gewesen. Kann DAI überzeugen und an die Qualität von Origins anknüpfen? Oder erwartet die Spieler erneut ein schnell zusammengeschustertes Machwerk, dem man Zeitmangel und eine gewisse Profitgier förmlich ansehen kann?

 

Choose your character!

  

Doch bevor uns DAI in die Welt von Thedas entlässt, kümmern wir uns ganz gernetypisch zunächst um die Charaktererstellung. Diese fällt erstaunlich dünn aus: Wir wählen aus vier Rassen, wobei uns die „Klassiker“ Menschen, Elfen und Zwerge, sowie die gehörnten Qunari zur Verfügung stehen. Neben opti­schen Unterschieden gibt es auch, zumindest in kleinerem Rahmen, spielerische Unterschiede. So bekom­men Elfen etwa zusätzliche Resistenz gegen Fernkampfangriffe spendiert, Menschen dagegen erhalten zu Beginn zwei statt einen Fertigkeitspunkt. Auch in der Spielwelt nimmt wird man, je nach gewählter Rasse, unterschiedlich wahrgenommen und bekommt zum Teil komplett rassenspezifische Dialogoptionen.

Nun wählt ihr noch eine der drei Klassen, wobei ihr bei Schurken und Kriegern direkt eine Spezialisie­rung wählen müsst, die sich jedoch quasi während des gesamten Spiels noch verändern lässt. Leider könnt ihr nicht mehr wie bei Origins aus verschiedenen Hintergründen für euren Charakter wählen. So war es damals möglich sich zu entscheiden, ob man nun beispielsweise einen Zwerg aus kriminellen Mi­lieu oder von Adel, einen Dalish-Elf (quasi einen „Waldelfen“) oder einen Stadtelfen spielen möchte und so weiter. Immerhin werden euch ein paar Zeilen Text zu der vorgeschriebenen Hintergrundgeschichte spendiert. Damit ist eure Charakterentwicklung eigentlich schon abgeschlossen, Fähigkeitenpunkte oder gar Attributspunkte könnt ihr hier nicht verteilen. Dies steht leider beispielhaft für die Charakterentwick­lung des gesamten Spiels: Mit jedem Stufenaufstieg könnt ihr lediglich einen Fähigkeitenpunkt verteilen, die Attribute eures Charakters werden automatisch verteilt. Auf eure Attribute könnt ihr, abgesehen von eurer Ausrüstung, nur über passive Fähigkeiten Einfluss nehmen. Diese liefern euch zusätzlich jeweils 3 Punkte auf klassentypische Attribute wie Stärke oder Magie. Das ist schon mal ein großes Manko, da ihr euren Charakter aufgrund dieser Automatismen deutlich weniger individuell entwickeln könnt. Klassen­übergreifende Fähigkeiten wie Überzeugung, Kräuterkunde usw. fehlen sogar komplett.

Immerhin: Ihr könnt Online über die sogenannte „Dragon Age Keep“ per Kurzfilm die Ereignisse der Vor­gänger von DAI rekapitulieren und zusätzlich zwischen den verschiedenen Entscheidungen wählen, die ihr damals getroffen habt (bzw. getroffen hättet, falls ihr die Vorgänger nicht gespielt habt). Und Entschei­dungen musste man vor allem in Origins einige treffen, weshalb ihr zumindest ein wenig Zeit für die „Keep“ einplanen solltet. Leider finden sich aber fast nur die ganz großen Entscheidungen in irgendeiner Form in DAI wieder.

Nach der eigentlichen Charakterentwicklung zeigt sich DAI zunächst wieder von seiner guten Seite. In dem vorbildlich gestalteten Charaktereditor könnt ihr euren Charakter flott und intuitiv ganz nach Her­zenslust bearbeiten und in mit allerlei Spielereien wie Narben oder Tattoos versehen. Hier fällt auch direkt die seit Dragon Age: II deutlich aufpolierte Technik ins Auge. Dank der Frostbite Engine wirken die Ge­sichter deutlich plastischer. Etwas unorthodox: Auch bei männlichen Figuren sind unter den „Make-Up-Optionen“ u.a. Lippenglanz und Eyeliner standardmäßig aktiviert. Das kann z.T. etwas merkwürdig aussehen, weshalb ihr bei einem Helden diese Optionen tunlichst abwählen solltet.

 

Aller Anfang ist schnell

 

Anstatt wie bei Origins zunächst einen hintergrundsspezifischen Prolog zu spielen, entlässt euch DAI di­rekt in die eigentliche Spielwelt. Dies ist in jedem Fall sehr schade, da diese (bezeichnender Weise) „Ori­gin-Spielerlebnisse“ genannten Prologe bei erkundungsfreudigen Spielern zum einen eine gute Stunde Spielzeit lieferten und sie zum anderen dafür sorgten, dass eine gewisse Identifizierung mit dem Haupt­charakter von ganz alleine entstand. Wer als menschlicher Adliger anfangs noch als jüngster Sprössling ganz in Ruhe durch die Burg der Familie zieht, diverse Laufburschentätigkeiten übernimmt und später selbst Zeuge einer blutigen und gut inszenierten Familienfehde wird, so bekommt der Rache­feldzug des Hauptcharakters schon fast etwas persönlich.

DAI beginnt stattdessen unabhängig von eurem eigentlichen Hintergrund beim Friedenskonzil der Magier und Templer, bei dem ihr als Spion, Vermittler, Schmuggler aus einem mehr oder weniger triftigen Grund mehr oder weniger offiziell anwesend seid. Denn zwischen Templern und Magiern kracht es gewaltig: Bei­de Gruppen befinden sich im Krieg, der langsam aber sicher ganz Thedas überzieht und unzählige Leben fordert. Doch der Frieden muss noch auf sich warten lassen: Eine gewaltige Explosion hinterlässt von diesem Konzil nur einen Trümmerhaufen, ein ebenso gewaltiger Riss im Himmel bleibt zurück, der obendrein ohne Unterlass Dämonen ausspuckt. Und ihr als einziger Überlebender dieses Unglücks steht nicht gerade gut da, zumal ihr einen merkwürdigen Splitter als Souvenir in eurer Hand behaltet.

Kein Wunder, dass die Inquisition, bzw. das, was von ihr übrig ist, euch erst mal in ihr tiefstes Kellerloch wirft. Lelianna, eine alte Bekannte für Dragon Age-Veteranen und Sucherin Cassandra entlassen euch al­lerdings nach arg kurzem Verhör quasi in die Freiheit. Als Beweis eurer Unschuld sollt ihr gemeinsam mit den Truppen der Inquisition zu dem entstandenen Riss vorstoßen, in der Hoffnung, ihn mit dem Splitter schließen zu können(klappt natürlich und wird ist im Verlauf des Spiels eure „Standardübung“). Dies wirkt insgesamt ziemlich inszeniert, da man euch wenige Minute zuvor noch im Verdacht hatte, das Friedenskonzil brutal torpediert zu haben. Plötzlich verbürgen sich jedoch die hoch­rangigen Mitglieder der Inquisition für eure Unschuld.

 

Aller Anfang ist ernüchternd

 

Nach diesem leicht unglaubwürdigen, wenn auch verschmerzbaren Auftakt zeigt sich DAI leider immer noch nicht von seiner besten Seite. Bei den ersten Kämpfen macht man nämlich leider auch Bekannt­schaft mit den diversen Verschlimmbesserungen des Kampfsystems, welche mich persönlich or­dentlich die Stirn runzeln ließen.

Anstatt in typischer Party-Rollenspiel-Manier Gegner mit einem Rechtsklick für Dauerbeschuss durch Standardangriffe zu markieren, müsst ihr nun die linke Maustaste gedrückt halten, um euren Gegner zu beharken. Als Nahkämpfer müsst ihr hierfür naturgemäß eurem Gegner möglichst dicht auf die Pelle rücken, was anfangs vor allem mit Zweihandwaffen etwas fummelig ist. Mal müsst ihr dem Gegner kaum folgen, da ihr mit riesigen Auswärtsschritten auf ihn zu stürmt, andere Male dagegen müsst ihr euch in Feinarbeit selber postieren. Insgesamt ist dies schlichtweg nervig, es wirkt einfach so, als hätte Bioware unbedingt ein „aktiveres“ Spielelement in den Kampf einbauen müssen, welches jedoch insgesamt wirk­lich rein gar nichts ändert.

Zusätzlich fällt auf, dass sich euer Ausdauer-(bei Kriegern und Schurken)bzw. euer Manabalken im Ver­gleich zu beiden Vorgängern mit rasanter Geschwindigkeit auflädt. Allzu genaues überlegen, welche Fä­higkeit ihr nun wann einsetzt, ist damit nicht mehr wirklich gefragt. Insgesamt hat die Komplexität der Kämpfe abgenommen: Obwohl ihr im Verlauf des Spiels über weit mehr als 8 Fähigkeiten ver­fügt, dürft ihr lediglich nur so viele in eurer Aktionsleiste positionieren. Wollt ihr andere Fähigkeiten be­nutzen, müsst ihr diese außerhalb von Kämpfen umständlich in eure Aktionsleiste ziehen. Warum nicht, wie schon 2009, einfach genug Platz für alle Angriffe und Zauber schaffen?

Ebenfalls unorthodox: Ihr könnt nur eine limitierte Anzahl an Heiltränken für die gesamte Gruppe mitneh­men, deren Vorrat ihr wiederum Gratis an diversesten Ort auffüllen könnt. Andere Tränke müsst ihr herstellen und separat ausrüsten. Euer Gesundheitsbalken füllt sich außerdem nicht genrety­pisch außerhalb von Kämpfen, ihr müsst stattdessen immer auf Tränke zurückgreifen. Auf Heilzauber könnt ihr leider auch nicht mehr zugreifen. Tote Gruppenmitglieder kann übrigens jeder wiederbeleben, in größeren Kämpfen ist dies jedoch gar nicht so einfach.

 

Soll das alles sein?

 

Zugegeben: Der Start von DAI ist in vielerlei Hinsicht schlecht gelungen, nach einigen Stunden Spielzeit tritt man hier jedoch nicht von einem Fettnäpfchen ins nächste, sondern bekommt endlich anständige Unterhal­tung serviert. Wenn auch mit weiteren, eher unappetitlichen Beilagen.

Nach dem ihr euch erfolgreich den ersten Dämonenhorden und Rissen angenommen habt, könnt ihr euch im Dorf Haven, dem provisorischen Stützpunkt der Inquisition, gründlich umschauen und dabei endlich auch klassische Stärken der Rollenspielreihe entdecken. So könnt ihr nicht nur mit euren Gruppenmitglie­dern quatschen, zu denen neben Cassandra mittlerweile auch der Tu-nicht-gut Varric und der Magier So­las zählen, sondern auch mit diversen anderen Charakteren, die sich in eurem Lager tummeln. So findet sich in der Führungsebene der Inquisition neben Lelianna mit dem Templer Cullen ein weiterer Bekannter aus Origins und Dragon: Age II. Die Dialoge sind fast alle recht interessant gehalten, hier gibt es wenig zu klagen. Das ist auch gut so, da ihr einen nicht geringen Teil der Spielzeit mit Wortgeplänkeln verbringt. Einziges Manko: Gut die Hälfte aller Dialoge läuft in Form von sogenannten Standarddialogen ab, bei de­nen auf die bereits aus Origins bekannte Kameraführung und Inszenierung verzichtet wird und ihr statt­dessen eurem Hauptcharakter lediglich über die Schulter blickt. Hierdurch wirken diese Dialoge deut­lich statischer und uninteressanter. Warum Bioware auf die gewohnte Inszenierung aller Unterhaltungen verzichtet hat, ist unverständlich, liefern die Entwickler hier doch im eigenen Spiel den Beweis, wie wich­tig dies doch für interessante Dialoge ist. Sehr schön: Alle Dialoge sind komplett vertont, ein stummer Hauptcharakter wie noch in Origins erwartet euch nicht mehr!

Gleichzeitig werdet ihr in Haven auch mit einigen Neuheiten von DAI vertraut gemacht, wie dem Kriegs­rat. Hier könnt ihr an einem Kartentisch eure Berater auf Missionen schicken, welche diese nach Ablauf einer gewissen Zeit von alleine erfüllen und mithilfe von „Machtpunkten“ Gebiete und Hauptquests frei­schalten. Das klingt allerdings spannender und wichtiger, als es im Spiel tatsächlich ist. Zwar wird durch das Verteilen von Aufträgen und schlicht durch deren schiere Anzahl das Gefühl vermittelt, tatsächlich eine Führungsposition innezuhaben. Im Gegenzug sind deren Auswirkungen leider minimal und in der Spielwelt fast nie sichtbar. Meistens winken euch nur sehr kleine Belohnungen in Form von Gold, Einfluss oder manchmal auch Gegenständen, sowie ein Textfenster, in dem euch vom Ausgang der Mission berich­tet wird. Die zahlreichen, gutgeschrieben Texte sorgen zwar zusätzlich für Atmosphäre, jedoch wird hier auch einiges an Potenzial verschenkt. Warum darf ich im Jahre 2014 zum Beispiel nur lesen, dass König Alistair eine Horde mordlustiger Küchenjungen bezwingt, anstatt hiervon eine amüsante Zwischense­quenz präsentiert zu bekommen, wie es schon Medieval 2 im Jahr 2007 bei Agentenaufträgen gelang? Hier wäre Qualität deutlich besser gewesen, als Quantität. Im späteren Verlauf des Spiels klickt man sich nicht selten einfach schnell durch die Texte, da deren Inhalt letztlich keinerlei Einfluss auf den Verlauf der Mission hat.

Apropos Einfluss: Hiermit füttert ihr einen zweiten Erfahrungsbalken, welcher euch bei erreichen der nächsten Stufe Zugriff auf Inquisitions-„Perks“ liefert. Hier mit könnt ihr euch aus verschiedenen Katego­rien Boni ersteigern: Spionagemeisterin Lelianna erlaubt euch beispielsweise Zugriff auf bessere Instru­mente zum Schlösser knacken, Kommandant Cullen spendiert euch zusätzliche Vorteile im Kampf, wäh­rend die intrigante Botschafterin Josephine dafür sorgt, dass euch Händler Waren günstiger verkaufen. Die Auswahl ist groß und etwas Nachdenken ist angesagt, da ihr schwierig alle Perks freischalten könnt und ein Zurücksetzen unmöglich ist (bei Charakterfähigkeiten dagegen nicht). Schön: Über einige Perks könnt ihr neue Dialogoptionen freischalten, welche euch sonst teilweise komplett verwehrt bleiben.

Das letzte „neue Feature“, welches ihr bei eurem Streifzug durch Haven kennenlernt, ist das Herstellen von Waffen und Rüstungen aller Art, entsprechende Schemata vorausgesetzt Hier könnt ihr über Quali­tät und Art des Materials bestimmen und darüber, welche Eigenschaften und Optik eure Ausrüstung bekommen soll. Das Crafting ist zwar sehr nützlich, da die so hergestellten Gegenstände keinen Mindestlevel zum Ausrüs­ten benötigen und gleichzeitig sehr mächtig sein können, es ist allerdings sehr steril inszeniert. Den ge­wünschten Gegenstand wählt ihr aus einem unansehnlichen Menü und auf Knopfdruck ist er sofort fertig. Ihr könnt weder den Schmied bei der Arbeit beobachten, noch müsst ihr warten, bis ihr eure Ausrüstung nutzen könnt.

 

Was im Hinterland passiert, bleibt im Hinterland

 

Der erste Teil eurer Hauptquest führt euch zugleich ins größte und am besten gefüllte Gebiet von DAI: Das Hinterland. Während eure eigentliche Aufgabe nur aus einem simplen Botengang bestand, werdet ihr hier mit Nebenquests förmlich bombardiert. Der Krieg zwischen Templern und Magiern, welche sich in den verschiedenen Regionen des Hinterlands zudem Scharmützel liefern, hat vor allem die Zivilbevölkerung getroffen. So werdet ihr gebeten, acht Stücken Fleisch zu besorgen, mehrere Quellen an warmer Kleidung zu markieren, ein Lager mit abtrünnigen Magiern zu säubern...

Moment mal! Wer sich hier nicht an typische Quests von Online-Rollenspielen erinnert fühlt, hat wahr­scheinlich noch nie eins gespielt! Bei den zahlreichen Nebenquests setzt DAI nämlich leider eher auf Mas­se, als auf Klasse. In den bereits angesprochenen Standarddialogen sammelt ihr mehr oder weniger in­teressante Informationen über die anstehenden Aufgaben und mehr als oft findet ihr lediglich Briefe und ähnliche Dokumente, welche euch Nebenquests bescheren. Wirklich relevant sind die Hintergrundinfor­mation für die eigentliche Quest nie: Markierungen auf eurer Karte führen euch dorthin, wo ihr die Aufga­be erledigen könnt, erkunden und selbst suchen ist nur in absoluten Ausnahmen gefragt. Aus diesem Grund können die, übrigens sehr zahlreichen, Nebenaufgaben nur kurz bei der Stange halten. Schnell fühlt man sich fast schon ge­nervt, an jeder Ecke noch eine 08/15-Aufgabe untergejubelt zu bekommen. Besonders auffällig ist die Beliebigkeit und bloße Menge der Aufgaben gerade im ersten Gebiet, nämlich dem Hinterland. Während es zwar durchaus Spaß macht, durch die äußerst ansehnliche Landschaft zu streifen und Unmengen an Kräutern, Metallen usw. zu sammeln, fehlt schnell die Motivation, sämtliche Nebenaufgaben zu erfüllen. Und letztlich müsst ihr hier ein gewisses Pensum erfüllen, um genug Machtpunkte (und natürlich Erfah­rungspunkte) zu sammeln, um euch dem nächsten Abschnitt der Hauptquest zu stellen.

Übrigens könnt ihr nicht nur an allen Ecken und Enden meist nützliche Handwerksmaterialien aufklauben, sondern auch noch diverse andere Gegenstände und „Errungenschaften“ sammeln. An „Astarium“ ge­nannten Apparaten zeichnet ihr im „Das-ist-das-Haus-vom-Nikolaus“-Stil Sternzeichen, welche euch zu versteckten Höhlen führen, über magische Schädel spürt ihr mysteriöse Splitter auf (deren Verwendungs­zweck leider wenig spannend ist) und markiert per Knopfdruck bestimmte Landschaftspunkte. Viele die­ser Sammelaufgaben dienen aber leider nur dem Selbstzweck, obendrein ist die „Suche“ anspruchslos, da ihr erneut absolut alles auf eurer Karte findet (sofern ihr das Gebiet aufgedeckt habt). Habt ihr jetzt nun mühevoll alle etwa 20 Landschaftspunkte des Hinterlands markiert, erwarten euch lediglich ein paar schlappe Einflusspunkte, die ihr sowieso für quasi jede erledigte Aufgabe bekommt. Immerhin bleibt die Sammelwut deshalb optional.

 

Kommt Zeit, kommt Spaß

 

Während DAI in der Anfangsphase leider häufig enttäuscht, nimmt euer Abenteuer nach dem ersten Ab­schnitt der Hauptquest, also einigen Stunden Spielzeit, zunächst deutlich an Fahrt auf. So werdet ihr zum Anführer der Inquisition, zieht in eine ansehnliche Festung um, die ihr zum Teil selbst gestalten könnt, die Story bekommt langsam mehr Zug und einige der nachfolgenden Gebiete hinterlassen einen deutlich bes­seren Eindruck, als noch das Hinterland. Das liegt ironischerweise nicht selten daran, dass die meisten Gebiete ein gutes Stück kleiner und weniger vollgepackt sind und euch eine Aufgabe einen roten Faden liefert, während der ihr ganz nebenbei eure Nebenaufgaben erledigt. Leider durchstreift ihr aber immer noch nicht selten die an sich schicken und vielseitigen Landschaften, nur um die Questmarker generischer Aufgaben abzuklappern. Außerdem bekommt ihr einige imposante und cineastische Zwischensequenzen zu sehen, die teilweise eine erstaunliche Länge vorweisen können. Leider gibt es auch hier Unstimmigkeiten. Stürmen eure Truppen etwa während einer Mission eine Festung, wird dies in der Zwischensequenz hervorragend inszeniert. Sind dort jedoch z.B. alle Mauern bestens mit Freund und Feind gefüllt, finden hier nach dem Sprung ins Spiel nur kleinste Scharmützel statt.

Mit zunehmenden Level spielen sich auch die Kämpfe spaßiger und etwas taktischer, da euch schlicht mehr Fähigkeiten zur Verfügung stehen und ihr euch zusätzlich relativ früh für einen zusätzlichen Fähig­keitsbaum entscheiden dürft. Krieger dürfen sich z.B. als Templer ausbilden lassen. Spätestens hier fällt leider auf, dass der Platz für nur 8 Fähigkeiten in der Schnellleiste viel zu knapp ist. Insgesamt machen die Kämpfe Laune, auch wenn ihr viel zu häufig auf generische Gegnergruppen trefft, die euch schon früh kaum noch gefährlich werden können. Im Gegenteil zu Origins trefft ihr nämlich häufig nicht mehr auf handverlesene Grüppchen, sondern auf MMO-typisch meist sehr kleine Ansammlungen von Feinden, die obendrein auch noch nach einiger Zeit respawnen. Zumindest auf höheren Schwierigkeitsgraden können auch kleinere Kämpfe fordernd werden, wer jedoch stets dafür sorgt, dass Magier und Fernkämpfer unbe­helligt bleiben, bekommt selten Probleme. Außerdem dürft ihr bereits früh im Spiel auf mächtige Fokus-Fähigkeiten zurück­greifen, welche nach einigen Kämpfen aufgeladen sind. Schwierig werden einige Etappen vor allem da­durch, dass ihr nur auf wenige Heiltränke zurückgreifen könnt und ihr euch, wie erwähnt, ansonsten qua­si nicht heilen könnt. Ausnahme hiervon sind die Drachenkämpfe, bei denen ihr insbesondere auf die Po­sitionierung eurer Mitstreiter achten müsst. Mehr als ärgerlich: Auf die Gesundheits- und Ausdauer-/Manabalken lassen sich selbst auf Wunsch keine Zahlen aufschalten, wer die genauen Werte wissen möchte, muss im Charakterfenster nachsehen. Auch hätte den Kämpfen etwas mehr Inszenierung nicht geschadet. Im Jahre 2014 hätte man schon erwarten können, dass sich Nahkämpfer nicht offen ge­genüber stehen und abwechselnd auf die Nuss geben, wie es schon 2004 bei World of Warcraft und wie­derum schon lange davor üblich war, sondern tatsächlich etwas miteinander Fechten.

Die Balance zwischen den einzelnen Klassen ist übrigens insgesamt gelungen. Während Krieger als mit Abstand am widerstandsfähigste Klasse vor allem die Aufmerksamkeit der Gegner auf sich ziehen und or­dentlich im Nahkampf austeilen, bleiben Magier lieber auf sicherer Distanz und grillen oder schockfrosten ihre Gegner mit diversen Zaubern. Zudem unterstützen sie Gruppenmitglieder über Barrieren, welche euch (sprichwörtlich) einen weiteren Gesundheitsbalken zaubern. Schurken können sich entweder mit zwei Dolchen in den Nahkampf stürzen („Ninja-Animationen“ wie noch in Dragon Age: II bleiben uns zum Glück größtenteils erspart) oder greifen auf einen Bogen zurück. In beiden Fällen teilen sie mächtig Scha­den aus, sind jedoch nicht so robust wie Krieger und sollten möglichst wenig direkte Treffer kassieren. Eine gute Gruppe sollte von jeder Klasse mindestens einen Vertreter einplanen, zumal es an diversen Stellen ohne nicht weitergeht. So können Magier per Zauber an vorgegebenen Stellen Hindernisse entfer­nen, Krieger treten beherzt brüchige Mauern ein und Schurken knacken ganz klassisch Schlösser von Tru­hen und Türen.

Auch die Suche nach immer besserer Ausrüstung motiviert, zumal ihr im Laufe der Zeit tonnenweise Schemata für Handschuhe, Stiefel, Schwertknäufe, Stäbe, Rüstungen und so weiter, und so fort fin­det. Die entsprechenden Materialien vorausgesetzt, lassen sich hier ziemlich mächtige Gegenstände zim­mern. Allerdings wirken, wie schon bei Dragon Age: II, vor allem viele der Ringe und Amulette äußerst generisch: Von Anfang bis Ende findet ihr haufenweise dieselben Exemplare, welche euch immer gleiche Boni spendieren. Da ihr die Attribute beim Stufenaufstieg nicht selber verteilen könnt, fallen diese Boni außerdem nicht besonders ins Auge, da ihr ohne Blick ins Charakterfenster gar nicht so genau wisst, wie viel Stärke oder Geschicklichkeit eurer Charakter nun tatsächlich vorweisen kann. Angesichts der schieren Menge an gefunden Gegenstän­den ist es zudem ziemlich unpraktisch, dass man selbst in seiner gigantischen Festung nicht einmal eine Schublade zur Verfügung hat, in der Beute gelagert werden kann.

 

Bleibt ein Weilchen und hört zu

 

Bioware-typisch könnt ihr eigentlich im gesamten Verlauf des Spiels nach Herzenslust mit euren Gruppen­mitgliedern quatschen, von denen ihr übrigens eine ganze Menge im Schlepptau habt. Zwar sind hier die Redeanteile etwas ungleich verteilt, jedoch bekommen eigentlich alle Begleiter nach den einzelnen Ab­schnitten der Hauptquest einige neue Zeilen spendiert. Hier übertrifft DAI sogar noch Origins, was die schiere Textmenge angeht, zumal die Dialoge schon allein durch den vertonten Hauptcharakter stimmiger werden.

Insgesamt sind die meisten Partymitglieder gut gelungen und nicht ausschließlich eindimensional angelegt, ledig­lich die Magierin Vivienne ist etwas langweilig und Schurke Cole extrem nervig. So ist die eigentliche taffe Sucherin Cassandra von Selbstzweifeln geplagt, Zwerg Varric verbirgt hinter seinem Humor einige hand­feste Sorgen, der Graue Wächter Blackwall ist längst nicht so bodenständig, wie er scheint und und und. Nicht selten werdet ihr damit betraut, persönliche Probleme eurer Kumpanen zu lösen. So schleift ihr bei­spielsweise den amüsanten, wenn auch eingebildeten Magier Dorian zum Gespräch mit seinen besorgten Eltern, zu denen er jeglichen Kontakt abgebrochen hat. Übrigens könnt ihr auch mit euren Beratern ge­raume Zeit parlieren. So erfahrt ihr über Cullens Mühen, das Leben als Templer hinter sich zu lassen, Leli­anna spielt an der ein oder andere Stelle auf Ereignisse aus Origins an und Botschafterin Josephine ist, wie nicht wenige eurer Begleiter, selbst einer Romanze nicht abgeneigt, die nettes Beiwerk sind.

 

Ebenfalls wieder mit von der Partie sind die stimmigen und meist witzigen Plaudereien innerhalb der Gruppe, welche nun komplett zufällig und nicht mehr wie bei Origins (zumindest ohne Mod) le­diglich an bestimmten Punkten ausgelöst werden und hervorragend den Eindruck vermitteln, tatsächlich mit einer Gruppe von Individuen und nicht lediglich Befehlsempfängern durch Thedas zu streifen. So beschwert sich Varric darüber, dass er von Cassandra in Gewahrsam genommen und verhört wurde und bedankt sich ironisch dafür, wenigstens nicht noch gefoltert worden zu sein (Dragon Age: II-Veteranen erinnern sich). Zwar schaltet sich euer Hauptcharakter nicht selten in diese Gespräche ein, allerdings könnt ihr ausgerechnet hier nur selten selber wählen, was ihr zum besten geben wollt.

 

Technik von heute mit Fehlern von gestern

 

Betrachtet man das technische Grundgerüst von DAI bleibt wenig Grund zum meckern: Die Frostbite-En­gine, welche vor allem durch die neueren Ableger der Battlefield-Reihe bekannt wurde, zaubert absolut stimmige Landschaften und schicke Figuren auf den Bildschirm. Generell bestechen die verschiedenen Areale durch Abwechslungsreichtum: Ihr streift durch mitteleuropäisch anmutende Hügellandschaften und Burgen, ein anderes Mal verschlägt es euch in diverse (Schnee)Wüstenabschnitte. Auch die Effekte in den Kämpfen können sich sehen lassen, zumal alles von (etwas zu) dezenter und recht stimmiger Musik untermalt.

Allerdings wirken besonders die Ansiedlungen, Lager usw. unnötig statisch. NPCs gehen hier nicht etwa wie schon im Urgestein Gothic einem eigenen Tagesablauf nach, stattdessen stehen die meisten einfach nur gelangweilt in Grüppchen herum und geben Einzeiler von sich. Atmosphäre wird hier meist durch die schiere Zahl der Figuren geschaffen. Und warum stehen hier Banditen direkt vor meiner neuen Festung, während ein paar Dutzend meiner Soldaten dort ihre Zeit und keine Unholde totschlagen? Hier bleibt Bioware sehr weit hin­ter dem zurück, was heute nötig und möglich wäre!

 

Fazit

 

Eins muss man Bioware lassen: In DAI haben sie gezeigt, wie man den Anfang eines an sich guten Spiels gehörig in den Sand setzen kann. Auch wenn DAI nach einigen Spielstunden gehörig aufdreht, ist es insgesamt leider nicht das Spiel, was sich Dragon Age: Origins-Fans gewünscht haben: Zu groß sind die Unterschiede im Spielablauf, der Spielwelt und insbesondere der Charakterentwicklung. DAI ist hierbei ein Kind seiner Zeit und zeigt, das pure Masse nicht alles ist: Anstatt an den gelungenen 35 Stunden Haupt­quest zu feilen und diese Zeit eventuell zu verlängern, beschert uns Bioware einen Haufen absolut generi­scher Aufgaben, die einen nicht unerheblichen Teil der 80 Stunden Spielzeit ausmachen in einer großen Open-World-Spielwelt, in der es nicht auf Erkundung ankommt, sondern lediglich auf das Abklappern von Questmar­kern. Wieso muss man nicht in den Dialogen aufmerksam lauschen und sich anschließend auf die Suche nach dem Questgebiet machen? Klar, es ist spaßig, in der schönen Spielwelt herumzulaufen und in den effektreichen Kämpfen Gegnergruppen niederzumähen, allerdings nutzt sich dieses Prinzip schnell ab. Auch viele der angesprochen Verschlimmbesserungen zeigen, dass Bioware nicht seinen Traditionen treu geblieben ist. So wirkt auch das neue Kampfsystem so, als hätten zwanghaft aktivere Elemente eingebaut werden müssen, die jedoch letztlich in keinster Weise vom Spieler beeinflusst können, um die Kämpfe doch nicht zu fordernd zu gestalten. Wenn ich schon per dauerhaft gedrückter linker Maustaste angreifen muss, warum kann ich dann nicht wenigstens fähigkeitenunabhängig aktiv ausweichen, die Schlagrichtung- und Kraft bestimmen oder parieren? Auch andere Mechanismen wirken völlig deplatziert: Warum soll der Spieler tausende Sammelobjekte suchen, die eigentlich keinen Vorteil bescheren und nicht mal gut versteckt sind? Hier fühlt man sich an die, ebenfalls größtenteils sinnfreie, Sammelwut von Ubisofts Open-Word-Spielen erin­nert. Auch wenn es sich hier teils um Kritik auf hohem Niveau handelt, viele dieser Änderungen wären nicht nötig gewesen. DAI ist zwar spielerisch gesehen solide, verschenkt aber durch zum Teil absolut un­sinnige Neuerungen viel Potenzial. So wären die Kämpfe deutlich spannender gewesen, hätte Bioware das Kampfsystem von Origins übernommen und ausgearbeitet und stattdessen weniger stark auf generische, MMO-typische Begegnungen gesetzt.

 

Zum Glück besinnt sich Bioware an vielen Punkten auf alte Stärken. So überzeugen die Dialoge und Cha­raktere, die Story kann nach anfänglicher Durststrecke motivieren und belohnt den Spieler nach Mass Ef­fect 3 und Dragon Age II endlich mit einem befriedigenden Ende.

 

Insgesamt ist ein DAI zwar ein durchaus spaßiges und durchgehend solides Spiel, kann aber an die Faszi­nation von Origins nicht anknüpfen. Angesichts der Vorgänger und überhaupt der anderen Spiele von Bio­ware hinterlässt es vor allem Fans an vielen Stellen enttäuscht zurück. Wer sich auf die Änderungen ein­lässt, erlebt ein gutes Rollenspiel, bei dem man sich weniger auf die Nebenaufgaben, als auf die eigentli­che Story konzentrieren sollte, allerdings keinen Rollenspiel-Meilenstein, den man unbedingt gespielt ha­ben sollte.


Wertung
Pro und Kontra
  • Jede Menge Nebenaufgaben...
  • Riesige Gebiete...
  • Zahlreiche Charaktere...
  • Flotte und ansehnliche Kämpfe...
  • Imposante Zwischensequenzen...
  • Ordentlicher Soundtrack...
  • zahlreiche gut vertonte Dialoge
  • Party wirkt lebendig
  • ansprechende Spielzeit
  • Crafting mit zahlreichen Rezepten
  • Story motiviert nach lahmen Anfang zum Weiterspielen
  • Grafisch auf Höhe der Zeit
  • alle Klassen nützlich
  • Gruppenmitglieder vergeben persönliche Quests
  • Ausgezeichnete (englische) Vertonung der Dialoge
  • ... die leider sehr generisch sind!
  • ... die aufgrund zahlreicher Marker nicht zum Erkunden, sondern abklappern einladen!
  • ... von denen einige wenige überflüssig und langweilig wirken!
  • ... die außerhalb der Hauptquests schnell an Reiz verlieren
  • ... zu denen die Inszenierung des eigentlichen Spiels teilweise einen starken Kontrast darstellt
  • ... der etwas zu dezent ist
  • außerhalb der Hauptquests repetitive Aufgaben
  • unglaubwürdiger, überhasteter Einstieg
  • hirnrissige Verschlimmbesserungen des Kampfsystems
  • anspruchslose und sinnbefreite Sammelwut
  • Zwang auch teilweise langweilige Nebenaufgaben erfüllen zu müssen
  • "Standarddialoge"

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

zu leicht

Bugs:

Nur sehr wenige

Spielzeit:

Mehr als 40, weniger als 100 Stunden



Kommentare(2)
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