Ein Schritt in die richtige Richtung

Das Medium Videospiel bietet aufgrund seiner nahezu endlosen Möglichkeiten der Programmierung genauso viel Potential sich zu präsentieren;...

von ryuneke am: 22.02.2016

Das Medium Videospiel bietet aufgrund seiner nahezu endlosen Möglichkeiten der Programmierung genauso viel Potential sich zu präsentieren; nämlich unerwartet, kreativ, überraschend und dynamisch. Diese Ausgangssituation stellt einen ungemeinen Vorsprung gegenüber anderen Medien dar, da wir die Spiele selbst erleben und gestalten können. Ein Buch steht dem nach, da wir "nur" die Geschichte einer Person erzählt bekommen, genau wie wir ein Bild oder Gemälde eher als passive Rezipienten wahrnehmen und den aktiven Schaffungsprozess nie selbst erleben konnten. Dennoch gelingt es Videospielen kaum, mit dem Status quo zu brechen. So spielen wir seit Jahrzehnten zumeist den großen Einheitsbrei und gerade in den letzen Jahren merkt man, wie wenig sich große Studios, die die Möglichkeiten hätten, neue Wege zu gehen, zutrauen.

Layers of Fear macht dabei einen Schritt in die richtige Richtung, da es uns als Spieler immer wieder an unserer eigenen Wahrnehmung Zweifeln lässt, die Welt beginnt vor uns sogar zu verschwimmen.

 Die Eingagshalle. Die Stimmung ist dank hervorragender musischen Untermalung ergreifend intensiv

Die Eingagshalle. Die Stimmung ist dank hervorragender musikalischer Untermalung ergreifend intensiv.

 

Wir erleben dabei die Geschichte eines Künstlers, der in sein Anwesen zurückkehrt, um etwas "zu Ende" zu bringen. Dabei durchstreifen wir humpelnd die einzelnen wunderschön gestalteten Zimmer und decken Stück für Stück die tragische Geschichte unseres Malers und seiner Familie auf. Wir stoßen hierbei auf Bilder, Zeitungsartikel und Gegenstände, die uns zum nach- und mitdenken anregen. Diese sind allesamt unglaublich gut gestaltet und betten sich nahtlos in die Atmosphäre ein. Allerdings werden wir in nur einem Spieldurchlauf kaum alle Objekte finden können, da, obwohl recht linear gestaltet, uns das Spiel immer wieder Abzweigungen und Sackgassen aufzeigt. Hinter uns ins Schloss gefallene Türen bleiben zumeist verschlossen.

Eines der vielen Schriftstücke, die es unbedeingt zu lesen gilt.

Eines der vielen Schriftstücke, die es unbedeingt zu lesen gilt.

 

Nach kurzer Zeit bemerken wir allerdings, dass etwas nicht stimmt. Bei jeder unserer Bewegungen scheint sich unsere Umgebung zu verändern. Gegenstände bewegen sich, Wände tauschen ihre Farben, liegen auf einmal gar brach. Die Gemälde, die ein wichtiges Motiv des Spiels darstellen, nehmen ebenso andere Formen an. Die Tragik dieser Wandlungen wird uns erst gegen Ende im überzeugenden Finale klar.

 Einige der Gemälde in Layer of Fear

 Einige der wunderschönen Gemälde in Layers of Fear.

 

Die Besonderheit von Layers of Fear ist, wie genial das Spiel mit unserer Wahrnehmung spielt. Und das ist meiner Meinug nach das, was es von so vielen Spielen unterscheidet. Denn hierbei greift das Medium endlich auf seine Möglichkeiten (wenn auch nur im Ansatz) zurück und stößt uns immer wieder vor den Kopf. Seinem eigenen Blick nicht mehr trauen zu können, stellt dabei das emotionale Moment des Spiels dar. Zwar gelingt es nicht immer, dass man sich mit dem Maler tief verbunden fühlt, jedoch machte mich sein Schicksal dennoch betroffen. Vor allem das Ende stellte für mich dabei den Höhepunkt der knapp 5 Spielstunden dar. Mit starrem Blick blieb ich zurück, während die Credits den Bildschirm füllten.

Vor allem das Motiv ausgeliefert zu sein, findet sich heute kaum in der Videospiellandschaft. Meist sind wir der strahlende Held, immer Herr der Lage. Wir wissen, was geschieht, wenn wir jenen Weg nehmen, jene Taste betätigen. Sicherheit wird großgeschrieben, Risiken sind unerwünscht. Layers of Fear geht den Weg der Hoffnungslosigkeit, den Weg des Irrealen und schafft es, dieses Gefühl in manchen Momenten dem Spieler näher zu bringen. Dennoch hätte mit einem stärkeren Fokus auf die Erzählung und einer stärkeren Einbindung der Bildmotive mehr erreicht werden können. Obwohl ich Spiele mit Interpratationsspielraum mag, schafft es Layers of Fear nicht immer, mit seinen Textpassagen und Audioschnipseln Betroffenheit auszulösen, da ich die Charaktere kaum kennenlernen darf.

 Grammophone. Ein jeder liebt sie.

Grammophone. Ein jeder liebt sie.

 

Die Stimmung auf meiner Wanderung durch das alte Herrenhaus ist dabei grandios. Musikuntermalung und Soundeffekte sind unglaublich präzise auf die jeweilige Situation zugeschnitten. Allein im ersten Raum stand ich für eine kurze Zeit herum und lauschte, wie der Regen auf das Glas traf. Auch die wenigen wirklichen Schockmomente treffen mit Klang und Timing meine Nerven an der richtigen Stelle. Obwohl ich nie eine wirkliche Gefahr oder Bedrohung spüre, die mich verfolgt, fühle ich mich pausenlos unbehaglich und unsicher. Vor jeder Ecke bin ich gespannt darauf zu entdecken, was sich hinter ihr befinden mag.

 Was mag sich hierunter für ein Bild verstecken?

 Was mag sich hier für ein Bild verstecken?

 

Auch wenn Atmosphäre, Story und Stimmung zu überzeugen wissen, bleiben doch einige Probleme. So ist die Steuerung unsauber und hakelig. Es dauert oft einfach zu lange, bis man z.B. ein Schubfach mit dem Contoller oder der Maus eingefangen hat, um es öffnen zu können. Die PS4 Version leidet zumal noch unter enormen FPS Einbrüchen, was der Stimmung abträglich ist.

Über die Spielzeit von ca. 5 Stunden kann man geteilter Meinung sein. Ich fand die Zeit genau richtig bemessen, muss allerdings anmerken, dass ich Layers of Fear nochmals durchspielen müsste, um wirklich alle Gegenstände zu finden. Leider habe ich nicht das Bedürfnis danach, da der einmalige Genuss ausreicht. Und so habe ich sicher ein paar spannende Objekte und Hinweise verpasst, die mir Story und Charaktere nähergebracht hätten. Apropos Hinweise. Ich empfehle nachdringlich Layers of Fear auf Englisch zu spielen. Die deutsche Übersetzung ist ein graus und kaum zu ertragen. Die Originaltexte sind stattdessen souverän geschrieben und fangen die Atmosphäre gut ein, was den deutschen nicht im Ansatz gelingen mag.

 

Kontraste als Stilmittel der Persönlichkeit des Malers

Kontraste dienen als Stilmittel der Persönlichkeit des Malers.

Fazit:


Layers of Fear ist ein Spiel, welches sich traut anders zu sein. Das gelingt ihm zwar nicht pausenlos, allerdings zeigt es mir, was mit dem Medium Spiel alles möglich sein kann und wie interessant und neuartig dadurch mein Spielerlebnis wird. Die eigene Wahrnehmung immer wieder zu manipulieren ist dabei die große Stärke des Adventures, in welchem Story und Charaktere zu überzeugen wissen. Die Atmosphäre ist hierbei dermaßen dicht, dass man, dank der hervorrangenden Sound- und Musikkulisse, im knarzenden Herrenhaus versinken möchte. Trotz mangelhafter Übersetzung und hakeliger Steuerung ein lohnenswerter Ausflug in eine verstörende Welt.

 


Wertung
Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

eher leicht

Bugs:

Nein

Spielzeit:

Mehr als 5, weniger als 10 Stunden



Kommentare(1)
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