Dem Wahnsinn ins Gesicht geblickt

Nach Bioshock Infinite hat mich kein anderer Shooter in der Story so sehr mitgenommen. Es sollte allerdings nicht lange andauern, bis mir Spec Ops: The Line in...

von Bakefish am: 22.01.2014

Nach Bioshock Infinite hat mich kein anderer Shooter in der Story so sehr mitgenommen. Es sollte allerdings nicht lange andauern, bis mir Spec Ops: The Line in die Hände fiel. Gleich losgezockt und nach einigen langen Tagen flimmerte das Ende über meinen Bildschirm. Ich war entsetzt. Nicht vom Spiel, sondern über mich selbst. Wie hatte dieses Spiel das bewirken können? Das kläre ich nun in der Rezension.

 

Zum Habitat stehend


Irgendwann in der Gegenwart oder näheren Zukunft wurde Dubai von gewaltigen Sandstürmen heimgesucht, die ganze Stadt liegt bis an die Dächer der Wolkenkratzer im Sand begraben. Die Regierung hat Dubai schon lange verlassen, die Bevölkerung hatte allerdings nicht so viel Glück und steckt nun fest. Eine Division der US-Armee unter Colonel John Konrad hat sich freiwillig zur Evakuierung gemeldet und ist in die Stadt rein, um zu helfen.

Und dann hat man monatelang nichts gehört. Was ist in der Stadt passiert? Es wird nur eine ganz kleine Nachricht abgefangen- in der Konrad mit brüchiger, erschöpfter Stimme erklärt, dass die Evakuierung völlig in den Sand gegangen ist. Tote? Zu viele.

So wird eine kleine Dreiergruppe, die Delta Force, in die Stadt geschickt, eine Gruppe, deren Anführer wir spielen. Captain Martin Walker, mit seinen beiden Begleitern Adams und Lugo. Wir sollen in die Stadt rein, nach Überlebenden suchen, Leute retten, die Kavallerie rufen, noch mehr Leute retten und dann wieder ab nach Hause. Doch was sich anfangs anach einem sehr einfachen Job anhört, entwickelt sich im Laufe des Spiels immer weiter zum absoluten Wahnsinn, denn die 33. Hat längst nicht mehr das gemacht, was sie eigentlich machen sollte…

Dass Spec Ops: The Line von Kino-Blockbustern wie Apocalypse Now oder dem Buch „Herz der Finsternis“ inspiriert wurde, dürfte mittlerweile ja kein Geheimnis mehr sein. Allein schon der Name des Colonels Konrad dürfte einen Anklang an den Antikriegsfilm bieten.

Hauptsächlich wird die Story über Zwischensequenzen erzählt, in denen die Kamera mal gerne durch die Gegend wackelt und auch wie im Film über das Geschehen hinwegfährt. Dabei kommt eine sehr gut umgesetzte Filmstimmung auf, die spannend ist und bleibt, bis zum bitteren Ende des Spiels. Man wird an den Bildschirm regelrecht gefesselt. Anfangs sind wir halt die coole Delta-Truppe, fühlen uns cool, haben flotte Sprüche drauf, doch je weiter das Spiel fortschreitet, desto mehr drehen wir am Rad, desto mehr drehen auch unsere Kameraden durch. Der Krieg zeigt sein wahres Gesicht.

Im Spiel finden wir auch regelmäßig Intel, die uns über den Hintergrund des Ganzen aufklärt. Sie wirkt dabei auch nicht wie ein Lückenfüller, sondern verfeinert die Geschichte noch weiter. Die ohnehin schon sehr guten Synchronsprecher (ich habe die englische Version gespielt) wirken dabei einfach phänomenal.

 

Ein nicht unbedingt neues Gesicht

 

Spielerisch erfindet Spec Ops: The Line kein neues System. Wir spielen Walker aus der Schulterperspektive, unsere Kollegen werden von der KI übernommen. Das Grundsystem funktioniert recht simpel: Sämtliche Level sind von Blockaden oder anderen Gegenständen durchzogen, hinter denen wir Deckung nehmen können. Dann schießen wir aus dieser heraus auf die Gegner rauf. Das funktioniert simpel und auch recht schnell, wir können manchmal auch von einer Deckung in die andere hechten, in Deckung schlittern oder aus der Deckung heraus einen saftigen Nahkampftritt ausführen, mit welchem wir Gegner umwerfen. Manchmal spinnt das Deckungssystem jedoch und lässt uns nicht korrekt Deckung nehmen oder anvisieren. Problematisch ist auch, dass etliche Funktionen mal wieder auf die Leertaste gelegt wurden- sprinten, Deckung nehmen, benutzen. Dann kommt es also gerne mal vor, dass Walker an das MG gehen soll und stattdessen erst mal Deckung nimmt.

Zwar kann man auch blind aus der Deckung feuern, allerdings kommt einem dabei etwas in die Quere: Munition ist in Spec Ops recht knapp, zumindest anfangs. Es sei also geraten, den Gegnern Kopfschüsse zu geben, was sich in hektischen Kämpfen manchmal schwer macht. Dazu kommt, dass Walker nicht unbedingt viel aushält. Ich habe das Spiel auf dem zweihöchsten Schwierigkeitsgrad angefangen und war über die „Schwäche“ meines Charakters überrascht. Hat Walker zu viele Treffer eingesteckt, reicht es aber mal wieder, einfach nur für einige Sekunden den Kopf hinter Deckung zu halten, die HP-Regeneration setzt dann ein.

Unseren Kollegen können wir zwei Befehle geben: Gegner blenden (das heißt, dass Adams eine Blendgranate wirft) oder Gegner ausschalten. Das macht sich im Kampf wirklich praktisch, da Adams mit seiner Schrotflinte eher der Vorderkämpfer und Lugo als Scharfschütze praktisch ist. Somit ist das Feld gut abgedeckt. Potenzial verschenken tut das Spiel an dieser Stelle trotzdem- man hätte beispielsweise auch eine Funktion, in der man seinen Kumpels auch sagen kann, wo genau sie nun zu stehen haben, so ähnlich wie in Mass Effect. Regelmäßig kommt es nämlich vor, dass vor allem Adams blöd nach vorne stürmt (was sich direkt vorm MG ziemlich doof macht) und dann auf dem Boden liegt und Hilfe braucht. In diesem Falle können wir unseren Kumpels mit einer Spritze wieder aufhelfen oder das übrig gebliebene Teammitglied dazu auffordern. Wie gesagt, Yager hätte an dieser Stelle mehr einbauen können. Schade!

Schießprügel gibt es auch recht viele im Spiel, so gut wie alle haben dabei zwei Funktionen. Anfangs noch mit einem Sturmgewehr und einer Pistole bewaffnet (beide mit Schalldämpfern), erhalten wir schon bald Schrotflinten, weitere Sturmgewehre mit angebauten Granatwerfern oder anderen Feuermodi, Scharfschützengewehre mit einstellbaren Zoom, Maschinenpistolen mit Lasern und so weiter, bald auch schwere Waffen. Eine recht große Auswahl, doch sind sich vor allem bei den vollautomatischen Waffen viele vom Schießverhalten her zu ähnlich. Ich würde empfehlen, immer eine Waffe mit hoher und eine mit niedriger mitzunehmen- insgesamt dürfen wir nämlich immer nur zwei tragen. Dafür gibt´s gleich drei Granatentypen, Splitter, klebende und Blendgranaten.

Will man Feinden ihre Waffen abnehmen, muss man sie dafür auch wirklich umbringen. Ich sage das, weil es regelmäßig vorkommt, dass ein Feind stark blutend noch am Boden liegt und röchelt. In diesem Falle können wir ihn dann exekutieren, was in Zwischensequenzen auch ausgiebig gezeigt wird- erschießen, totschlagen, Genick brechen. Dafür gibt´s Bonusmunition.

Ein Element ist auch der Sand. An einigen (seeeehr stark vorgegebenen Stellen) können wir unsere Feinde einfach im Sand begraben, wenn wir Granaten werfen, spritzt der Sand auch manchmal überall hin und wir sehen gar nichts mehr. So neu und innovativ ist der Sand dann letztendlich aber dann auch nicht, dafür gibt es ihn an zu wenigen Stellen.

Auch die Feinde wechseln mit der Zeit. Anfangs halt nur ein paar Soldaten, bekommen wir es schon bald mit Scharfschützen, irren Typen mit Messern, die zwar wenig aushalten, uns aber mit einem Hieb niederstrecken, äußerst schwer gepanzerten Soldaten und anderen zu tun. Gegner flankieren auch mal gerne, werfen regelmäßig Granaten, und unterstützen sich, manchmal stürmen sie aber auch blöd vor. Trotzdem besser als beispielsweise in CoD.

Schlussendlich gesagt, ist das Gameplay von Spec Ops: The Line zwar gut ausgefallen, mehr aber auch nicht. Es spielt sich solide und sauber, allerdings hätte das Spiel an dieser Stelle mehr Potenzial gehabt. Doch den Fokus legt das Spiel ja eher auf die Story und Atmosphäre, und die Schießereien machen ja trotzdem Spaß.

 

Das Monster in mir

 

Atmosphärisch gesehen ist das Spiel einfach unschlagbar… böse. Schon bald läuft alles im Team schief, Lugo und Adams kriegen sich gegenseitig in die Haare, bald ist auch der Captain dran, und ab der zweiten Hälfte des Spiels stehen wir vor absolut ekelhaften Entscheidungen. Ein Beispiel: Da wurden zwei Männer von den Soldaten unter einer Brücke an den Händen aufgehängt, die Scharfschützen haben sie bereits im Visier. Der eine Mann hat Wasser von der 33. gestohlen, ein Kapitalverbrechen, wenn es so knapp ist. Der zweite Mann ist ein Soldat und sollte den ersten bestrafen, was er auch hat- indem er dessen gesamte Familie getötet hat. Sollen wir nun die beiden töten oder die Scharfschützen, die auf sie zielen? Wir werden einfach in diese Entscheidung reingeworfen, wurden nicht einmal vorbereitet, und haben nur wenige Sekunden Zeit.

Das ist nur ein Beispiel. Es gibt zwar nicht viele weitere, doch zeigt das Spiel sein zentrales Anliegen so wunderbar: Der Krieg macht aus allen Menschen Monster, es gibt keine Ordnung, nur Chaos. Die Story wird auch an einigen Stellen ziemlich chaotisch inszeniert, wie genau, erkläre ich an dieser Stelle jetzt mal nicht. Doch nach und nach verliert Walker immer mehr die Kontrolle über sämtliche Dinge und wird vom edlen Delta-Op zum grausamen, rachsüchtigen, dreckigen und blutverschmierten Bad Guy. Auch an den Sprüchen unserer Truppe während der Kämpfe merkt man das. Sagt Walker anfangs, wenn er den Befehl zum Eliminieren einer Person gibt, noch: „Focus on my target!“ wird daraus schon bald ein „TAKE HIM THE F*** DOWN!“ Die Gruppe wird zunehmend aggressiver.

Die Musik tut dazu ihr übriges. Meistens stumpf, nicht viele Emotionen, unterstreicht sie wunderbar die Gefühls- und Erbarmungslosigkeit, die dem Spieler entgegengeworfen wird. Auch hört man ein einigen Stellen Radiomusik, die das Ganze schon fast ins Groteske zieht. Man lernt, seinen eigenen Charakter zu hassen, der sich selbst ebenfalls irgendwann hinterfragt. Das Spiel schafft es, zu fesseln, und zwar hervorragend und in einem Maße, welches ich bis dahin noch nicht erlebt habe.

 

Die Schönheit des Grauens

 

Grafikmäßig ist Spec Ops recht gut geraten. Die Unreal Engine 3 serviert uns wunderschöne Panorama-Ausblicke, Lichteffekte und viel, viel Sand. Auch die Charaktermodelle und Animationen sind sehr gut geraten. Dafür schwächelt das Spiel in der Texturenqualität, auch sind die Explosionseffekte eher schwach geraten. Doch die Umgebung wechselt ständig, man kriegt immer neue Dinge vorgesetzt (was in der Wüste schon schwer ist), das macht das Alter der Engine locker wieder wett.

 

Fazit

 

Es ist vorbei, dachte ich, als die letzte Endsequenz des einen Endes (insgesamt gibt es vier) über den Bildschirm hinweggeflimmert war. Das Grauen ist vorbei. Ich habe mich in diesem Spiel später selbst gehasst, mich richtig mies gefühlt. Und dafür gebe ich ein richtig fettes Lob an Yager. Denn das muss man erst einmal schaffen, einen Spieler so fest an den Bildschirm zu klammern, so emotional werden zu lassen. Wer Spec Ops spielt, sollte jedoch ein hartes Gemüt haben. Denn weich geht es in diesem Spiel nicht zu.

Schlussendlich gesagt ist die Story fantastisch, die Atmosphäre genauso. Im Gameplay hinterlässt das Spiel allerdings ein paar Schwächen, die es in der Wertung runterziehen. 89 Punkte bleiben dennoch drinn.


Wertung
Pro und Kontra
  • hervorragende und vor allem lange Story
  • Sehr emotional, das Durchdrehen des Teams wird wunderbar gezwigt
  • Hervorragend gestaltete Attmosphäre
  • sehr gute Musikuntermalung
  • wechselnde Hintergünde, ganz Dubai wird gezeigt
  • auch für Profis fordernd
  • gute KI...
  • ... die dennoch manchmal Aussetzer hat
  • Teamkampf kommt zu kurz, Kollegen agieren manchmal blöd
  • Einige Waffen gleichen sich vom Verhalten zu sehr

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

genau richtig

Bugs:

Nein

Spielzeit:

Mehr als 20, weniger als 40 Stunden



Kommentare(4)
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