Emotionale Story verpackt im Action-Gewand

Kann man Spannung mit einer Story überhaupt erzeugen, wenn man dessen Ausgang schon kennt? Wenn man nach Call of Juarez: Bound in Blood geht, dann muss man...

von - Gast - am: 30.07.2009

Kann man Spannung mit einer Story überhaupt erzeugen, wenn man dessen Ausgang schon kennt? Wenn man nach Call of Juarez: Bound in Blood geht, dann muss man diese Frage mit einem JA beantworten! Mit deftiger Action und steiler Grafik sogar mit einem JAWOHL!

Was haben Henry Fonda und Clint Eastwood gemeinsam? Beide sind Western-Ikonen im Schauspiel-Bereich. Ihre dazugehörigen Filme sind auch schnell gefunden, “Spiel mir das Lied vom Tod” und “Für eine Handvoll Dollar”. Im Spiele-Segment ist das nicht ganz so einfach. Zwar bleiben Namen wie beispielsweise Desperados oder Gun hängen, doch wirkliche Massenhysterie lösen Western-Spiele nur selten aus und wenn doch, dann nur bei den Western-Fans. Hat es sich mit Call of Juarez aus dem Jahre 2006 geändert? Zumindest zieht es einen Nachfolger mit dem Namen Bound in Blood nach, der die Vorgeschichte des Shooters erklärt. Und falls es der Western-Shooter tatsächlich schafft, das Western-Szenario in aller Munde zu bringen, wäre das nicht sonderlich verwunderlich. Die Geschichte um Ray, Thomas und William ist ähnlich filmisch inszeniert wie die vorher genannten Filme.

Von Soldaten zu Outlaws

Zur eigentlichen Story: Wir schreiben das Jahr 1864, es herrscht Sezessionskrieg in Amerika. Die Brüder Thomas und Ray McCall dienen den Konföderierten, missachten allerdings den Befehl sich zurückzuziehen und desertieren, um ihren eigenen Hof zu schützen. Doch sie kommen zu spät, das Haus ist niedergebrannt, ihre Mutter gestorben und das Vieh tot. Das Einzige was geblieben ist, ist ihr religiöser Bruder William und ein verrückter Marshall, der allen Deserteuren den Tod geschworen hat. Auf den darauffolgenden Jahren ziehen die Gebrüder McCall durch das Land, in der Hoffnung, ihr Haus wiederaufzubauen. Doch dafür bräuchten sie das verfluchte Gold von Juarez und zusätzlich viel kriminelle Energie, das in Thomas und Ray zur Genüge steckt. So geraten die 3 Brüder immer weiter in die Verbrecher-Szene und immer mal wieder aneinander, allen voran Thomas und Ray zanken sich immer wieder um Frauen.
Wie die Geschichte ausgeht, wissen Spieler von Call of Juarez ohnehin schon, schließlich erzählt BiB nur die Vorgeschichte. Doch wer vermutet, das die Story langweilt, der täuscht sich gewaltig. Die Charaktere sind wunderbar gelungen und treiben die Geschichte und somit auch die Motivation an. Besonders die Wandlungen der Helden, die im Verlauf immer verrückter werden, stechen heraus und werden vor allem in den Cut-Scenes, die ruhig mehr Motion-Capturing vertragen hätten, sichtbar. Gelungener kann man ein Familien-Drama im Western kaum inszenieren. Dabei wird die Action schon fast zur Dreingabe.

Kein Koop im Westen

Wenn schon die Rede von Action ist: Die ist ähnlich gut gelungen wie schon im Vorgänger. Wahlweise geht man die insgesamt 15 Kapitel mit Ray, dem waffenstarrenden und mit Dynamit werfenden McCall, oder mit dem agileren Bruder Thomas, der klettern und mit dem Bogen umgehen kann, an. Von der Balance her sind beide Charaktere her gut gelungen. Keiner der beiden Brüder hat Vorteile gegenüber dem anderen, einzig und allein der Spaßfaktor liegt bei Ray leicht weiter oben, da er gleich mit zwei Knarren auf einmal feuern kann. Die Aufgaben unterscheiden sich bei beiden McCalls kaum, meistens sind sie sowieso gemeinsam unterwegs, nur selten trennen sich ihre Wege und wenn doch, nur für kurze Zeit. Beispielsweise muss man als Ray seinen Bruder beschützen während dieser ein Gebäude hinaufkraxelt. In der Rolle von Thomas muss man selbstständig das Gebäude erklimmen und sich dabei auf die Hilfe seines Bruders verlassen.
Apropos Partner: Obwohl sich Bound in Blood perfekt für einen Koop-Modus anbieten könnte, kann man den Singleplayer nur alleine mit dem KI-Partner bestreiten, der leistet dafür allerdings solide Arbeit ohne große Macken, aber dennoch wäre ein Koop-Modus wünschenswert.

Von Shootouts und Duellen

Wie in einem Ego-Shooter gewohnt machen Schießereien gegen die Gegner die meiste Spielzeit aus, die mit 5-7 Stunden sehr kurz geraten ist. Dabei schwingen sich die beiden Protagonisten automatisch hinter jede Deckung, die sie finden können. So kann man sich hinter Fässern und Mauern verschanzen und indem man das Fadenkreuz aus der Deckung lugen lässt auf die Gegner feuern. Dabei besucht man die unterschiedlichsten Gebiete. Die von der Hitze gebeutelte Prärie, eine verruchte Western-Stadt, das Indianer-Territorium. Alles was man in einem Western-Shooter zu erwarten hat, wird hier geboten.
Jedoch wird auch ausreichend Gameplay-Abwechslung geboten. Mal sitzt man in einer Postkutsche um angreifende Feinde von ihren Pferden zu schießen. Ein anderes mal wehren wir auf einer Kanu-Fahrt alle angreifenden Indianer ab, die die Helden ebenfalls auf Kanus verfolgen.
Die schon aus dem ersten Call of Juarez bekannten Duelle sind in aufgemotzter Form auch in BiB wieder dabei. Die spannenden Zweikämpfe sehen sie, anders als noch im ersten Teil, aus einer differenzierten Perspektive, in der man den Pistolenhalfter inklusive Revolver und der zittrigen Hand des Helden und den Feind sieht. Im Vorfeld verändern sie ihre Position zum Gegner, den dieser sollte stets in der zentralen Position stehen, damit man im entscheidenden Augenblick nicht verfehlt. Währenddessen bewegt man die Hand des Protagonisten in Richtung des Halfters, um beim Ertönen des bestimmten Signalgeräusches per schnellen Mausbewegung den Revolver zu ziehen und abzudrücken. Am Anfang wirken die Duelle, zu denen man den Spieler in regelmäßigen Abständen herausfordert, sehr spannend, doch sie nutzen sich im Spielverlauf ab, bringen aber immer wieder Abwechslung ins Spielgeschehen.

Konzentration!

Dem Szenario getreu kann man keine modernen Waffen erwarten. Statt zu Maschinengewehren und Raketenwerfern zu greifen, dominieren Revolver und Einzelschuss-Gewehre das Waffensortiment. Granaten werden von Dynamit ersetzt, in den Schrotflinten befinden sich stets 2 Kugeln. Die fortschrittlichste Waffe ist wie schon im Vorgänger eine Gatling-Gun, die in Bound in Blood von Ray aber auch demontiert werden kann. Zudem kann nur Ray Dynamit werfen und mit zwei Pistolen gleichzeitig hantieren und ist durch diese Fähigkeit eher für den Nahkampf geeignet. Thomas besitzt solche Eigenschaften zwar nicht, jedoch kann er mit Pfeil und Bogen schießen und ein Lasso schwingen, mit dem er höher gelegene Positionen erreichen kann.
Wie schon im Vorgänger gibt es einen Konzentrationsmodus, der dieses Mal allerdings für beide Charaktere unterschiedlich ausfällt. In Ray´s Rolle kann man auf Knopfdruck alle Gegner mit der Maus markieren, woraufhin Ray sie automatisch mit zwei Pistolen umpustet. Bei Thomas findet das Fadenkreuz von alleine die in der Nähe befindlichen Gegner und per ruckhaftem Vor- und Zurückbewegen der Maus das Schießen simuliert wird. Zudem ergattert man den Konzentrationsmodus beider Figuren, indem man genügend Feinde über den Jordan geschickt hat und sich somit ein Revolvertrommel in der rechten oberen Bildschirmecke gefüllt hat. Dann verbleiben noch 60 Sekunden in der man den Konzentrationsmodus einsetzen kann, bevor die Konzentration flöten geht. Sind sie rum, muss man erneut genügend Gegner eliminieren. Jedoch steht zeitweilen ein kooperativer Konzentrationsmodus auf dem Plan, der an den alten Konzentrationsmodus aus dem ersten Call of Juarez erinnert. Meistens treten Ray und Thomas zeitgleich eine Tür ein um daraufhin diesen speziellen Konzentrationsmodus zu starten.

Wo bleiben meine Pakete?

Dieses Mal verzichtet der Entwickler auf Lebensenergie und Heilpakete, in Bound in Blood regenerieren die Charaktere von selbst, man muss nur aufpassen, nicht zu viele Kugeln auf einmal einzustecken. Das neue Heilsystem führt dazu, dass das Spiel schneller wird als der Vorgänger und das kommt der unkomplizierten Action zugute. Das wird wahrscheinlich einigen Fans des ersten Teils sauer aufstoßen, doch nach einiger Zeit misst man das alte System nicht mehr und stürzt sich freudig ins nächste Gefecht. Zudem hat Techland die nervigen Schleichpassagen des ersten Teils außen vorgelassen und sich nur auf die sehr gut gelungene Action konzentriert. Dadurch entgeht man Leerlauf durch die teils öden Schleich-Passagen, allerdings auch Abwechslung, die die Schleicherei ab und an brachte.
Die solide bis wunderschöne Grafik kann man, dank weniger Bildanzeigen perfekt genießen. Wenn Explosionen Gebäude in Stücke zerreißen und daraufhin die Partikel um das Alter Ego umherschwirren ist einfach ein Grafikschmaus. Es gibt zwar auch Stellen im Spiel, in der die Grafik nicht ganz opulent ausfällt, beispielsweise wenn die Lichteffekte nicht mitspielen wollen, jedoch lässt die Chrome Engine 4, die hinter Bound in Blood steckt, regelmäßig ihre Muskel spielen, selbst wenn die Qualität der Animationen hin und wieder schwankt. Auch die Sounds im Spiel sind sehr gut ausgefallen. Die Waffensounds sind richtig schön kernig und die atmosphärische Musik tut dem Spiel sehr gut. Allerdings hat der Sound ein Problem: Die deutsche Synchrosination. Die deutschen Sprecher bringen nur selten die Emotionen der Figuren zum Ausdruck, dagegen sind die englischen Sprecher wunderbar gelungen und bringen die Story und Charaktere meist besser zum Ausdruck als ihre deutschen Pendants.

Das Fazit

Insgesamt überzeugt Call of Juarez: Bound in Blood auf ganzer Linie und übertrifft den ohnehin tollen Vorgänger. Allen voran die grandiose Geschichte um die tiefgründigen Charaktere fesselt den Spieler an den Bildschirm, aber auch die Action spielt sich flüssig und ohne große Makel. Zwar hat BiB einige Probleme wie die kurze Spielzeit und seine linearen Levels, jedoch sind das verzeihbare Schwächen, denn die positiven Punkte überwiegen deutlich. Call of Juarez: Bound in Blood sucht im Western-Ambiente zurzeit seines Gleichen.


Wertung
Pro und Kontra
  • Grafik: Tolle Weitsicht, Explosionen, zahlreiche Details
  • Sound: Kernige Waffensounds, gelungene Musik
  • Balance: Immer fair, ausgeglichene Helden
  • Atmosphäre: Gelungene Cut-Scenes, perfekt eingefangene Atmo
  • Bedienung: funktionierende Steuerung, Deckungssystem ...
  • Umfang: Zwei steuerbare Helden, 89 Fundstücke
  • Leveldesign: Zahlreiche Schauplätze, Klettern, viel Deckung
  • KI: Wirft Dynamit, geht selbstständig in Deckung
  • Waffen & Extras: Western Waffen, beide Hände tragen Waffen, Upgrade
  • Handlung: Grandios erzählte und emotionale Geschichte
  • Grafik: stellenweise hölzerne Animationen, Klon-Gegner
  • Sound: Deutsche Synchro
  • Balance: -
  • Atmosphäre: -
  • Bedienung: ... das manchmal nicht funktioniert, Auto-Aiming
  • Umfang: fehlender Koop, kurze Spielzeit
  • Leveldesign: Linear
  • KI: Manchmal dumme Aktionen der Gegner
  • Waffen & Extras: -
  • Handlung: Warum gibt es nicht noch mehr davon?

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

genau richtig

Bugs:

Nur sehr wenige

Spielzeit:

Mehr als 5, weniger als 10 Stunden



Kommentare(2)
Kommentar-Regeln von GameStar
Bitte lies unsere Kommentar-Regeln, bevor Du einen Kommentar verfasst.

Nur angemeldete Benutzer können kommentieren und bewerten.