Besser als sein Ruf

Mass Effect: Andromeda ist schlecht! Zumindest wollte mir das eine Vielzahl von Leuten (mich eingeschlossen) einreden...

von BSchäfer am: 03.02.2019

Ich habe mir Mass Effect: Andromeda (im Folgenden ME:A genannt) kurz nach Release geholt, obwohl ich um die Probleme wusste, die das Spiel wohl hatte. "Es wird schon nicht so schlimm sein", dachte ich mir ... und bekam eine harte Lektion in Sachen jugendliche Naivität erteilt (trotz meiner knapp über 30 Jahre). Kurz zusammengefasst: Es war für mich nicht spielbar. Ich war direkt von den Bugs mit den Gesichtsanimationen betroffen und damit war das Spiel für mich indiskutabel. Besserung wurde in Form von Patches angekündigt, Spieler berichteten, dass die Patches nichts brachten und so ging es eine Weile hin und her und ich verlor in der Zwischenzeit das Interesse an ME:A. Es gab ja trotzdem so viele andere Titel und da war ein Fehlgriff nicht so schlimm, auch wenn ich etwas betrübt war - gehörte Mass Effect doch für mich mit zu den besten Spielen, die ich in den letzten 10 Jahren überhaupt gespielt hatte. Nun gut, so weit die Geschichte.

Im Weihnachtsurlaub hatte ich mir für ein paar wenige Euros Titanfall 2 geholt und relativ schnell durchgespielt, kurzweilig, viel Action, nach 8 Stunden vorbei und trotzdem gut. Und wie ich gerade das Spiel nach dem Durchgang von der Platte putzen will, fällt mein Blick im Origin Launcher auf ME:A. Mich trifft ein Wechselbad der Gefühle, meine Versuche zu Release, die schlechte Presse zum Spiel, die Meldung, dass kein Content mehr kommen wird, das Würgegeräusch des Katers, der gerade ein paar Nadeln des Weihnachtsbaums wieder hervorbrachte... und doch war ich neugierig, wie der Zustand des Spiels denn am Ende geworden war. Es waren noch ein paar Tage Urlaub übrig und ich dachte, okay, bevor ich jetzt mal wieder mühsam die Steam Lib durchwühle und Katzenkotze wegputze, installiere ich ME:A nochmal und gebe ihm eine letzte Chance. Und nachdem heute die Credits über den Bildschirm geflimmert sind und ich mich danach nochmal mit meiner Crew unterhalten hatte, muss ich sagen, es hat sich gelohnt. Das Spiel ist sehr viel besser als sein Ruf, und doch hat es einige Schwächen, aber ebenso auch seine Stärken. Und über beides möchte ich in diesem Bericht ein bisschen erzählen und so vielleicht doch noch den einen oder anderen enttäuschten Frühabbrecher zu einem weiteren Ausflug nach Andromeda bewegen.

Worum gehts?
Ohne viel spoilern zu wollen: Ich spiele einen der Ryder-Geschwister, entweder Scott oder Sarah. Unfreiwillig werde ich zum sogenannten Pathfinder und soll die Völker der Milchstraße, die nach Andromeda aufgebrochen sind, zu goldenen Welten führen. Doch alles geht schief. Die Archen gehen verschütt durch die seltsame Geißel, die sich bei der Ankunft von seiner hässlichen Seite zeigt. Auf dem Weg zum erfolgreichen Überleben in der fremden Galaxie, warten viele Gefahren, denen ich mich mutig entgegenstellen muss, so wie ich es einst mit einem gewissen Commander Shepard getan habe. Im Gegensatz zu Shepard darf Ryder sich aber in einer großen Open World austoben, das war damals total in und drum wurde es ins Spiel reingepackt.

Und funktioniert es wie früher?
Dazu gibt es ein ganz klares Jaeiinarn. Mal so, mal so. ME:A hat seine Momente, in denen es schwer fällt, das Spiel zu beenden. Und dann gibt es auch die Momente, in denen es schwer fällt, sich zum Starten des Spiels zu motivieren. Das hält sich bis ins letzte Spieldrittel die Waage und ab da geht es stark zu ersterem, da scheinen sich die Designer wieder besonnen zu haben, etwas Spannung reinzubringen und die Spieler bei der Stange zu halten. Allein der Weg dorthin ist manchmal sehr sehr mühsam. Aber der Reihe nach.

Was ist denn alles zu tun?
Wie es bei Open World üblich ist: alles, und davon viel. Und leider es ME:A in Sachen Open World eines der schlechteren Beispiele. Man merkt dem Spiel leider immer noch seine holprige Entwicklung an, auch wenn viele der ganz groben Scharten ausgewetzt wurden. Die Aufgaben, die man erledigen muss, laufen aber letztlich immer auf dasselbe hinaus: Errichte Außenposten auf diversen Planeten. Klingt einfach, oder? Wäre es an und für sich auch, aber genau hier grätschen einem viele Dinge dazwischen. Zuerst muss ich mir aber einen Charakter aussuchen, mit dem ich die folgenden (geschätzt) 100 Stunden verbringen möchte. Die Vorlagen gefallen mir durch die Bank weg nicht besonders, und weil ich selbst einfach hammermäßig gut aussehe, baue ich mir natürlich einen Ryder, der mir in etwa ähnlich sieht. So. Beim näheren Nachdenken, sieht er eigentlich so mit ohne Haare und leichtem Bart aus wie Jason Statham, aber das ist bestimmt nur Zufall.

Zurück zu den Dingen, die man so erledigen muss: Die Planeten auf denen man der Reihe nach landet (Eos ist der erste), haben Umweltprobleme. Damit meine ich nicht Mikroplastik im Ozean, Giftmülldeponien oder laute Hunde in Gärten von Nachbarn, sondern das, was man so auf fremden Planeten erwarten würde: hohe Strahlungswerte, Hitze, Kälte, Schwefelseen, also fast so schlimm wie in manchen Teilen Chinas. Durch diese Umwelteinflüsse können wir nicht zu Beginn den ganzen Planeten frei erkunden, sondern nur in gewissen Grenzen umher wandeln und uns um die Probleme der Leute kümmern. Um etwas gegen die Umwelt zu tun, gibt es auf jedem Planeten ein sogenanntes Reliktgewölbe, eine Hinterlassenschaft einer geheimnisvollen Spezies, von der sonst nichts zu sehen ist - in etwa wie die Protheaner in den vorherigen Mass Effect Teilen. Dieses Reliktgewölbe muss jeweils aktiviert werden, um den Planeten lebensfähig zu machen. Das reicht meist aber nicht aus und so müssen wir trotzdem noch viele zusätzliche Aufgaben für die aktuellen und künftigen Bewohner erledigen. Und leider sind das so ziemlich immer dieselben Dinge, die zu tun sind und lassen sich auf ein paar wenige Arten herunterbrechen:
- Scanne irgendwelche Kisten, Räume oder Terminals
- Töte jemanden
- Verfolge jemanden
- Quatsche mit jemandem
Das sind gefühlt 90% aller Aufgaben, die man über die Zeit so erledigen muss. Zwischendurch gibt es aber dennoch echte Highlights an Aufgaben, die auch wirklich gute Geschichten erzählen. Es ist also nicht immer nur lahm, die Aufgaben zu erfüllen.

Und was sind denn noch die Probleme?
Wie schon gesagt, merkt man ME:A seine Entwicklung trotz einiger Patches immer noch an. Dennoch kann ich viele beruhigen: Der Zustand des jetzigen Spiels ist um ein vielfaches besser, als er es zu Release war. Die entgleißten Gesichtszüge konnte ich nirgends mehr beobachten, die leeren und toten Augen ebensowenig. Auch die unpassende Mimik in Dialogen ist größtenteils behoben und hat mich jetzt nicht mehr gestört. Aber jetzt kommen die vielen Abers, die mir während des Spielens durchaus einige Male auf den Keks gingen und zu dem erwähnten Problem führten, dass ich so manches mal das Spiel nicht so recht starten wollte und es mich eher dazu drängte, auch mal die Küche aufzuräumen, den Staubsauger zu schwingen oder mir auf Youtube die gesamte Diskografie von Queen anzusehen - dabei wären einige Punkte sehr sehr leicht zu vermeiden gewesen und wären auch jetzt noch leicht zu beheben mit einem kleinen Patch. Um nicht ganz so viel Fließtext zu produzieren, zähle ich die größten Kritikpunkte für mich auf und erzähle kurz was dazu.

- Das Rumgeeiere -
Zu Release war es noch ganz schlimm und die Patches haben hier wirklich Besserung gebracht, aber leider nicht die 100%, die man aus früheren Teilen gewohnt war. Ich rede von den Bewegungen des Charakters. Die meiste Zeit joggt die Spielfigur gemütlich dahin und man drückt öfters die Rennen-Taste, weil sonst alles unnötig lang dauert. Und genau da kommt es oft vor, dass die Spielfigur anfängt zu eiern, nämlich dann, wenn sie rennend in die Kurve geht. Die Spielfigur legt sich schräg in die Kurve und hat, nachdem die Kurve vorbei ist, Mühe, wieder auf die Spur zu kommen. Man lenkt dagegen, die Figur eiert in die andere Richtung und meist behilft man sich am Ende damit, dass man kurz vom Gas geht und danach nochmal Anlauf nimmt. Das ist kein unglaublicher Störfaktor (wir erinnern uns, zu Release ging die Figur noch halb in die Hocke und rannte dann schräg herum, als hätte sie gerade ein Ei in den Raumanzug gelegt), aber es ist etwas, was bei so einer Produktion einfach nicht passieren darf. Schuld ist hier wohl - wie bei einigen anderen Dingen auch - die Engine, die für diese Art Spiel einfach nicht konzipiert wurde und das darauf zubiegen wohl schwerer ist, als man annehmen würde.

- Die Zwischensequenzen -
Zwischensequenzen sind was tolles. Vorgerenderte Filme, die zeigen, wie mein Raumschiff auf einem Planeten landet oder startet, garniert mit ein bisschen von der Umgebung, man schaut da gerne zu - zumindest beim ersten mal. ME:A hat für jeden Planeten eine eigene Start- und Landeszene gerendert, die zwar schön aussehen, aber lange dauern, viel zu lange. Ich habe es nicht nachgemessen, aber die längsten dürften bei 30-40 Sekunden liegen. Und das Problem? Man kann die Szenen nicht überspringen. Das erste mal anschauen und anschließend einfach wegdrücken wäre ja super gewesen, aber nein, man muss sich jedes Mal das Ding in voller Länge anschauen. Das wäre jetzt immer noch nicht ein Mega-Problem, müsste man nicht andauernd und immer wieder zwischen den Planeten reisen - dazu komme ich aber gleich nochmal. Aber genau deshalb stehlen einem diese Szenen über die ganze Spielzeit bestimmt eine Stunde, in der man immer wieder dasselbe angestarrt hat. Und das wäre einfach vermeidbar gewesen. Ich schau mir lieber einen Ladebildschirm an, wenn es nicht anders geht. Der verschwindet wenigstens, nachdem im Hintergrund alles geladen wurde. So war es aber irgendwann eine Qual und man hat sich immer wieder dabei ertappt zu denken, "soll ich da jetzt wirklich gleich hinfliegen oder mach ich vorher noch was anderes?".

- Viel hin und her -
Wie schon gesagt, die Zwischensequenzen sind lange und sie werden nervig zäh, weil man sie oft sieht. Das liegt an einem anderen Problem, welches die Designer hier eingearbeitet haben: Man fliegt sehr häufig wegen kleinstem Kram zwischen Planeten umher und kann kaum so ziemlich alles in einem Hui erledigen, so dass man danach nicht mehr zu dem Planeten zurück muss. Okay, kann man schon, man erledigt halt dann viele Aufgaben überhaupt gar nicht erst. Aber das ist auch nicht Sinn der Sache. Die Aufgaben werden also fröhlich gestreut und in Kombination mit den nicht überspringbaren Zwischensequenzen wird es dann tödlich. Man hat einen Planeten vor ein paar Stunden endlich hinter sich gelassen und nachdem man auf einem anderen angekommen ist, wird einem eröffnet, man solle doch X oder Y auf dem vorherigen Planeten noch erledigen oder holen. Oh, und wenn man schon mal im warmen Raumschiff ist, kann man ja auch noch gleich die beiden Planeten davor auch noch besuchen, um der Schwester von Z einen schönen Gruß auszurichten oder auch die beste Freundin eines Crewmitgliedes treffen... die einen nach drei Zeilen Dialog stehen lässt und man dann wieder daran erinnert wird, dass die Start- und Landeszene länger war als der Dialog eben. Das schaukelt sich manchmal stark hoch und öfters lässt man solche Nebenaufgaben tatsächlich liegen, weil sie irgendwann nur noch nervtötend sind und die Story um kein Stück voran bringen. Problem dabei ist aber, dass man so auch eine der wenigen wirklich guten Nebenstories verpassen kann. Dem Spiel hätte es hier gut getan, wenn es etwas weniger Open Galaxy gemacht hätte und innerhalb einer Planeteneroberung die Zügel etwas straffer gezogen hätte. Klar, weniger Spielzeit dann, aber das wäre es durchaus wert gewesen.

- Nicht durch die Front latschen! -
Man bekommt es bei der Bundeswehr eingetrichtert, aber in ME:A scheint es kaum einen zu interessieren von jenen, die man zur Unterstützung dabei hat. Wie in den Vorgängern begleiten einen bis zu zwei Teammitglieder auf der Reise und vor allem in den Kämpfen und sollen vor allem letzere leichter machen. Nur leider tun sie das manchmal überhaupt nicht. Ganz besonders genervt hat mich das im Kampf gegen einen Architekten. Das sind riesengroße Reliktkonstrukte, auf die man manchmal trifft - Minibosse, aber insgesamt relativ lange Kämpfe. Die drei Beine des Architekten hatte ich schon zerstört (das muss man zuerst machen) und sein Lebensbalken zeigte mir, dass er noch genau einen Schuss aus meiner Pistole mit Mega-Töt-Turbo brauchte, um in den Himmel zu gelangen (buchstäblich). Sein Schlund öffnete sich und er bereitete eine starke Attacke vor, die mich dahinraffen würde, da mein eigener Lebensbalken wegen eines missglückten Granatenwurfes eine Sekunde zuvor, ebenfalls nicht mehr besonders gut aussah.

Aber egal, die Augen zusammengekniffen und mit meinem riesigen Colt locker aus der Hüfte direkt in den Schlund, quasi in letzter Sekunde. Das wäre ein Schuss für die Geschichtsbücher, noch Generationen später würden Eltern ihren Kindern erzählen, wie heldenhaft Scott Ryder in den Schlund der Bestie blickte und cool den Abzug betätigte, um so den Tod abzuwenden. Kinofilme würden erscheinen, in denen meine Figur genau an dieser Stelle sagen würde "Na los, make my day!", das Merchandising würde meine eigenen Nachfahren unendlich reich machen, es gäbe sogar meine eigenen Frühstücksflocken und eine Zeichentrickserie, die jeden Samstag morgen laufen würde... aber es kam alles anders. Ich betätigte gerade den Abzug und es macht *plopp* und Liam, der mich bis zu dieser Stelle immer begleitete, lief mir direkt in die Schussbahn. Das Geschoss prallte von seinem Afro ab und verwundete vermutlich einen naheliegenden Stein tödlich, aber keine Sekunde später grillte mich der Architekt. Keine Geschichtsbücher, kein Kinofilm und noch nicht mal Frühstücksflocken. Stattdessen blanker Zorn. Liam durfte mich ab diesem Zeitpunkt nicht mehr begleiten und hatte Hausarrest. Er wurde durch Jaal ersetzt, der sich zwar meistens, aber leider auch nicht immer, besser anstellte. Und dieses vor mir rumlaufen passierte leider auch später immer wieder. Die Momente waren vielleicht nicht so bedeutend wie gegen den Architekten, aber wenn man gerade einen Raum betritt aus dem von allen Seiten das Feuer auf einen eröffnet wird, dann ist so ein Verhalten hinderlich. Man wirft sich in Deckung und will aus dieser feuern und mein Spezl steht direkt vor meiner Deckung, ballert ein bisschen, aber nimmt mir selbst jede Möglichkeit dazu. Das muss doch nicht sein.

- Fummelige Konsolenmenüs -
Es ist jetzt keine Erfindung von ME:A, aber das macht es trotzdem nicht besser: Für Konsolen optimierte Menüs und Inventarbildschirme. Manchmal war es sehr frustriedend, diese zu bedienen und obendrein ist alles extrem unübersichtlich. Die Waffen- und Modauswahl hätte gar nicht blöder gelöst werden können und vom Forschungs- und Entwicklungsmenü fange ich gar nicht erst an. Der PC-Spieler hat einfach nur den Vorteil, dass er alles eben mit der Maus anklicken kann, aber die Menüs sind für eine Mausbedienung oft einfach nur unlogisch und doof. Am schlimmsten ist hier wohl das Questlog. Nicht wegen der Bedienung selbst, sondern weil es die aktiven Quests in Unterkategorien einsortiert. Davon gibt es vier Stück + die erledigten Quests: "Priorisierte Operationen" (Hauptstory), "Verbündete und Beziehungen", "Heleus-Aufgaben" (nach Planeten sortiert) und "Zusätzliche Aufgaben". Das Problem: Man kann nur eine einzige Quest als aktiv markieren und damit Questmarker anzeigen lassen, aber nicht einen Ort/Planeten auf einmal abfrühstücken. Missionen, die auf Eos erledigt werden müssen, können in allen vier Kategorien einsortiert werden. Nervig oft muss man sich da durchklicken, um vielleicht doch noch eine Mission zu finden, die man grade erledigen könnte, weil man die Start- und Landeszene nicht nochmal sehen will.

- Schlechte Trigger -
Nicht nur ein mal habe ich meine Lautsprecher mit einem bestimmten und etwas lauteren "ICH WEIß!!" angeherrscht. Der Grund dafür sind wirklich schlecht gemachte Trigger (Auslöser) bei manchen Ereignissen im Spiel. Was wohl so gut wie jedem schnell auffallen wird, sind die Ansagen von SAM (Die KI, die einen begleitet), die wieder und wieder kommen. "Ich messe hohe Strahlungswerte" wird oft nur wenige Sekunden später von einem "Strahlungswerte liegen im normalen Bereich" verfolgt. Dasselbe bei extremer Kälte und Hitze. Gerade in den ersten Stunden auf einem neuen Planeten bekommt man diese Sätze permanend um die Ohren gehauen, und es lässt sich leider nicht abstellen - oder zumindest habe ich keine derartige Option gefunden. Und nicht nur SAM nervt rum. Zu Beginn auf Eos stolperte mein Trupp über eine Leiche, worauf ich von einer Begleiterin (Cora) direkt hingewiesen wurde. Diese sollte ich dann gleich mal scannen, meinte SAM. Gesägt, getut, gescannt. Blöd war nur, dass ich die nächste Zeit noch öfters an dieser Stelle vorbeikommen sollte und meine Crew mich jedes mal wieder auf die Leiche hinwies und dass ein Scan doch hilfreich wäre. Dabei lag sie eh schon gut sichtbar auf dem Weg, auffälliger wäre sie wohl nur noch an einem Holzkreuz mit Flanellhemd und Strohhut gewesen. Aber danke an meine Crew, dass sie mich hier immer wieder auf eine schon lange erledigte Aufgabe hinwies, so konnte ich unmöglich vergessen oder übersehen, dass da was lag. Von diesen Triggern gab es immer wieder mal schlechte, aber gut, bei so einer großen Welt - geschenkt. Das passiert und das weiß ich als Programmierer aus eigener Erfahrung. Aber die Dauersendung von SAM zur Umgebung, die war einfach nur doof und hätte doch auffallen müssen, nachdem sich die ersten Tester in der QA mit ihren Bleistiften die Trommelfelle punktiert hatten, nur damit Ruhe war.

- Der Erstkontakt -
Relativ schnell im Spiel wird Kontakt zu zwei Rassen hergestellt, die feindlichen Kett und die "freundlichen" Angara. Anführungszeichen deshalb, weil auch da nicht alle Ryder T-Shirts kaufen würden, aber das ist okay und schiebt das Ganze wenigstens ein bisschen in Richtung Glaubwürdig. Ein Problem habe ich an anderer Stelle: Der Kontakt mit den Angara findet statt und man macht dann halt was miteinander. Eine Splittergruppe der Angara macht zwar immer wieder mal Probleme, aber im Großen und Ganzen kann man mit fast allen quatschen, handeln usw., fast direkt von Beginn an. Als "Lösung" wurde hier eingeworfen, dass jeder einen Babelfisch (oder halt einen anderen Übersetzer) im Ohr hat und alle Sprachen versteht - auch die Angara selbst. Kommunikation scheint überhaupt kein Problem zu sein, egal worum es geht. Zwar war Bioware hier bemüht, immer wieder mal anzudeuten, dass es eben doch nicht so ist, etwa wenn Angara von ihrem Misstrauen gegenüber Fremden erzählen oder die Splittergruppe etwas handgreiflich wird, aber hier hätte es gut getan, eine komplett neue Trilogie aufzuspannen, die diese Kontaktaufnahme etwas länger dauern lässt. So wirkt es leider stark gewollt und verliert viel von der gesamten Glaubwürdigkeit. Dabei wurde das Volk der Angara durchaus spannend konzipiert, insbesondere deren Herkunft, wie sich später rausstellt. Der Faden wird nur nicht weiter gezogen und endet so schnell, wie er aufgetaucht ist. Hier wäre so viel mehr möglich gewesen.

- Die Open World -
Als ME:A rauskam bzw. entwickelt wurde, war Open World gerade der richtig heiße Shit. Nach Witcher 3 musste jedes RPG, das etwas auf sich hielt, gefälligst eine Open World haben. Gut getan hat es allerdings den wenigsten Spielen, und auch ME:A ist hier keine Ausnahme. Die Welten sind zwar in manchen Teilen schön gemacht (Havaarl oder Kadara), aber andere sind dafür einfach nur öde und leer. Dabei hat Bioware den Spagat zwischen "glaubwürdiger Größe" und "trotzdem interessant" einfach nicht immer geschafft. Jeder war einfach nur noch froh, wenn er von Voeld oder Eos runter war, weil man die Wüsten nicht mehr sehen konnte - egal ob Sand oder Eis. Man kann später zwar noch Schatzkisten suchen gehen, aber das ist auch eher uninteressant, aber wegen eines anderen Problems:

- Die Balance -
Die eigentliche Königsdisziplin in einem RPG ist die Balance - egal welche. Warenwirtschaft, Geld, Erfahrungspunkte, Statuswerte etc. Und auch hier liefert ME:A nicht immer eine gute Leistung ab. Ganz besonders beim Handel versagt das Spiel auf ganzer Länge. Die ersten Stunden des Spiels hat man kaum Geld und kann sich daher auch quasi nichts kaufen. Aber schon nach dem ersten Drittel hat man - so man denn Ressourcen abgebaut hat in dieser Zeit - von allem so viel im Übermaß, dass man auf keine Händler mehr angewiesen ist. Man baut sich ein bisschen was selber - Ressourcen gehen nach dem ersten Spieldrittel quasi nicht mehr aus - und ist eigentlich fertig. Man findet zudem so dermaßen viel Kram, dass man Händler maximal noch braucht, um den Kram in Credits umzuwandeln... mit denen man dann auch nichts mehr anfängt, weil man die Händler ja nicht mehr braucht. Es fehlt hier dieser RPG-typische Händler, der ab und an mal irgendwo rumsteht und ein supergutes und supergeheimes Item für unendlich viel Geld verhökert, das man ihm aber gerne gibt, weil das Item eben supergut ist. Nichts... gar nichts. Es fühlt sich keine Waffe oder Rüstung so richtig ultimativ wertvoll an.
Anders ist es dafür bei den Erfahrungspunkten und den steigenden Statuswerten bzw. Waffenstärken. Hier hatte ich tatsächlich nicht das Gefühl, dass irgendwas aus dem Ruder läuft. Gegner waren eigentlich nie völlig ohne Herausforderung (mittlerer Schwierigkeitsgrad), aber sie waren auch nie so knüppelhart, dass man dadurch frustriert wurde. Hier waren vermutlich unterschiedliche Teams am Werk, die ihr Ergebnis unterschiedlich gut abgeliefert hatten. Und wie in der echten Welt auch, haben die Leute mit dem BWL-Teil nicht gerade Meisterwerke erstellt.

Okay, eine Riesenlatte Gemecker... gibts überhaupt was Gutes?
Wie schon erwähnt, durch die Open World und das Drumherum ist alles leider etwas arg in die Länge gezogen, was dem Spiel nicht gut getan hat. Aber sobald man mal wieder einen Batzen Nebenaufgaben erledigt hat und sich wieder einer der Storymissionen widmet, wird man eigentlich sehr gut mitgenommen, insbesondere im letzten Spieldrittel entwickelt sich wieder der Sog, der zwar nicht ganz an die frühere Trilogie ranreicht, aber doch zumindest ein bisschen in die Reichweite kommt. Das war auch der Grund, warum ich es in diesem Anlauf dann trotzdem durchgezogen hatte, weil ich irgendwann halt doch wissen wollte, wie das jetzt ausgeht und woher das eine oder andere stammt, wie etwa die Geißel. Wie schon erwähnt, hätte hier dem Spiel eine kürzere Spielzeit oder eben eine Teilung über zwei oder drei Spiele sehr gut getan, aber hinterher ist man immer schlauer.

Sehr beeindruckend fand ich allerdings die Raumflüge. Leider kann man die Flüge zwischen den Sternensystemen nicht abkürzen, also gerade die, bei denen es eh nichts zu sehen gibt, die Flüge zwischen Planeten innerhalb dieser Systeme hingegen schon - Gott sei dank! Aber so manches mal war ich doch etwas gebannt von den Bildern die ME:A hier erzeugt. Befindet man sich z.B. im Orbit um einen Planeten, der einen roten Stern umkreist und dreht dann die Kamera so, dass der Stern hinter dem Planeten ist, bemerkt man erst, wie viel Liebe in die Optik gesteckt wurde. Protuberanzen und Lichteffekte sind großartig geworden und auch die Geißel sieht faszinierend unheimlich aus, wenn man sich in deren Nähe befindet. Auch sonst weiß ME:A in Sachen Optik zu überzeugen, sieht man mal von den teilweise etwas wachsartigen Gesichtern und den albernen Bodennebel-Effekten (stehende Bitmap, die sich mit der Kamera mitdreht) ab.

Auch beim Waffensystem empfand ich die Lösung, die ME:A hatte, als eine der besseren. Es gibt einen Waffenslot für eine Nahkampfwaffe und bis zu vier für Schusswaffen. Und wer sich etwa auf Pistolen spezialisiert, wie ich, der kann, wenn er will, auch einfach 4 Pistolen einpacken, alle mit eigener Munitionsreserve. Das fand ich in früheren Teilen manchmal nervig - war die Lieblingswaffe leer, musste man immer zu den doofen Waffen greifen, um noch halbwegs aus dem Kampf zu kommen. Bei ME:A habe ich vier Pistolen am Mann und dann kommt mir wirklich überhaupt kein Gegner mehr dumm. Eine gute Lösung, wie ich finde.

Die Beziehungen zwischen den Charakteren sind an und für sich auch gut geworden, wenngleich auch nicht so gut wie in den Vorgängern. In ME:A kann man sehr gezielt in Dialogen auf Beziehung und Sex zusteuern, was in den Vorgängern nicht immer so einfach war, oder zumindest nicht so plump. Dadurch hat es sich in den Vorgängern in den Dialogen echter angefühlt. Zudem war es so, dass sich ein Charakter erst mal kaum anders verhalten hat, nachdem man gerade in der Kiste war und eh schon eine Weile rumbaggert. Erst, wenn man an späteren Schlüsselszenen extra nochmal seine Liebe bekundet, wird man zumindest ein bisschen anders angesprochen. Aber trotz allem ist das bei ME:A immer noch meckern auf hohem Niveau.

Die Synchronisation ist gut gelungen, aber massiv gestört hat mich die englische Synchronisation! Die Timings sind manchmal schlecht und ganz besonders fiel mir auf, dass die Sprecher der englischen Version zum großen Teil nicht allzu motiviert bei den Aufnahmen waren. Die deutschen Sprecher haben allerdings, bis auf wenige Ausnahmen, recht gute Arbeit geleistet. Kommt auch nicht so oft vor, dass die deutsche Version die klar bessere ist - wobei ich dazu sagen muss, dass ich die deutsche Version eigentlich immer bevorzuge. Ich schalte nur ab und zu mal um, um zu hören, ob die englische Version wirklich viel besser ist - oder eben nicht, so wie hier. Insofern war das ein Pluspunkt für mich, die bevorzugte Version zu spielen, die auch noch die bessere war.

Passend zu Tönen, die von den Charakteren kommen, möchte ich auch den Soundtrack des Spiels positiv hervorheben. Der war schon in den Vorgängern absolut großartig und auch ME:A steht dem kaum nach. Atmosphärische Klänge wechseln sich mit drängenden Klängen in Kämpfen, dazu die sowieso tiefenentspannende Musik in der Galaxiekarte. Kurz: Es gibt hier nichts zu meckern, gab es bei Mass Effect eh noch nie.

Das Ende selbst war gut. Nicht mehr und nicht weniger. Es war gut und ich war zufrieden damit. Ich will eben nicht spoilern, aber dass kein Story-DLC mehr erscheinen wird, ist nicht so dramatisch, auch wenn die Schlusssequenz es quasi aufdrängt. Ich war einfach zufrieden, als es geschafft war und ich ein letztes mal in mein Schiff stieg, nachdem ich mich von meiner Crew nochmal ein bisschen für mein gutes Aussehen loben ließ. Es waren am Ende noch ein paar Kleinkram-Aufgaben im Log, auf die ich aber keine große Lust mehr hatte, da es sich eh nur um angesprochene lahme Scanne-dies-Aufgaben handelte.

Auch wenn ich jetzt viel viel Text für das Gemecker aufgefahren habe: Das Spiel ist sehr viel besser als sein Ruf. Ich hatte schlimmste Befürchtungen und lange gar nicht erst die Motivation, überhaupt damit anzufangen, wenn es doch so schlecht sein soll. Aber ich habe mich getäuscht. Ja, es hat seine Längen und seine Kanten, da braucht man gar nix beschönigen. Aber ich spiele auch begeistert jedes neue Spiel von Piranha Bytes, wissend, was mich da erwartet. Ich hatte es halt nicht bei Mass Effect so erwartet, aber war am Ende dennoch zufrieden, dass ich es durchgespielt habe. Der Ausflug nach Andromeda war es definitiv wert und mit 80 Stunden, die am Ende auf der Uhr waren, auch zeitlich völlig in Ordnung. Ich hoffe, ich habe mit dem Gemecker nicht dafür gesorgt, dass jemand jetzt erst recht das Ding nicht installiert, obwohl es schon bei Origin drin hängt. Das war nicht meine Absicht, ich wollte lediglich Dinge erwähnen, die ehrlicherweise auf einen warten werden und anmerken, dass es sich TROTZDEM lohnt. Der Glanz der Vorgänger wird nicht erreicht, aber wenn man das schon vorher weiß, dann muss das dennoch nicht bedeuten, dass es ein schlechtes Spiel ist.

Da dies mein erster Review-Text ist, bitte ich um ein bisschen Nachsicht, dennoch ist konstruktive Kritik sehr willkommen.


Wertung
Pro und Kontra
  • Großartige Optik
  • Großartiger Soundtrack
  • Gutes Waffensystem
  • Gute deutsche Vertonung
  • Viel zu lange Wiederholungen der Zwischensequenzen
  • Viel zu große Streuung der Aufgaben
  • Konsolige Menüs
  • Zu viel Open World, weniger wäre mehr gewesen

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

genau richtig

Bugs:

Häufiger, unregelmäßig

Spielzeit:

Mehr als 40, weniger als 100 Stunden



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