Eine Serie auf dem Pfad zur Perfektion

Die Provinzen der Welt tragen Namen wie Valkajokull, Setterlund oder Rundwall und auch die Name der Charaktere wie beispielsweise Tryggvi und Gudmundr verraten:...

von Herr Reineke am: 19.05.2016

Die Provinzen der Welt tragen Namen wie Valkajokull, Setterlund oder Rundwall und auch die Name der Charaktere wie beispielsweise Tryggvi und Gudmundr verraten: Es geht nordisch zu in Banner Saga 2, dem aktuellen Werk des Stoic studios. Es handelt sich jedoch keineswegs um einen idyllischen Skandinavienurlaub sondern um eine Welt, die einen im Minutentakt vor schwere Herausforderungen und Entscheidungen stellt. Und das ist doch deutlich besser, als jeder langweilige Urlaub

Der Anfang

Banner Saga 2 ist die nahtlose Fortsetzung des ersten Teiles und spinnt die Geschichte gekonnt weiter. Da auch schon der erste Teil eine Vielzahl (storyrelevanter) Entscheidungen von einem verlangt hat, muss man zum Start diese entweder durch Fragen teilweise abarbeiten oder ein altes Savegame importieren. Letzteres ist eindeutig zu empfehlen, allein schon weil man so auch mit vielen seiner kleineren Entscheidungen und deren Konsequenzen erneut konfrontiert wird. Aber auch für das Verständnis der Geschichte ist es besser, nicht nur auf die (an sich gute) Zusammenfassung angewiesen zu sein.

Ohne zu viel zu spoilern deshalb eine kurze Zusammenfassung der bisherigen Geschehnisse: Aus dem Norden greift eine riesige Armee der sogenannten Dredge (in der deutschen Übersetzung "Wüter" genannt) an und rückt scheinbar unbezwingbar immer weiter vor. Die Menschen und die Varl, von Göttern erschaffene Riesen, kämpfen gemeinsam ums Überleben. Wir steuern die Geschicke verschiedener Helden und ihrer Klans auf der Flucht vor den Dredge und weiteren Feinden immer weiter in Richtung Süden. Das Ziel: Die Hauptstadt der Menschen Arberrang. Dies ist auch im zweiten Teil immer noch ein wichtiges Ziel unserer Karawane. Eine zweite Karawane hingegen, die wir ebenfalls steuern, hat ganz andere Pläne.

Die Karawanen

Insgesamt gibt es drei verschiedene Ebenen, auf denen das Spiel abläuft. Da wäre als erstes die Ansicht der Karawane der Flüchtenden, die sich durch wunderschön gezeichnete 2D-Landschaften bewegt. Dabei hat man immer wieder größere und kleinere Entscheidungen zu treffen. Nehme ich einen Umweg in Kauf, um in einem nahegelegenen Dorf vorbeizuschauen? Wie gehen ich mit anderen Vertrieben um, die sich meinem Klan anschließen wollen? Lässt man das zu, können einen diese im Kampf unterstützen. Andererseits gehen die Essensvorräte schneller zur Neige, die man fast nur gegen die einzige Währung im Spiel, Ruhm (Renown), wieder auffüllen kann. Leider braucht man diese auch, um die Helden im Level aufsteigen zu lassen und besondere Items zu kaufen. Ruhm ist also eine denkbar knappe Ressource. Und man erhält sie fast ausschließlich durch Kämpfe.

Die Karawane ist auch mal mit Schiffen unterwegs. Oben sieht man den Proviant und die Moral (schlecht).

Rundenweise zum Ziel!

Die Kämpfe sind das zweite tragende Element von Banner Saga 2. Diese werden rundenweise auf Schachbrettfeldern ausgefochten und erfordern gerade auf höheren Schwierigkeitsgraden viel taktisches Geschick. Positiv dabei: Der Schwierigkeitsgrad lässt sich jederzeit im Spiel ändern, man muss also nicht von vorne beginnen.

In eine Schlacht ziehen dabei bis zu fünf unserer Helden, die unterschiedlichen Klassen angehören und damit auch unterschiedliche Fähigkeiten einbringen. Erst ein Zusammenspiel aller Fähigkeiten ermöglicht es auch die schwersten Gegner zu bezwingen. In ein paar wenigen optionalen Missionen im Trainingszelt werden uns solche Kombinationsmöglichkeiten näher gebracht.

Eine weitere Besonderheit in den Kämpfen: Jede Einheit hat zwei besonders wichtige Werte: Verteidigung und Stärke. Letztere ist aber nicht nur die Angriffskraft sondern stellt zugleich auch die Lebenspunkte der Einheit dar. Bei jedem Angriff gilt es nun abzuwägen, ob man nun direkt die Lebenspunkte des Gegners attackieren will und ihn damit zugleich schwächt. Oder aber man reduziert erst seinen Rüstungswert, damit die nächsten Angriffe auf die Lebenspunkte davon nicht mehr so stark geblockt werden.

Der blaue Wert ist die Rüstung, rot die Stärke. Unten links findet sich die Initativreihenfolge.

Insgesamt sind die Kämpfe sehr spannend und fordernd und bieten auch häufig abwechslungsreiche Besonderheiten. So gilt es nicht immer nur alle Gegner zu bezwingen, sondern auch mal einen versperrten Gebirgspass frei zu räumen, während Gegner unsere Kämpfer daran zu hindern versuchen. Stoic haben ihrem Spiel durch viele neue Gegner und Helden mit entsprechend neuen Fähigkeiten und Taktiken noch mehr Tiefgang und Abwechslung verpasst.

Die Handlung ist Trumpf

Apropos Tiefgang: die rund 12-15 Stunden dauernde Story von Banner Saga 2 ist auch im zweiten Serienteil großartig gelungen und lässt einen immer wieder erstaunt vor dem Bildschirm sitzen. Das ist insbesondere auch den detailliert ausgearbeiteten Charakteren geschuldet, die einem in vielen Gesprächen, dem dritten wichtigen Spielelement, näher gebracht werden. Dabei handelt es sich niemals um klischeebehaftete Abziehbildchen sondern jederzeit nachvollziehbare Persönlichkeiten mit eigenen Interessen, Hoffnungen und Wünschen. Auf diese kann man durch verschiedene Antwortmöglichkeiten eingehen, man kann seinen Gegenüber aber ebenso gut mit ihnen verprellen.

So sehen die, leider etwas statischen, Gespräche aus. Inhaltlich wissen diese aber durchaus zu fesseln!

Leider sind die Gespräche insgesamt etwas statisch geraten und nur in den seltensten Fällen vertont. Hier wird zweifellos das meiste Potenzial des Spiels verschenkt. Denn gerade an den bisher wenigen, kurzen Zwischensequenzen und den noch kürzeren vertonten Passagen merkt man, wieviel mehr hier noch möglich gewesen wäre. Und dennoch: schon jetzt zieht einen die Welt wieder von der ersten Sekunde an voll in ihren Bann.

Eine gelungene Evolution!

Und trotzdem gibt es ein paar kleine Wermutstropfen, die das Spiel an der Grenze zur Perfektion scheitern lassen. Da wären zum einen die erwähnt statischen Gespräche und die mangelnde Vertonung. Für mich ebenfalls störend ist, dass man nicht frei speichern kann. Das fördert zwar den (ohnehin schon sehr hohen!) Wiederspielwert weil unsere Entscheidungen umso mehr in Stein gemeißelt sind, macht aber auch das Experimentieren mit den Möglichkeiten schwieriger. Auch wird das Spiel immer wieder von kurzen Ladepausen unterbrochen. Egal ob nun ein Kampf beginnt, ein Gespräch oder auf die Karte gewechselt wird, zuvor wird kurz neu geladen. Und zu guter Letzt gibt es Banner Saga 2 bisher nur auf Englisch, wann die deutschen Untertitel und Texte erscheinen werden ist bisher nicht bekannt.

Ja, alle diese Schwächen sind vorhanden. Aber sie sind auch alle verschmerzbar. Banner Saga 2 macht also vieles genau richtig und baut die Stärken des Vorgängers weiter aus. Egal ob die fordernden Rundenkämpfe, die fesselnde Story, die schweren Entscheidungen oder auch „nur“ die großartige Musikkulisse. Alles wirkt durchdacht und passend, Bugs sind mir kein einziges Mal aufgefallen. Wenn Stoic auch für den dritten Teil nochmal einen solchen Leistungssprung hinlegt, steht einem Meisterwerk nichts mehr im Weg. Bis dahin können noch wir Spieler noch oft mit den Entscheidungen der Vorgänger ringen und uns in den Sog der Erzählungen ziehen lassen.


Wertung
Pro und Kontra
  • großartig erzählte, packende Geschichte
  • Entscheidungen, die sich wirklich auswirken
  • gut geschriebene Charaktere
  • fordernde aber immer faire Rundekämpfe
  • wunderschönes Art- und Musikdesign
  • sehr hoher Wiederspielwert
  • optisch statische Gespräche
  • kaum Vertonung
  • kein freies Speichern
  • vergleichsweise häufige, (sehr) kurze Ladezeiten
  • (bislang) nur auf Englisch

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

eher schwer

Bugs:

Nein

Spielzeit:

Mehr als 10, weniger als 20 Stunden



Kommentare(4)
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