Nein, Snowrunner ist nicht für jedermann!
Soviel sei direkt zu Beginn gesagt. Wer bei Vehikeln die sich mit 5 bis maximal 60km/h fortbewegen, die Nase rümpft, kann eigentlich schon aufhören mit lesen. So einer war ich auch, vor einigen Wochen. Ich besitze zwar Spintires, der Großvater im Geiste von Mud/Snowrunner, habe aber gerade mal 15 Minuten auf der digitalen Uhr und das Spiel war, aufgrund notorischer Langeweile, schneller de-installiert als die "Oma Stillnoct" sagen kann. Zu trocken, zu langsam...da konnten auch die für 2014 sehr schönen Schlamm-Effekte nichts daran ändern dass ich diesen kurzen Ausflug in den Schlamm schnell wieder vergessen wollte.
Versteht mich nicht falsch, das Spiel machte das, was es wollte, sehr gut und hat nicht unverdient eine "Very Positive" Bewertung auf Steam.
Woher also diese plötzliche Wandlung vom Schlammus zum Paulus...(ach lassen wir diese schrecklichen Wortspiele einfach)
Nun das liegt sicherlich auch an den oft zitierten "Zeiten in denen wir momentan leben". Ich habe mehr Zeit, ich konsumiere Abends nicht noch schnell 2 oder 3 Stunden Videospiele sondern kann mir, aufgrund meiner aktuellen Arbeitssituation, viel Zeit am Tag nehmen um meinem liebsten Hobby nachzukommen.
Falls ihr euch an dieser Stelle fragt: wie kam es überhaupt dazu dass dieses Spiel überhaupt auf meiner Festplatte gelandet ist? Nun, da ist ein gewisser Christian Schneider nicht unschuldig. Mit dem wöchentlichen Auftauchen der Snowrunner Trailer in Fritz´s Trailer-Rotation hat der gute Herr mich neugierig auf das neuste Projekt von Sabre Interactive gemacht (Danke nochmals dafür!).
So, ich hab Zeit, ich hab Geld (ein bisschen), also quäl ich mich mal durch das Tutorial, das bereits einen sehr guten Eindruck über das Spieltempo gibt. Man erklärt mir so Sachen wie Traktion, Differnzial-Sperre, Allrad-Antrieb...erhalte mein erstes Auto, dann einen Truck, liefere Waren, baue eine Brücke, die vor meinen Augen schick animiert zusammengebaut wird.
Am Ende des spielbaren Tutorials erhalte ich meine eigene Garage samt Zugriff auf den Truck-Shop und zig visuelle aber auch spielrelevante Customization-Optionen. Vieles ist noch gesperrt und gekoppelt an ein gewisses Spieler-Level oder einen gewissen Spielgeld-Betrag.
Und Zack, es ist geschehen! Das Spiel hat mich!
Ich seh mir die Trucks an und sage mir sofort: das Biest will ich haben, mit den Reifen und am besten noch hochgelegt. So, nun habe ich aber weder das Level, noch das Kleingeld um in der Nachbarschaft mit meinem Traum-Truck anzugeben. Naja, ist auch nicht so schlimm den außer mir fährt eh kein Auto auf den Straßen, und einen Menschen habe ich auch noch nicht gesehen, muß wohl an Corona liegen.
Wie komme ich also zu meinem Objekt der Begierde: Ich nehme Haupt- und Nebenmissionen an, und erfülle die gegeben Ziele. Dafür erhält man dann Erfahrungspunkte und Geld. Mit dem Geld aus den Missionen könnt ihr euch allerdings kaum die teueren Truck kaufen, dafür bekommt man einfach zu wenig. Wer die teuersten Machinen haben will, zieht sich lieber versunkene PS-Monster aus dem Schlamm und rüstet sie auf oder, verkauft sie für eine saftige Stange Geld.
Die Jagd nach neuen Teilen und Trucks ist unglaublich motivierend und trägt das Spiel sehr gut. Zudem ist der Entwickler sehr fair was verschiedene Mechanike angeht: Benzin, Reperatur und Abschleppen kostet nichts, Fahrzeuge und Teile können ohne Wertverlust wieder verkauft werde, vorbildlich!
Ich mach euch nichts vor, Snowrunner hat in Sachen Missionen weder die Inszenierung von einem Call of Duty, noch die Orginalität eines Witchers. Es gilt meistens eine Ware von Punkt A nach B zu bringen. Alles läuft über Textfenster, animierte Auftraggeber gibt es nicht.
Immerhin gibt es sehr, sehr viele Missionen, die Texte sind witzig geschrieben und auch die Aufgaben fallen gelegentlich etwas abwechslungsreicher aus z.B Stoße Fäßer um die irgend ein Witzbold in der Hügeln von Michigan aufgestellt hat. Auch Aufgaben auf Zeit sind vorhanden und oft an weitere Konditionen gekoppelt wie "Fahre nur in der Cockpit-Ansicht(die sind übrigens toll gestaltet)" oder "Fahre möglichst ohne Schaden zu nehmen".
All diese Nebenaufgaben sind allerdings rein optional, wer keine Lust auf Zeitlimit hat, lässt diese einfach links liegen und konzentriert sich auf andere Missionen.
Diese können übrigens in beliebiger Reihe angegangen werden, das tut dem Spiel unglaublich gut weil man einfach das machen kann auf was man gerade Lust hat: will ich Waren transportieren damit die Ölplattform endlich fertig gestellt wird? Hol ich mir noch das Upgrade das irgendwo da oben auf dem Hügel versteckt ist damit mein Hummer noch stärker wird? Oder reparier ich den dicken Caterpillar um ihn später meiner Flotte hinzuzufügen (das Teil geht echt durch alles)...
Nur die Hauptmissionen, die oft mit etwas spektakuläreren Aufgaben locken (z.B der Transport von riesigen Bohrköpfen durch absolut ungeeignetes Terrain), sind aneinander gekoppelt und müssen in einer gewissen Reihenfolge angegangen werden. Dafür locken sie mit extra viel Geld und Erfahrungspunkten.
Tolle Technik in 3 Regionen
In Sachen Grafik muss sich Snowrunner absolut nichts vorwerfen lassen. Der allgemeine Eindruck der Natur ist den Entwicklern sehr gut gelungen, alles wirkt organisch und die verschiedenen Wettereffekte sowie der Tag und Nachtwechsel tragen sehr positiv zum Gesamtbild bei.
Absolut erhaben, und der klare Star der Show, sind natürlich die grandios realistischen Physik-Effekte. Ob nun Schlamm, Schnee oder Wasser, alles bewegt sich so wie man es sich vorstellt, wenn die 59 Zoll Reifen dadurch pflügen. Unsere Truck hinterlassen Spuren und diese verbleiben auch die ganze Spiel-Sitzung an dem Platz, an dem man sie hinterlassen hat. Wer also die schlammigen Wege (asphaltierte Strassen sind Mangelware) zur sehr strapaziert, kann sich im schlimmsten Fall selber ein Bein stellen wenn er im Anschluss mit einem anderen Fahrzeug die gleiche Route benutzt.
Auch Gewicht der Fahrzeuge und Zugkraft der Reifen werden realistisch berechnet. Das ist auch wichtig denn nur so erhält man das klasse Feedback welches das Spiel so interessant macht: ich kann zu jeder Zeit nachvollziehen warum ich stecken geblieben bin und entsprechend darauf reagieren. Wenn ich sehe dass die Räder ungleichmäßig durchdrehen, dann schalte ich die Differenzialsperre ein, drehen sie noch immer durch, dann schalte ich in einen der niedrigeren Gänge usw...Toll!
Es ist auch ganz klar dass, und das wissen auch die Entwickler, dass Snowrunner nur aufgrund seiner Schlamm-Physik funktioniert. Würde man das oben beschriebene weglassen, wäre Snowrunner nur ein eher durchschnittliches Spiel und hätte nicht die große Fanbase, die es jetzt hat!
Übrigens gibt es, im Vergleich zum Vorgänger, jetzt 3 Regionen die etwas Abwechslung ins Spiel bringen: Michigan, Alaska und Taymyr (Russland). Die 3 Settings sehen sehr unterschiedlich aus, haben eigene Sehenswürdigkeiten (Staudamm, Militärflughafen, Steinbruch...) und bieten mit je 4 Karten genügend Abwechslung für Entdecker. Jede Region bringt auch seinen kleinen Kniff mit: so trifft man in Alaska den namensgebenden SNOW und muss wegen vereisten Straßen auch mal auf Kettenreifen zurückgreifen. Und in Russland...nun in Russland weiß ich nicht wie der Briefbote seine Post verteilt.
Beim Sound bin ich nicht ganz so überzeugt: die Motoren haben zwar alle ihrern eigenen, sehr charismatischen Sound, allerdings hört man diese fast nur in der Cockpit-Ansicht. Wer in der Third-Person Ansicht fährt, muss die Boxen schon ganz schön aufdrehen um das Blubbern der Ungetüme zu geniessen. Schade!
Und die Musik hab ich nach 30 Minuten abgeschaltet, schrecklich (aber passend).
Truck ist nicht gleich Truck
42 Fahrzeuge sind momentan im Spiel, unterteilt in verschiedene Klassen wie Scout, Heavy oder Offroad. Jedes Fahrzeug hat seine Stärken und Schwächen: einige sind toll zum Erkunden allerdings total ungeeignet um Waren zu transportieren. Andere kommen durch jeden noch so tiefen Sumpf, haben allerdings keine Anhängerkupplung. So zwingt das Spiel den Spieler, einen möglichst großen und flexiblen Fuhrpark anzulegen. Besonders da man in späteren Missionen sehr große Distanzen (über mehrere Karten) zurücklegen muss, und eine gewisse Vorausplanung fast unabdingbar wird.
Einzig der Sinn der "Highway-Trucks" erschliesst sich mir nicht ganz: sie sind zwar sehr gut auf asphaltierten Straßen, ihnen fehlt allerdings der Allrad-Antrieb, und somit sind sie auf 90% des Wegnetztes 100% nutzlos. Aber hey, verkaufen tun sie sich sehr gut.
Im Coop noch besser
Snowrunner kann mit bis zu 4 Leuten in einer Region gespielt werden, das funktioniert mal mehr, mal weniger einfach per Freundes-Liste oder Invite, alternativ kann man sich auch einfach in die Partie einer wildfremden Person schmeissen lassen.
Im Mehrspielermodus ändert sich an sich nicht viel am Spielprinzip, außer dass jetzt 4 Fahrzeuge gleichzeitig arbeiten können. Offensichtlicher Vorteil: alles geht viel schneller da man sich die Missionen aufteilen kann. Sehr fair: bereits im Singleplayer abgeschlossenen Missionen kann man trotzdem auf dem Server des Freundes nochmals angehen und erhält sogar die gleiche Anzahl an Geld und Erfahrungspunkten. Ganz klar: wer einen Freund von Snowrunner überzeugt bekommt, sollte das Spiel immer im Coop spielen.
Zwei Wermutstropfen bleiben allerdings (wobei einer gepatcht werden kann): Nur der Host bekommt den Spielfortschritt d.h Missionen müssen von "Nicht-Hosts" nochmals angegangen werden. Da man jedes mal aufs Neue Punkte und Geld erhält, ist das allerdings verkraftbar.
Zweites Problem: der Multiplayer wird momentan noch von merklich vielen Bugs geplagt. Sei es nun ein vom Teufel bessesener Anhänger, der auf Bäume steigt, Objekte die nicht für alle Spieler sichtbar sind, ein Menü das nicht mehr funktioniert oder eine seltsame Kollisionsabfrage: allgemein hat Snowrunner viele kleine Probleme im Multiplayer die wohl hauptsächlich auf Asynchronität zurückzuführen sind. Spielbar ist der Coop trotzdem und im Singleplayer hält sich die Bugdichte in Grenzen.
Fazit:
Snowrunner hat Metroidvania-Gene in sich. Sümpfe die am Anfang noch unpassierbar erscheinen, werden mit besseren Trucks und Upgrades zum Kinderspiel. Dieser abgedroschene Vergleich beschreibt sehr gut was für micht die Hauptmotivation von Snowrunner ausmacht. Sabre Interactive hat die phenomänale Physikberechnung an eine sehr belohnende Spielmechanik gekoppelt, und das ganze verpackt in ein grafisch ansprechendes Gesamtbild aus Schlamm, Schweiß und viel Qualm.
Und genau so schafft man dann sogar das Unmögliche: dass ich mich 40 Minuten vor den Bildschirm setze um einem 100 Tonnen Kolloss dabei zuzusehen wie er eine Strecke von 3 Kilometern zurücklegt.
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