Ein Pirat auf linearen Gewässern der Südsee.

Risen 2 Dark Waters spielt sich wie ein typisches Piranha Bytes-Spiel der Marke Gothic/Risen, vernachlässigt aber den Feinschliff im Detail im Vergleich zu...

von - Gast - am: 13.07.2012

Risen 2 Dark Waters spielt sich wie ein typisches Piranha Bytes-Spiel der Marke Gothic/Risen, vernachlässigt aber den Feinschliff im Detail im Vergleich zu Risen 1 aufgrund der gezielten Vermarktung auf internationaler Ebene und zeigt sogar einige Ähnlichkeiten mit JoWoods Gegenstück Arcania: Gothic 4.

Was ich damit meine, versuche ich in meinem Testbericht zu erklären.

Gothic 1 und 2 gelten als die wahren Perlen von Piranha Bytes, Gothic 3 ist wie eine zu groß gewordene Perlenkette, Risen 1 ist wie ein ganz kleiner funkelnder Diamant und Risen 2 ist...?


Zuerst die Fakten:


Story

Story-technisch hat sich Piranha Bytes nicht gerade das Bein ausgerissen, um den Spieler eine tiefgründige, facettenreiche Geschichte in einer karibischen Südsee-Risen-Welt zu erzählen, sondern kredenzt uns eine simple, übersichtliche Story, wo Gut & Böse recht klar definiert sind und während der Haupthandlung die ein oder andere Überraschung wartet.


Und das ist auch gut so, den die Story motiviert, die mehreren Inseln bzw. Küstenabschnitte von Risen 2 zu erkunden. Man merkt, dass PB sich Mühe gegeben hat.
Trotzdem muss auch hier gesagt werden: Geschichten erzählen gehören nicht zu den Stärken von PB und das betrifft auch den zweiten Teil von Risen. Zu undynamisch, zu wenige Höhepunkte, zu platte Charaktere.

Anders als bei seinen Vorgängern folgt die Handlung von Risen 2 deutlicher einem roten Faden, anfangs sehr stark, später immer noch, aber weniger konsequent (langsam dämmert sich Arcania: Gothic 4). Daneben fallen eine Reihe von Nebenquests an, die man bereits von Vorgängern kennt und auch so ähnlich gestrickt sind.

Auch ein wichtiger Punkt: Das Spiel lebt von seinen alternativen Lösungswegen, die zwar hier zur großen Genüge existieren, aber selten entscheidende Konsequenzen herbeirufen. Entscheidungen haben also somit quasi kaum Einfluss auf die weiterführende Handlung. Es führt früher oder später auf das gleiche hinaus und so bleibt das Geschehen fast immer dasselbe (Arcania: Gothic 4 zeigt sich langsam deutlicher).


Spielwelt/Grafik/Atmosphäre

Wie schon erwähnt, entdeckt man die Welt von Risen 2 auf mehreren kleinen hübschen Inseln und ein paar Küstenabschnitten. Betritt man eine Insel/Gebiet, so kann der Spieler sich frei rum bewegen und auf eigene Faust auf Entdeckungsreise gehen.

Leider gibt es da zwei Haken.


Erstens: Die Inseln/Gebiete lassen sich anfangs nur handlungsbedingt betreten.
Zweitens: Die größten Inseln/Gebiete sind höchstens halb so groß wie die Insel Faranga von Risen 1. Zudem beinhalten die Inseln/Gebiete nur selten große, weite Flächen – man läuft oft durch eng begrenztes Terrain, sodass sich manchmal fast der Eindruck einstellt, man läuft einem Schlauchweg entlang, unter anderem um den Einsteiger-Spieler besser an der Hand zu führen (Arcania: Gothic 4 winkt zum Gruß).

Grafisch macht Risen 2 einen hübschen Eindruck mit seiner fein aufgebauten Spielwelt, seiner Detailverliebtheit und seinen unterschiedlichen Schauplätzen.
Dichte, detaillierte Dschungel, romantische Strände und kleine nette Städtchen. Was aber wichtig dabei ist: PB lässt die Welt glaubwürdig und realistisch erscheinen, was der Atmosphäre zugutekommt und nach wie vor zu den Stärken von PB zählt.
Wer sich an der Welt satt gesehen hat, der kann mit der Schnellreise-Funktion den Weg abkürzen.

Weniger hübsch sind die eintönigen Tempelruinen, die spielerisch weniger zu bieten haben und kürzer sind als sie vermuten lassen. Das Schlösserknackspiel ist keine Herausforderung, sondern schindet nur Zeit. Das Übungs-Schießen mit der Pistole wurde wohl vom Android-App „Fruit Ninja“ und „Moorhuhn“ inspiriert.
Mäßig scharfe Texturen und steife Figuren lassen darauf schließen, dass die Grafik von Risen 2 nicht up to date ist. Dennoch weiß die Grafik mit seinen Lichtstimmungen und der oberflächlichen Detailfülle zu gefallen und stimmig ist sie alle mal. Im Dschungel fiel die Framerate manchmal drastisch runter und es gab leichtes Geruckel.


Kampfsystem/Charaktersystem

Im ersten Risen konnte unser Held noch geschickt ausweichen ohne den Fokus von seinem Gegner zu verlieren und ihn dann für einen kurzen Augenblick von der Flanke aus oder sogar von hinten zu bearbeiten.
Das hat die Kämpfe dynamischer, aber auch fairer für den Spieler gemacht. Immerhin griffen die Gegner auch nicht in einer endlosen Abfolge an, sondern erforderten dem Spieler leicht taktisches Geschick.


In Risen 2 beherrscht unser Held nach dem ersten Patch das Ausweich-Rollen. Unser Held kann sich so den Attacken der Gegner wegrollen und so dem Angriff entziehen, verliert aber die Fokussierung des Gegners und so auch die Möglichkeit ihn von der Flanke aus anzugreifen. Das macht die Kämpfe fummeliger und den Helden behäbiger, besonders wenn man es mit Gruppen von Gegnern zu tun hat. (Der direkte Kampf hier entspricht wie dem von Arcania: Gothic 4, funktioniert dort sogar besser, da die Gegner z.B. kein Dauerangriff-Intermezzo veranstalten).
Während ein einzelner Gegner zu besiegen kein Problem ist, so sind bereits zwei bis drei leichte Gegner schon eine gewisse Nervenprobe, denn man kann zurzeit nur einen Gegner anvisieren, während die anderen Gegner freie Bahn haben dich anzugreifen und es auch oft und in einer fast endlosen Schleife tun. Bei einigen Monstertypen ist daher Dauerklicken die beste Lösung, damit sie nicht zum Angriff kontern.
Abhilfe kann hier ein KI gesteuerter Begleiter schaffen, der als Sandsack und als Ablenkung für den Gegner dienen kann. Bei Gegnergruppen ist dies sehr zu empfehlen. Auch die Neuerung „Schmutzige Tricks“ können die Schwächen beim direkten Kampf einigermaßen ausbügeln. Sehr gut klappt das Schießen mit der Sekundärwaffe (geringe Distanz und gutes Timing erforderlich) und das Ablenken wie Sand ins Gesicht werfen oder Papagei benutzen. Weniger effizient ist Voodoo, da entweder die Wirkung zu kurz ist oder der Kampf damit zu lange dauert.

Das Charaktersystem hat man mit der Aufteilung in fünf Attribute, Talente und Fähigkeiten übersichtlich und gut überschaubar gemacht. Zu jedem der fünf Attribute hat man drei Talent-Werte und eine gute Menge erlernbarer Fähigkeiten. So klappt auch die Charakterentwicklung überraschend gut, wenn auch mit einem eher langweiligen und unspektakulären Interface, aber das ist unwichtig.


Bugs

Es gibt sie und sie sind ein wenig bösartiger geworden im Vergleich zum Vorgänger. Die harmlosesten sind hängengebliebene NPCs, flackernde Vegetations-Schatten (auch nach dem Patch noch vorhanden), hässlich aufploppende Objekte bis hin zur endlosen Akkumulation der Speicherstände (ebenfalls noch vorhanden).

Weniger harmlos ist das plötzliche Rausschmeißen beim Spielen. Als Beispiel: Ich möchte gern zurück zu der einen Insel oder Küste, der vorgesehene schwarze Ladebildschirm folgt auch sogleich, und dann, nach dem Laden, finde ich mich im Windows-Display wieder. Keine Insel oder Küste. Das Spiel hat sich beendet. Bloß gut, dass ich noch schnell den tausendsten Spielstand erstellt habe. Das ist mir etwa fünf Mal passiert. Ob es an Steam lag?

Ich weiß es nicht.


Zum Schluss

Es bleibt noch zu sagen, nach dem Durchspielen hat sich bei mir insgesamt ein linearer Eindruck gebildet. Die Story geht strikt einem roten Faden, man muss ein Pirat sein und man kann den Verhandlungsverlauf nur ausschmücken.

Mit der immer mehr benutzerfreundlichen Bedienung, der Portierung für Konsole und der Spielauslegung „besser für Einsteiger“ vermittelt deutlich, dass PB und Publisher Deep Silver die angestrebte Zielgruppe von Spielern auf nationaler wie auch internationaler Ebene erweitern wollen, da heutzutage der Spielemarkt knallhart geworden ist. Dabei kommt das Spiel selbst meist zu kurz, wird anspruchsloser als es geplant war und man hat deutlich den Eindruck, das viel Potenzial verschenkt wurde. Risen 2 - Dark Waters gehört leider dazu.

Ein ähnliches Muster ist auch Arcania: Gothic 4 gegangen. Publisher JoWood wollte es gut vermarkten lassen und machte es zum Mainstream-Rollenspiel, wurde aber eher ein Rollen-Actioner aufgrund der monotonen Spielweise. Zum Glück ist Risen 2 - Dark Waters meilenweit von entfernt, es spielt sich gut und Spaß macht es auch, aber wirklich warm bin ich mit dem Spiel nicht geworden.


So bleibt Risen 2 – Dark Waters für mich wie ein ungeschliffener Diamantstein, der einen matten Schimmer besitzt.



Wertung
Pro und Kontra
  • Grafik: sehr schöne Landschaften, hübsche Lichtstimmungen
  • Sound: sehr gute Sprecher und passende Musik, die sich...
  • Balance: drei Schwierigkeitsgrade, anfangs fordernd...
  • Atmosphäre: stimmungsvolle Karibik-Piratenwelt
  • Bedienung: Maussteuerung, neue Komforts im Menü & Karte
  • Umfang: insgesamt große Spielwelt, 20-30 Std. Spielzeit
  • Quests/Handlung: große Questfülle/motivierende Handlung
  • Charaktersystem: funktioniert gut, viele Fähigkeiten zur Auswahl
  • Kampfsystem: schmutzige Tricks, hilfreiche BegleiterIn (Chani)
  • Items: legendäre Schätze, viel zu sammeln, vielseitig
  • Grafik: matschige Texturen, Clippingfehler, steife Figuren
  • Sound: ...beide auf die Dauer wiederholen
  • Balance: ...am Ende zu leicht
  • Atmosphäre: das Ende ist eine Frechheit, zu kurz und zu platt
  • Bedienung: schwammige Steuerung im Kampf
  • Umfang: ohne DLCs fehlen zwei Inseln, lineare Spielführung
  • Quests/Handlung: wenig Abwechslung/sehr schwaches Finale
  • Charaktersystem: Voodoo kein Ersatz für Magie, etwas einseitig
  • Kampfsystem: kaum Taktik, bei mehreren Gegnern Fummelarbeit
  • Items: nicht viele Waffenrezepte

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

genau richtig

Bugs:

Häufiger, unregelmäßig

Spielzeit:

Mehr als 40, weniger als 100 Stunden



Kommentare(6)
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