"Vorfreude"
Spricht man einen videospielaffinen Menschen, der Dark Souls noch nicht selbst gespielt hat, auf dieses Spiel an, erhält man in der Regel eine Reaktion der Kategorie ‚Hui, das muss ja so wahnsinnig schwer sein, da habe ich mich nie ran getraut“. Und genauso ging es mir auch längere Zeit – Dark Souls schlummerte in meiner Steambibliothek vor sich hin.
Eines Tages aber wagte ich es: Mit zitternden Händen klickte ich auf den Startbutton und traute mich in die Welt der Untoten, die gefährliche Dark Fantasy-Welt, gespickt mit fiesen Fallen, unerbittlichen Gegnern und gigantischen Bossen.
Der Einstieg
Zunächst einmal erstellte ich meinen Charakter, wählte einen Krieger, gab ihm ein ansprechendes Äußeres und Namen, suchte mir als Goodie einen Generalschlüssel aus und schon ging es los.
Die Klasse, die man zu Beginn wählt, ist übrigens nicht von entscheidender Bedeutung, sie legt lediglich die Startbedingungen fest, welche Ausrüstung wir zu Beginn bei uns tragen und wie viele Punkte zu Beginn auf die einzelnen Fähigkeiten verteilt sind. Im Spielverlauf kann man aber beispielsweise durchaus noch einen Krieger zum Zauberer oder Dieb skillen. Wer ganz mutig ist, wählt den nahezu nackten Bettler…
Ich beginne das Spiel in einer Gefängniszelle in einem Untotenasyl. Ein Unbekannter wirft uns aber freundlicherweise durch ein Loch in der Decke den Schlüssel zu und die Reise kann beginnen. Zu Beginn wandern wir durch die Gänge des Asyls und erlernen den Großteil der Steuerung, die über anklickbare Textfelder auf dem Boden erläutert wird.
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Steuerung
Apropos Steuerung: Spricht man von Dark Souls, hört man meist schnell von einer katastrophalen PC-Umsetzung vorwiegend deshalb, weil das Spiel mit Maus und Tastatur nahezu unspielbar ist – ein Gamepad sollte deshalb hier dringend zum Inventar des Spielers gehören. Damit ist die Steuerung aber meines Erachtens geradezu hervorragend und es dauert nicht lange, bis wir wissen, wie man schlägt, blockt, geht, rennt, springt und ausweicht.
Die Gegner, an denen wir uns zu Beginn probieren dürfen, sind quasi wehrlos. Na also, so schwer ist das nun nicht.
Im Laufe des Spiels kommen dann noch lernintensive Spezialattacken dazu, die sehr viel Schaden machen: Zum einen kann man mit seinem Schild im richtigen Moment einen Gegnerangriff parieren und dann mit einem besonders heftigen Schlag kontern, zum anderen gibt es die Möglichkeit, sich in den Rücken des Gegners zu bewegen und im richtigen Moment mittels „Backstab“ den Gegner von hinten sehr schadensintensiv aufzuspießen. Beherrscht man beides erst einmal, macht das vieles leichter.
Seelen und Leuchtfeuer
Mit jedem erschlagenen Gegner wandern Seelen auf mein Konto. Das ist eine Mischung aus Erfahrungspunkten und Währung in Dark Souls: Mit den Seelen kann man diverse Waffen, Rüstungen, Tränke usw. kaufen, vorhandene Ausrüstungsteile verbessern oder sich schlicht Stufenaufstiege erkaufen.
Also setze ich mich erst einmal an dieses lodernde Feuerchen da…das erste Leuchtfeuer. Derer gibt es im Spiel jede Menge: An diesen können wir rasten, unsere Heiltränke auffüllen, Stufenaufstiege durchführen und noch etliches mehr. Zudem dienen die Leuchtfeuer als Speicherpunkte.
Sterben wir, erwachen wir am letzten Leuchtfeuer, an dem wir gesessen haben. Allerdings sind die Seelen, die wir zu diesem Zeitpunkt mit uns herumgetragen haben, erst einmal verloren. Wir bekommen aber einen Versuch, an die Stelle unseres Ablebens zurückzugelangen und unsere Überreste einzusammeln. An dieser Stelle kommen wir gleich zum Haken an den Leuchtfeuern: Setzt man sich dort nämlich nieder, werden bis auf die bereits besiegten Bosse und einige andere einmalige Gegner alle bereits besiegten Gegner wiederbelebt. Sterben wir auf dem Weg zu unseren Überresten erneut, sind diese Seelen für immer verloren.
Man sollte also immer genau überlegen, wie weit man beispielsweise nach dem Erlegen eines Bossgegners weiter in die Welt vordringen soll auf der Suche nach dem nächsten Feuer oder ob man sich nicht lieber ans letzte zurückzieht, um erstmal die Seelen auszugeben.
Die ersten Bildschirmtode
Jetzt aber weiter, Wir stoßen ein gewaltiges Tor auf und schon stehen wir nach ca. 5 Spielminuten dem ersten Boss des Spiels gegenüber – einem gewaltigen Dämon, dem wir mit unserem abgebrochenen Schwertgriff, den wir als Waffe mit uns herumtragen, fast keinen Schaden zufügen können. Er uns mit seinem riesigen Hammer dagegen umso mehr. Und so schickt er uns nach wenigen Sekunden in den ersten Tod – das Spiel belohnt uns mit dem Achievement „Willkommen bei Dark Souls“ und dem Erwachen ohne Seelen zurück am Leuchtfeuer.
Also wieder durch das Tor zu unserem Dämon, schnell die zuvor verlorenen Seelen aufsammeln, und…wieder tot. Da muss es doch einen Trick geben! Ja, den gibt es, ich verrate ihn aber nicht.
Ein paar Meter weiter laufe ich eine Treppe hinauf und werde von einer riesigen Steinkugel überrolt. Spätestens jetzt dämmert mir, dass jeder Schritt in Dark Souls besser wohlüberlegt sein sollte. Hätte ich besser aufgepasst, hätte ich den Stein beim Betreten der Treppe vorab sehen können. Mein Ableben war also meiner fehlenden Vor- und Umsicht geschuldet.
Sterben ist Lernen
Und so ist das sehr oft in diesem Spiel: Das Spiel bestraft gnadenlos fehlende Vorsicht, mangelnde Konzentration, nicht ausreichendes Studium der Kampfweise der Gegner.
Betrete ich einen mir nicht bekannte Raum, ist künftig immer der Schild gezückt, zu oft, wurde ich aus dem Hinterhalt in die ewigen Jagdrgründe geschickt. Der Tod ist keine Schande, er ist das Mittel, in diesem Spiel dazu zu lernen, bestimmte Fehler künftig zu vermeiden.
Für unerfahrene Spieler ist bereits der einfachste Standardgegner eine große Herausforderung. Ich weiß nicht mehr, wie oft ich in den ersten zwei bis drei Spielstunden gestorben bin, in denen eigentlich gar nicht so große Herausforderungen lauern, wenn man richtig spielt. Laufe ich heute durch diese Gegenden kann ich kaum noch nachvollziehen, warum ich da beim ersten Mal so oft ins Gras gebissen habe…Das Spiel ist zumeist nämlich nicht etwa unfair, praktisch jede Stelle ist mit der richtigen Herangehensweise zu meistern, nur dass man sich die halt teilweise erst mal erarbeiten muss.
Bestes Beispiel sind hier fraglos die zahlreichen Bossgegner, bei denen es gilt, die Angriffsmuster zu lernen, die Schwächen aufzudecken, die richtige Taktik zu finden.
Unbekannte Emotionen
So weckt Dark Souls mitunter Emotionen, wie ich sie in einem Computerspiel noch nie erlebt hatte. Wie oft würde ich vor Wut am liebsten das Gamepad gegen die Wand feuern, weil ich an einer Stelle eben gefühlt zum 30. Mal gestorben bin? Dennoch wage ich den nächsten Versuch! Warum? Weil ich normalerweise weiß, warum ich gestorben bin und es endlich besser machen möchte. Das ist ungemein motivierend.
Wenn man dann aber einen Boss endlich gelegt hat (und das schafft man nicht zufällig), der einen zuvor reihenweise in die ewigen Jagdgründe geschickt hat, dann löst das Glücksgefühle aus, die man kaum für möglich gehalten hätte. Meine Frau fragte mich mehrfach, ob ich eigentlich noch ganz dicht bin, als ich laut jubelnd vom Stuhl sprang und durchs Wohnzimmer rannte (jeder, der zum ersten Mal Smough und Ornstein besiegt hat, dürfte das Gefühl aber nachvollziehen können).
Man weiß einfach, dass man jetzt wirklich eine tolle Leistung im spielerischen Sinne gebracht hat. Ob ich dabei lieber auf schwere Waffen und Rüstungen setze, die mich zwar hart zuschlagen und mehr einstecken lassen, mich dafür ziemlich unbeweglich machen oder eher auf leichte Stöffchen, die mir beispielsweise schnelle Ausweichrollen ermöglichen, mich dafür aber weniger Treffer einstecken lassen, muss ich nach und nach selbst herausfinden.
Präsentation
Kommen wir zur Geschichte oder vielmehr zur Art, wie sie erzählt wird. Das ist nämlich auch nicht jedermanns Sache und für die Kritiker von Dark Souls ein gefundenes Fressen. Die Story wird nämlich nicht über Zwischensequenzen oder ähnliche Mittel erzählt, sondern sie erschließt sich eher nebenher und vielen nicht mal auf diese Weise. Sie ist kryptisch, beispielsweise in den Erläuterungstexten zu gefundenen Gegenständen versteckt. Wer die Geschichte halbwegs nachvollziehen können will, muss also viel lesen, sich selbst zusammenreimen oder auch im Internet forschen.
Dafür stimmt die Atmosphäre. Ich fühle mich einsam, verloren in dieser unwirtlichen Welt, in der mir alles und jeder an den Kragen möchte und wo selbst NPCs, die mir zuvor scheinbar freundlich gesinnt waren und derer so einige eine nach und nach aufzudeckende Questreihe bieten, plötzlich das Schwert in die Brust treiben wollen.
Dazu glänzt das Spiel mit dem Aufbau der Welt. Ich kann schon zu Beginn in viele unterschiedliche Gegenden (insbesondere mit dem Generalschlüssel, den man bei der Charaktererstellung als Goodie wählen kann), doch merke ich recht schnell, wenn ein Gebiet noch zu früh für mich kommt. Dazu warten im Spiel immer wieder Abkürzungen. Wie oft öffne ich an einer Stelle eine Türe und stehe plötzlich in einer altbekannten Gegend und bin fasziniert von diesem Leveldesign: Ach da bin ich jetzt!! Sensationell, wie das Spiel das macht!!
Ach, es gäbe noch so viel zu erzählen über Dark Souls: Über schwarze Ritter, über Drachen, Geister, Geheimnissen, Attentaten, das Verbessern und spezialisieren von Waffen, deren Skalierung mit bestimmten Werten, von Ringen, von diversen Covenants und Skeletten und ich bin mir sicher, dass ich immer noch so einiges nicht gesehen habe, obwohl ich das Spiel mittlerweile sechs oder sieben Mal durchgespielt habe.
Doch das alles würde den Rahmen sprengen und ich kann jedem nur empfehlen, das alles besser selbst herauszufinden.
Zusammen sterben (Multiplayer)
So viel noch: Man kann seine untote Gestalt an Leuchtfeuern in eine menschliche umwandeln. Das hat zur Folge, dass man von anderen Spielern invasiert werden kann. Die erscheinen dann in Form eines Phantoms in unserer Welt und trachten nach unserem Leben bzw. nach unseren Seelen.
Man selbst kann aber in menschlicher Form auch andere Spieler in deren Spiel aufsuchen und attackieren. Ebenso ist es möglich, andere Spieler zu Hilfe zu rufen oder sich selbst zu Hilfe rufen lassen. Das erleichtert so machen Bosskampf, wenn man das möchte, doch ganz erheblich.
Eine Kommunikation zwischen den Spielern ist übrigens nicht möglich, man kann sich lediglich einige zuvor erlernte Gesten wie Winken oder Verbeugen zeigen. Auch einige NPCs lassen sich bei Bosskämpfen in Phantomform zu Hilfe rufen.
Fazit
Nach gut 100 Stunden und nach unzähligen Toden war es so weit: Ich hatte den letzten Bossgegner gelegt, der Abspann flimmerte über den Bildschirm und ich fühlte mich anders als je zuvor in einem PC-Spiel: Zum einen sehr zufrieden mit mir selbst, dieses Spiel gemeistert zu haben, vor dem so viele kapituliert haben, zum anderen, was selten vorkommt, extrem motiviert, das Spiel nochmal neu zu starten, einiges anders zu versuchen, mit einem anderen Charakter oder mit dem alten im New Game Plus, in dem das Spiel um einiges schwerer wird, in dem man aber mit dem Charakter mit all seinen Werten und Waffen, mit denen man den vorhergehenden Durchlauf beendet hatte, weitermachen kann.
Und auch heute spiele ich immer noch gerne Dark Souls. Rund 500 Stunden stehen inzwischen auf der Uhr und ich sehe noch kein Ende. Inzwischen brauche ich für einen Durchlauf noch rund 20 Stunden; ich sterbe nicht mehr sehr oft, ich bin durch Dark Souls sicher ein besserer Spieler geworden. Ich habe aus meinen Fehlern gelernt.
Völlig egal, dass die Grafik vielleicht nicht ganz auf dem aktuellsten Stand ist und das Spiel trotzdem schon mal ruckelt – die Faszination ist ungebrochen. Die eine oder andere Mod hilft optisch auch weiter und im Mai 2018 erscheint ja zudem die Remastered-Fassung…
Jedem, der dieses Meisterwerk noch nicht gespielt hat, kann ich nur zurufen: Gebt ihm eine Chance, gebt nicht zu schnell auf, lasst euch darauf ein – es lohnt sich.
Gelobt sei die Sonne!
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