Frustbehangener Action-Spaß

Totgesagte leben länger - Nathan Spencer, seines Zeichens Ex-Soldat und einarmiger Sträfling in der Todeszelle, wird reaktiviert, um eine fanatische...

von - Gast - am: 03.10.2009

Totgesagte leben länger - Nathan Spencer, seines Zeichens Ex-Soldat und einarmiger Sträfling in der Todeszelle, wird reaktiviert, um eine fanatische Terroristengruppe auszuschalten, die die Stadt Ascencion City zuvor in die Luft gesprengt hatte. Gleichzeitig ist das Spiel die Reaktivierung des NES-Klassikers von 1987, und ob das Remake den Kultfaktor des Vorbildes aufrecht erhalten kann, lest Ihr in den folgenden Zeilen.

Alte Liebe rostet nicht

Helden werden erwachsen. Während 1987 ein knuffig anmutender Protagonist namens Super-Joe sich durch Gegnermassen ballerte und schwangt, ist Nathan Spencer heute eher der Kategorie Jungalternativer mit vielen Muskeln und Dreadlock-Frisur einzuordnen. Was beide verbindet, ist ihr fehlender Arm, den man mit einem mechanischen Greifhaken ersetzt hat. Im Remake ist das Ambiente um einiges erwachsener ausgefallen, das Aktionsrepertoire des heutigen Pendants variantenreicher. In der Verfolgerperspektive steuern wir Spencer zunächst durch ein mehrstöckiges Bürogebäude, um unseren Extremitätenersatz überhaupt zu erreichen, der an der falschen Stelle gelandet war. Dabei lernen wir die Grundsteuerung kennen, die mit Maus und Tastatur trotz Konsolenportierung leicht von der Hand geht. So laufen wir, wie übrigens im kompletten Spiel, von Wegpunkt zu Wegpunkt, die uns die Orientierung erleichtern. Hier begegnen wir auch schon den ersten Feinden, und durch Tastendruck schalten wir in die Zielansicht. Dabei fällt schon jetzt negativ die Gegner-KI auf, denn mehr als zur Seite treten wollen die Schießbudenfiguren nämlich nicht und sind so leichte Beute, einzig die gepanzerten MG-Schützen machen uns ab der Hälfte des Spiels ein wenig das Leben schwer.

Schwing die Hüfte

Das Hauptaugenmerk liegt aber nicht auf der Schießerei, sondern auf der Benutzung unseres Bionikarmes. Etliche Gegner später erreichen wir endlich die Rakete, die das Teil abgeliefert hat, einige Stockwerke weiter, stülpen es uns über und können endlich die Stadt Tarzan-like durchqueren. Dabei geht das denkbar einfach: Wir schauen in die Umgebung, und wenn ein spezielles Fadenkreuz blau gefärbt ist, greifen wir die Stelle mit der rechten Maustaste. Wer die Mechanik verinnerlicht hat, kann ganz locker schwingenderweise komplette Abschnitte absolvieren. Anfangs beschränkt sich der Aktionsradius nur auf das Greifen und Schwingen, später 'erinnern' wir uns an die Möglichkeiten, die uns das Tutorial bot, und erhalten so im Laufe des Spiels weitere Aktionen wie Gegenstände durch die Luft zu schleudern oder den Adrenalinschlag, mit dem wir ganze Gegnergruppen mit einem Rundum-Schlag aus den Latschen hebeln. Sehr praktisch: Wir sparen Munition, indem wir durch Anvisieren des Feindes unseren Greifer betätigen und diese durch sogenannte Zip-Kicks unschädlich machen können. Und Munition sparen ist bitter notwendig, denn in vielen Levelabschnitten müssen wir uns mit einer Standardwaffe begnügen, die nicht sonderlich durchschlagskräftig ist und dazu schnell leer wird. Munition ist rar gesät, nur bei bestimmten Gegnergruppen spendiert man uns eine besondere Waffe wie eine MG oder knallige Raketenwerfer. Diese sind dann auch dringend zu gebrauchen, denn wir bekommen es desöfteren mit Robotern zu tun, die in der Regel nur eine Schwachstelle haben, nämlich den Rücken. Knackig sind jedenfalls die Bossgegner ausgefallen, die man oft nur durch wechselndes Ausweichen und Beschießen oder Hakeln meistern kann.

Der Lauf der Dinge

Das Leveldesign ist durchaus interessant gestaltet worden, auch wenn wir im Grunde nur durch Schläuche laufen. Die Areale sind äußerst weitläufig gehalten, doch kommen wir zu weit vom Weg ab, ist die Umgebung verseucht von radioaktiver Strahlung, und wir geben schnell den Löffel ab, sollten wir davon zuviel abbekommen. Dazu ist Spencer auch keine Wasserratte, denn nicht selten müssen wir überflutete Straßen oder Meere überqueren. Werden wir trotzdem nass, haben wir nur kurze Zeit, um uns mit dem Greifhaken aus dem Wasser zu ziehen (erkennbar an dem Zeitbalken), sonst ertrinken wir. Besonders ärgerlich sind die Abschnitte, in denen wir uns durch Gegnermassen hindurch kämpfen, um dann kurz vor Erreichen eines Checkpoints durch falsches Timing jämmerlich zu ertrinken. Denn das Spiel hat nur Speicherpunkte, die zudem noch recht weit auseinander liegen und meiner Meinung nach teils unsinnig gesetzt sind. So ist der Frustfaktor anfangs hoch, daher empfehle ich, wenn Ihr Euch die Steuerung schnell verinnerlicht, was ein wenig gewöhnungsbedürftig ausfällt, da wir auf dem Bildschirm nur die Konsolentasten angezeigt bekommen.

Neue Besen kehren gut

Trotz der Mankos spielt sich Bionic Commando flüssig und äußerst dynamisch. Haben wir erst einmal die Aktionen drin, macht es eine Menge Spaß, unter Einsatz unseres Armes Hochhäuser zu erklimmen, Gegner aus dem Weg zu Räumen und komplette Autos durch die Gegend zu schleudern. Dabei macht das Spiel technisch vieles richtig. Die Grafik ist schön anzusehen, Shadereffekte gibt es zuhauf, Partikel gibt es auch zu bewundern. Leider schwankt die Texturenqualität doch sehr stark, denn neben wunderhübschen Items und Geräten reihen sich dann auch matschige Bodentexturen ein, besonders auffällig im Stadtpark oder bei Trümmern. Nervig dabei sind die Unschärfeeffekte, die Entwickler Grin häufig einsetzt.

Bei Sound gibt es rein gar nichts zu meckern. Der Soundtrack ist recht episch und dazu gut hörbar, die Effekte bombastisch und die Sprecher durchweg gut. Spencer wird übrigens von Mike Patton, seines Zeichens Sänger von Faith No More, vertont, der seine Sache sehr ordentlich gemacht hat. Leider gibt es keine deutsche Vertonung, lediglich lassen sich deutsche Untertitel einblenden.

Man schätzt Verrat, nicht den Verräter

Im Grunde erzählt die Story keine andere Geschichte als in der des Vorgängers. Wer die japanische Originalversion des NES-Klassiker kennt, weiß, dass wir gegen Hitler antreten, was in der europäischen Version entschärft worden war. Dagegen kämpfen wir im Remake gegen die Terroristengruppe BioReign und dessen Anführer Groeder. Die Story wird hier leider nur rudimentär erzählt, Zwischensequenzen gibt es für meinen Geschmack zu wenige. Lediglich Hintergrundinfos sind da etwas ausführlicher, wenn wir öfter mal Relais ausschalten, um im Spiel weiter zu kommen, können wir in Mails etwas mehr zu Spencers Vorgeschichte und die Umstände der Bionicmänner erfahren. Für mich eindeutig zu wenig für den heutigen Standard.

Schuster, bleib bei deinen Leisten

Abschließend kann ich sagen, dass Capcom nach dem starken Release von Street Fighter IV ein weiteres heißes Eisen ins Feuer gelegt hat. Nimmt man alle Kritikpunkte weg, bleibt ein rundes und energiegeladenes Actionspiel, das größtenteils von seiner Greifarm-Dynamik lebt und ein bisschen frischen Wind in das Genre pfeift. Wer unkomplizierte Action mag, wird hier vollends bedient, und wer gleichzeitig noch ein wenig frustresistent ist, wird seine helle Freude haben, denn auch wenn relativ wenig an den Urvater aus NES-Zeiten erinnert - Nostalgiegefühle werden sich auch hier einstellen.


Wertung
Pro und Kontra
  • Grafik: Umgebungen, Shadereffekte
  • Sound: Sounds toll, schöner Soundtrack, gute Sprecher
  • Balance: Guter Einstieg, einblendbare Bildschirmhilfen
  • Atmosphäre: stimmige Welt, dynamische Kämpfe bringen Spannung
  • Bedienung: Maus/Tastatur, Greifarmhandling gut
  • Umfang: 10 Stunden Spielzeit, weitläufige Areale
  • Leveldesign: Abwechslungsreiche, detaillierte Umgebungen
  • KI: weicht aus, bestimmte Gegnertypen fordernd
  • Waffen & Extras: Greifarm vielseitig, Geheimnisse
  • Handlung: Storyelemente gut gewählt, Hintergrundinfos
  • Grafik: teils matschige Texturen, Unschärfeeffekte
  • Sound: -
  • Balance: Speicherpunkte, Kämpfe teils unsinnig gesetzt
  • Atmosphäre: Geschichte entfaltet sich spät
  • Bedienung: Anzeige der Konsolentasten, gewöhnungsbedürftig
  • Umfang: Schlauchlevels
  • Leveldesign: zu wenig Drumherum
  • KI: bleibt sonst stur stehen, Bewegungsrepertoire
  • Waffen & Extras: zu wenig Arsenal, Munitionsknappheit
  • Handlung: schlecht präsentiert

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

eher schwer

Bugs:

Nur sehr wenige

Spielzeit:

Mehr als 10, weniger als 20 Stunden



Kommentare(1)
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