Ein Spiel für Biker...

Gran Turismo auf 2 Rädern?

So bzw. so ähnlich wurde "RIDE" beworben. Teilweise trifft es die Erwartungen, die damit geweckt wurden - und teilweise (noch) nicht. Es ist ein gutes Game geworden, eins mit vielen Stärken und ein paar sehr ärgerlichen weil absolut vermeidbaren Schwächen.

Wo die Entwickler den Biker-Nerv genau getroffen haben und wo sie es verhauen haben, lege ich in den folgenden Zeilen dar.

Der Tester...

Ein Motorrad-Spiel zu testen ist für mich ein ganz besonderes Erlebnis. Ich bin seit 22 Jahren als Biker unterwegs. Und für mich gibt es einen großen Unterschied zwischen Bikern und Motorradfahrern. Es ist kein Hobby...sondern mein Lifestyle. Eine gewisse Nähe zum Thema kann ich also nicht leugnen - dafür bin ich aber auch sehr kritisch als "Insider".

Einen nicht geringen Teil des Spiels habe ich mit der "Z 800" von Kawasaki absolviert, einem Naked Bike im Streetfighter-Stil. Das habe ich mit Blick auf diese Rezension absichtlich gemacht, weil ich genau diese Maschine auch privat fahre und deswegen leichter Parallenen zur Realität ziehen kann.

Die Realität als solche...

Nun, "RIDE" ist keine Simulation, hat aber genug Tiefgang, um in etwa in einer Liga mit Spielen wie "Forza Horizon 2" oder "GRID" mithalten zu können. Die ca. 120 zum Release enthaltenen Maschinen entsprechen alle den jeweiligen Vorbildern, sind sehr detailliert nachgebildet und klingen auch so, wie sie sollen. Das in nicht geringem Umfang enthaltene Material ist ebenso "echt", seien es Anbau- bzw. Tuningteile für die Maschinen oder auch Kleidungsstücke oder Helme für den Fahrer.

Wichtig ist auf dem Rasen...äh...dem Track

Kernstück des Spiels stellt die "World Tour" dar, in der man sich durch Siege zu neuen Bike durcharbeitet und so die einzelnen Serien abgrasen kann. Das ist ein relativ normaler Modus, wie man ihn in ähnlicher Form in jedem aktuellen Rennspiel finden kann. Man verdient Credits, die man dann investiert in Bikes, Teile und Klamotten. Diese Sachen kann man dann auch in Online-Rennen verwenden, doch dazu später mehr. Es gibt auch noch die Möglichkeit, das obligatorische "schnelle Spiel" auszuwählen und loszulegen.

Einen entsprechenden Schwierigkeitsgrad vorausgesetzt (K.I. auf "mittel" oder besser) sind die Rennen relativ fordernd, die Fahrer machen Druck und verteidigen ihre Positionen vehement.

Das Gameplay ist sehr gut, ich bin zum ersten Mal zufrieden mit der Steuerung in einem Motorradspiel. Die Trägheit der verschiedenen Bikes kommt gut rüber, die Phsyik wirkt realistisch, sei es bei der Neigung in Kurven oder auch was Verzögerung beim Bremsen oder auch die Beschleunigung beim Drehen am Gasgriff angeht. In ähnlich guter Qualität habe ich das noch in keinem anderen Game mit Zweirädern erlebt, hier ziehe ich einen direkten Vergleich zur Realität. Kurven die ich im Spiel angehe wie im realen Leben lassen sich auch exakt wie erwartet an- bzw. ausfahren. 

Bei "Kollisionen" stürzen die Bikes nicht ganz so schnell wie in der realen Welt, allerdings wesentlich schneller als man erwartet. Gleiches gilt für Anecken am Rand oder an Leitplanken. Man liegt schneller als man denkt auf der Schnauze. Abkommen von der Strecke verzeiht das Spiel eher, man rutscht nicht so schnell auf Gras oder Sand weg wie es in echt der Fall wäre. Wenn man dann mal stürzt, sieht das sehr glaubwürdig aus. Die Biker heben "sauber" ab und rollen ab, die Bikes schlittern auf der Seite und Funkenflug ist zu bewundern.

Im Spiel existieren 15 verschiedene Locations mit diversen Streckenvariationen.

Spaß mit Freunden?

Den kann man in der Tat haben. Allerdings NUR mit Freunden. Das normale Matchmaking ist leider bis dato sehr verbesserungswürdig. Dazu kommt, dass man nicht wirklich Leute in den eigenen Club einladen kann. Ich habe das Ganze mit meinen beiden Brüdern probiert, wir haben uns nicht gefunden. Die einzige Möglichkeit ist, ein privates Spiel zu eröffnen und dieses dann zu suchen. Wenn man das macht, klappt das sehr gut, und es macht sehr viel Spaß. Wichtig ist, dass man gleich starke Maschinen nimmt. Ansonsten ist die Sache sehr schnell öde. Auch hier empfehle ich dringend, die K.I. nicht zu schwach einzustellen. Wir haben das Ganze für diese Renzension 4 Rennen zu je 5 Runden getestet - es waren jeweils sehr enge und interessante Rennen. Wir brachten dabei 3 mal die Z 800 zum Einsatz. Einer meiner Brüder fährt wie ich dieses Bike auch real, mein anderer Bruder hat mit Motorrädern nichts am Hut. Im Spiel waren die Ergebnisse absolut ausgeglichen und keiner hatte einen echten Vorteil.

Achtung: Man muss vor dem Spielen im Online-Modus im Pop-Up-Menü vor Spielstart einen Account anlegen. Dazu muss man einen seine Email-Adresse angeben und in einer Bestätigungsmail dann einen Link anklicken. Diese Mail kommt bei GMX-Adressen nicht an. Wir haben es mit 3 verschiedenen GMX-Accounts versucht, weder bei mir (2 Adressen) noch bei meinem Bruder passierte was. Beim Verwenden meiner Google-Mail-Adresse war die Email mit dem Link instant da.

Die technische Seite

Na, hier haben wir wirklich ein zweischneidiges Schwert in der Hand. Bikes und Fahrer sind absolut erstklassig nachgebildet, sehen grandios gut aus und klingen auch super. Die Strecken selbst sind auch noch im Bereich von "sehr gut" bis "okay" angesiedelt. Beim Publikum haben wir leider deutliche Abstriche, es sind Klonfiguren mit relativ eckigen Gliedmaßen und Köpfen. Hier wäre deutlich mehr drin gewesen.

Ärgerlich ist auch die Tatsache, dass die Darstellung mancher Bikes noch kleine Fehler aufweist. Da werden schon mal Spiegel nicht angezeigt oder Texturen in falscher Farbe angezeigt. Das ist nichts Weltbewegendes, trübt aber den Gesamteindruck.

Richtig als störend empfunden habe ich den umständlichen und nicht gut funktionierenden Online-Modus im Bezug auf Matchmaking und nicht vorhandene Verwaltung der Friendlist. Eine simple Ingame-Anzeige der spielenden Steam-Freunde hätte da Wunder wirken können.

Ein Fazit

"RIDE" ist ein sehr gutes Spiel geworden - ich hatte zwischenzeitlich wirklich Befürchtungen, dass Milestone es versaut. Haben sie aber nicht. Ein hervorragendes Spiel ist es aber bisher auch nicht, dazu sind (noch) zu viele Bugs im Spiel und es fehlen einfach Komfortfunktionen, die im Jahr 2015 schlicht üblich sind. Die kleinen grafischen Unzulänglichkeiten sind dagegen zu verschmerzen.

Wer auf Motorräder steht und ein umfangreiches und herausforderndes Spiel sucht, der wird bei "RIDE" gut bedient. Ein bisschen Geduld mit dem Spiel und Nachsicht mit den Entwicklern sollte man aber mitbringen. Wer bei Rennspielen die Kurven gern mal am Rand langschrubbt, sollte sich das Spiel vorher mal anschauen. Hier ist Bremsen und richtiges Lenken wesentlich wichtiger als in Spielen der Kategorie "Need for Speed".

Auch hier wird wieder - wie zu erwarten war - mit DLCs gearbeitet. Die 120 Bikes und 15 Locations dürften als bald den üblichen Zuwachs erhalten.

Von mir bekommt das Spiel eine uneingeschränkte Einkaufsempfehlung für alle Biker - für alle anderen Racing-Fans ist es in jedem Fall auch einen Blick wert, weil es einfach mal eine ganz andere Art von Rennspiel ist und schon deswegen verdient, beachtet zu werden.

P.S.: Wenn gewisse Dinge verbessert werden, teste ich nach. Dann sind durchaus 3 - 5 Punkte mehr drin und wir sprechen hier von einem echten Hit.