Fabulös

Verdammt. Da hat der Kerl mich doch tatsächlich dazu gebracht, meine Gesichtsbehaarung gründlichst umzugestalten, da seine Tochter sehr genaue...

von ModuGames am: 30.08.2016

Verdammt. Da hat der Kerl mich doch tatsächlich dazu gebracht, meine Gesichtsbehaarung gründlichst umzugestalten, da seine Tochter sehr genaue Vorstellungen hat, was sie attraktiv findet. Nur um mir dann zu offenbaren, dass er sich seinen Nachwuchs nur mal fix ausgedacht hat, um mir einen Streich zu spielen. Hat geklappt. Jetzt renne ich mit markantem Horst-Lichter-Bart durch die Welt. In solchen Momenten habe ich mich mit Fable: The Lost Chapters herrlich amüsiert – und mich später umso mehr über Designfehler geärgert.



Helden braucht die Welt

Schon im Kindesalter gibt Fable einen Vorgeschmack auf das, was noch kommen wird. Sie schlüpfen in die Rolle eines kleinen Jungen, der zusammen mit seiner Familie im schönen Dorf Oakvale lebt; der Geburtstag Ihrer Schwester steht an. Dummerweise ist man als kleiner Junge ziemlich knapp bei Kasse – eine Schachtel Pralinen ist nicht drin. Wie Sie das Geld auftreiben, tut nichts zur Sache – Fable fackelt nicht lange und konfrontiert Sie mit den ersten Entscheidungen...

Wahlmöglichkeiten werden sich noch durch den ganzen Spielverlauf ziehen, doch dazu später mehr. Erstmal wird ihr Heimatdorf von Banditen überfallen. Sie scheinen der einzige Überlebende Ihrer Familie zu sein und werden von Maze, einem Helden, gerettet. Dieser bringt den Jungen zur Heldengilde, wo er an Nah- und Fernkampfwaffen sowie Magie ausgebildet wird. Nach Ihrer Abschlussprüfung sind Sie nun offiziell ein Held und werden in die Spielwelt namens Albion entlassen.

Gegen Ende der Story verschlägt es den Spieler in Schneeregionen.

Die Story des Spiels fällt leider mittelmäßig bis unterdurchschnittlich aus: Bis auf einen (eher unwichtigen) Twist gegen Ende hat mich nichts wirklich überrascht, die Geschichte bleibt konstant eher Mittel zum Zweck. Was mich allerdings überzeugt hat, sind die Charaktere: Nicht, weil sie sonderlich gut geschrieben sind, sondern weil sie einen herrlichen Wiedererkennungswert bieten. Der Gildenmeister funkt den Helden gerne mal an und gibt ihm Tipps („Benutzt Euren Stock!“) oder informiert ihn über Aufgaben („Sucht in der Gilde nach weiteren Quests!“). Diese Sprüchlein habe ich mittlerweile so oft gehört, dass sie bei mir Kultstatus erlangt haben. Nicht zu vergessen der Bösewicht, den man dank seiner Quietschstimme nicht ernst nehmen kann.



Komm zur dunklen Seite, wir haben Kekse!

Ein großes Alleinstellungsmerkmal von Fable ist zweifelsohne, wie es den Spieler immer wieder mit Entscheidungen konfrontiert. Diese sind, im Gegensatz zu einem Witcher, sehr klar in schwarz und weiß unterteilt. Das Spiel wirbt zwar damit, dass man auch im Bereich zwischen den beiden Ultras, strahlender Held und gemeiner Schurke, unterwegs sein kann, mir scheint es jedoch, dass es effektiv nur diese zwei Möglichkeiten gibt. Natürlich kann ich mich mal gut, mal böse entscheiden, um quasi auf „neutral“ zu stehen, was mir jedoch sehr inkonsistent erscheint.

Das Böse bringt, wie gewohnt, einige Vorteile mit sich: Wer im Wald Händler überfällt, stiehlt oder gar Einwohner umbringt, um in den Besitz ihrer Häuser zu gelangen, verfügt über mehr finanzielle Mittel als ein moralischer Ordnungshüter. Anders als in Titeln wie Knights of the Old Republic kommt mir die gute Seite jedoch nicht wirklich benachteiligt vor, auch als Held nagt man nicht am Hungertuch.

Wer Angst und Schrecken in ganz Albion verbreitet, darf sich auf diese Hörner freuen.

Ein nettes Extra: Die Entscheidungen wirken sich direkt auf das Aussehen des Protagonisten aus. Als Verfechter der Ordnung schwebt ein Heiligenschein über dem Haupt, einem Teufel sprießen stattdessen Hörner.



Auf den zweiten Blick

Fable setzt auf einen stimmigen Comic-Look, der mich persönlich stark an Warcraft erinnert: Übergroße Waffen, Rüstungsteile und Körperteile sind an der Tagesordnung. Insgesamt passt die Optik gut zu einem Spiel, das sich, wie Fable, nicht allzu ernst nimmt. Doch auch wenn die Grafik nach Kinderkram aussieht – teils geht es hoch her. Beispielsweise beim Schießen auf die Häupter der Gegner mit Hilfe eines Bogens: Da verlieren die Kollegen auch mal ihre Köpfe, die sich dann durch die Gegend treten lassen. Aber gerade wegen dieser Ereignisse, die ich nicht erwartet hätte, gefällt mir Fable so gut.

Wirklich gut sieht Fable zwar nicht mehr aus, erzeugt allerdings immer noch einen stimmigen Gesamteindruck.

Trotz des netten Gesamteindrucks merkt man dem Spiel sein Alter an: Texturen sind oftmals matschig, Modelle wirken eckig und wenig detailliert. Das war schon beim Release im Jahr 2005 ärgerlich und zehn Jahre später entsprechend noch mehr, ich empfand die angestaubte Grafik auf Grund des stimmigen Gesamteindruck jedoch nicht als besonders störend. Und zum Gesamteindruck zählt auch der Soundtrack, der durchweg eine gute Figur macht. Mit teils heiteren, teils traurigen Stücken untermalt er das Spiel gut, wenn auch nicht überragend.



Held, Ehemann, Immobilienmakler?!

Held sein ist offensichtlich kein Vollzeitjob: Neben dem üblichen Monsterverkloppen bleibt noch genug Zeit für die wichtigen Dinge im Leden – wie einen Hühnertritt-Wettbewerb. Wer das Geflügel am weitesten befördert (Sie sind der einzige Teilnehmer), bekommt einen stylischen Hühnerhut als Belohnung. Habe ich eigentlich schon erwähnt, dass ich den Humor von Fable mag?

Alternativ kann der Spieler auch sein Privatleben umgestalten (bzw. umgestalten lassen), zum Beispiel mit einer Ehe. Haben Sie sich lange genug mit einer Dame (oder einem Herren, was das betrifft) „unterhalten“ und einen Ehering angeschafft, steht die Person zur Heirat bereit. Dann sollte ein Haus (oder mehrere) erworben werden, schließlich hat ein Ort zum Schlafen seine Vorzüge. Wer mehrere Wohnungen besitzt, kann unter die Vermieter gehen (inklusive obligatorischem Ausbau der Bude, damit mehr Geld reinkommt).

Hühnchen (anscheinend lebendig) zu essen, zieht den Spieler auf die dunkle Seite.

Eine Beschäftigung, die wirklich nicht viel Zeit in Anspruch nimmt, ist die Interaktion mit NPCs, denn der Spieler selbst verliert kein Wort – auch nicht in Textform. Stattdessen quatschen die Charaktere in Monologen vor sich hin, ein Nicken ist der größte Beitrag des Protagonisten. Schade, immerhin gehören Dialoge für mich einfach zu einem Rollenspiel dazu, zumal die Glaubwürdigkeit darunter leidet.  



Stirb langsam

Wie bereits erwähnt, zählen allerlei Waffen und Zauber zum Arsenal des Helden. Nah- und Fernkampfutensilien können in Kisten gefunden oder bei Händlern erworben werden. Magier kommen nur auf die harte Tour an ihre Sprüche – mit Erfahrung, die es für Questabschlüsse und besiegte Gegner gibt.


Das Skillsystem gefällt mir, da es gut mit den Kämpfen verknüpft ist und durchweg zum Weitermachen motiviert. Nahkämpfer sammeln rote Erfahrungspunkte, Schützen gelbe und Zauberer blaue. Allgemeine grüne XP gibt's, wie schon erwähnt, für das Abschließen von Aufgaben und werden von Feinden fallen gelassen. Die drei Skill-„Bäume“ bieten diverse Verbesserungen und Fertigkeiten für den jeweiligen Spielstil an. Ein Magier kauft seine Zaubersprüche beispielsweise mit blauer Erfahrung, wenn die alle ist, muss die allgemeine herhalten. Nettes Extra: Die Skills wirken sich auf das Aussehen des Helden aus. Wenn ich „Körperbau“ verbessere, werden nicht nur Zahlen verändert, stattdessen legt die Spielfigur sichtlich an Muskeln zu.

Balverine gehören zu den gefährlicheren Gegnern. Wirklich fordernd wird Fable jedoch nie.
Die Kämpfe konnten mich jedoch weniger überzeugen: Fable wartet mit Genre-Standard-Kloppereien auf. Sie bekommen es meist mit nicht allzu intelligenten Gegnern zu tun, bei denen das Hämmern auf die Angriffstaste völlig ausreichend ist; Bossgegner erfordern gelegentlich Ausweichrollen oder den Einsatz von Fernkampfwaffen oder Magie – wirklich gefordert werden Sie jedoch nie, solange der Vorrat an Heiltränken mitspielt. Und da Fable mit Geld geradezu um sich wirft, ist der Nachschub gesichert. Letztlich bleibt das Spiel somit eher unterfordernd, denn es steht nur ein Schwierigkeitsgrad zur Verfügung, mit dem halbwegs erfahrene Spieler keine Probleme haben dürften.



Wenig zu tun in Albion

Für diese Rezension habe ich Fable nochmal im Schnelldurchlauf abgeschlossen, wofür ich etwa 10 Stunden gebraucht habe. Wer jedoch ausnahmslos alle Quests erfüllt (von denen es nicht sonderlich viele gibt) und allen Nebenbeschäftigungen nachgeht, dürfte auf die doppelte Spielzeit kommen. Das ist zwar immer noch recht wenig, allerdings habe ich mich durchgehend gut unterhalten gefühlt, denn die Aufgaben sind abwechslungsreich: Von Schatzsuchen über Arenakämpfen bis hin zu Rennen ist alles dabei, wodurch auch die eher mittelmäßigen Kämpfe nur wenig ins Gewicht fallen.



Fazit

Fable: The Lost Chapters ist ein schwieriger Fall, denn es schwächelt in vielen Kerndisziplinen eines Rollenspiels: Keine Dialoge, schwache Geschichte und ein durchschnittliches Kampfsystem. Auf der anderen Seite ist es humorvoll, abwechslungsreich und atmosphärisch. Halbwegs objektiv gesehen müsste ich dem Spiel wohl eine niedrigere Wertung als 76% geben. In diesem Fall überwiegt jedoch mein (stark subjektiver) Gesamteindruck, dass es sich bei Fable um einen durchaus guten und empfehlenswerten Titel handelt.


Wertung
Pro und Kontra
  • Stimmiger Grafikstil
  • Guter Soundtrack
  • Nimmt sich nicht allzu ernst
  • Motivierendes Skillsystem mit sichtbaren Auswirkungen
  • Aussehen des Helden variiert nach Verhalten
  • Eheschließung, Häuserkauf und Co. möglich
  • Unterhaltsame Nebentätigkeiten
  • Eher schwache Geschichte
  • Teils unscharfe Texturen
  • Klobige Objekte
  • Kleine Gebiete/viele Ladezeiten
  • Keine Dialoge
  • Verschachtelte Menüs
  • Nur ein Schwierigkeitsgrad

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

eher leicht

Bugs:

Nein

Spielzeit:

Mehr als 10, weniger als 20 Stunden



Kommentare(4)
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