Geradlinige, aber knifflige Schleich-Action

Shooter über den Zweiten Weltkrieg gibt es mittlerweile wie Sand am Meer. Dort hatten wir so einige Soldatentrupps unter Befehl, mit denen wir uns brachial...

von - Gast - am: 30.05.2009

Shooter über den Zweiten Weltkrieg gibt es mittlerweile wie Sand am Meer. Dort hatten wir so einige Soldatentrupps unter Befehl, mit denen wir uns brachial durch die feindlichen Linien ballerten, wobei moralische Fragen wie Sinn oder Unsinn meist auf der Strecke blieben und Identifikationsaspekte mehr oder weniger ebenso.
Mit Violette Summers, einer britischen Agentin, begeben wir uns wieder in deutsches Feindesland, operieren aber im Untergrund und haben anstatt hunderter Gewehrkugeln nur unsere List, den Schatten und meistens nur ein Messer als Waffen zur Verfügung.

Schön versteckt

Bevor wir uns mitten in die feindlichen Linien begeben, erfahren wir, dass wir in einem Zimmer im Koma liegen, eine Spritze liegt auf dem Bett. Die Bilder verwaschen, surreal, das gelb-orangefarbene Licht von der späten Nachmittagssonne dringt durch die Fenster. Bis auf die letzte Mission werden wir nun Violettes Vorgeschichte durchspielen und wie es dazu kam, dass die gute Frau ans Bett gefesselt ist.
Die Off-Stimme - Violette selbst - beginnt ihre Geschichte zu erzählen, und wir starten unseren Auftrag, werden per Fallschirm abgeworfen ebenso wie unsere Ausrüstung, die sich aber in einer Baumkrone verfängt und wir so nur mit dem Nötigsten ans Werk gehen können. Wir sollen einen deutschen Bunker infiltrieren, um ihn mit einer gut platzierten Bombe in die Luft zu jagen. Dummerweise ist das C4 ebenso auf der Strecke geblieben, so dass wir erst danach suchen müssen.
Ganz nach alter Sam Fisher-Tradition schleichen wir uns durch die ersten Abschnitte, können dafür auch den Schatten nutzen, um nicht gesehen zu werden (erkennbar am violetten (!) Schatten um unsere Figur), oder verstecken uns in angrenzenden Büschen, was denselben Effekt hat.

Schön derbe

Sofort begegnen wir auch den ersten Soldaten, die in der Gegend patroullieren und warten erstmal ab, bis sie ihr Gespräch beendet haben, und sind ein wenig erschrocken, über was die beiden da überhaupt reden. Viele Gespräche, die wir mit der Zeit mitbekommen, sind ziemlich derbe ausgefallen und haben mir eine offene Kinnlade beschert, manchmal aber auch ein verschmitztes Grinsen. Themen mit der Reichweite von geklauter Schokolade bis hin zum Sauerstoffgehalt das Grundwassers, um Leichen besser brennen zu lassen, machen die Runde - die Dialoge zeigen eindeutig den psychologischen Aspekt, den der Krieg hinterlassen hat und unterstreichen das surrealen Ambiente des Spiels.
Nun ist aber Zeit zur Aktion, und steuern Violette durch das Dickischt, endlich den Bunker zu erreichen. Dabei fällt auf, dass wir nur springen und klettern können, wenn ein Hinweis auf dem Bildschirm erscheint. Diese sind zwar hilfreich, weil das Maussymbol uns die Aktion erklärt, nur ist Sam Fisher da um einiges bewegungsfreudiger und wir sind mit der Dame in unseren Aktionen ein wenig eingeschränkt. Gleich geblieben ist aber die Möglichkeit, die Gegner von hinten mit dem Messer leise zu töten. Sind wir nahe genug dran, verfärbt sich der Bildschirm rot und es bedarf nur noch eines gut getimten Mausklicks, um Violette den Feind automatisch in einer tollen Animation abzustechen. Danach sollte man schnellsten den Leichnam verstecken, damit die Kameraden nichts merken, am besten im Schutz des Schattens. Später im Spiel tragen die Soldaten auch Handgranaten, die wir hinterrücks zünden können, um kleine Gegnergruppen auf einmal in die Luft zu sprengen.

Schön wenig

Da wir öfter nur mit Messer und einer schallgedämpften Colt-Pistole mit gerade mal 7 Schuß (!) ausgerüstet sind, sind wir auf Mithilfe der Wehrmacht angewiesen. Doch so viele SS-Männer wir auch über den Jordan schicken - die Waffen sind nicht aufnehmbar und wir sind gezwungen, Spinde zu suchen, in denen man spärlich Munition finden kann oder auch die ein oder andere Waffe wie die obligatorische Luger oder eine Schrotflinte. Dazu gibt es auch Morphiumspritzen, die - wenn benutzt - das Bild einfrieren und Violette (plötzlich im Negligé bekleidet) die Möglichkeit gibt, sich aus brenzligen Situationen zu befreien.
Desweiteren findet man in gut versteckten Ecken oder alternatven Abschnitten auch Sammlerstücke, die uns extra Erfahrungspunkte bescheren, um die drei Charakterpunkte Morphium, Schleichen und Stärke zu verbessern.
Später dann haben wir die Möglichkeit, SS-Uniformen aufzunehmen, um unbemerkt durch die feindlichen Linien zu spazieren. Dabei sollten wir darauf achten, den Soldaten nicht zu nahe zu kommen, sonst werden wir entdeckt, erkennbar an einem weißen Streifen am unteren Bildschirm, der uns den Gefahrenpegel anzeigt.
Grundsätzlich sei aber gesagt, dass die chronische Munitionsknappheit und die Orte der auffindbaren Gegenstände durchweg ein wenig aufgesetzt rüberkommen.

Schön schwer

Im Wesentlichen ist das Leveldesign stur geradlinig ausgefallen, man aber wie schon erwähnt die Wahl hat, alternative Ecken aufzusuchen, in denen man meistens Sammlerstücke auffindet, daher bleibt Euch die Wahl, ob Ihr das Risiko auf Euch nehmt. Dies kann zu einer kniffligen Angelegenheit werden, wenn die Items ini der Nähe von Soldaten zu finden sind und beispielsweise gezwungen sind, in Uniform unerkannt umher zu laufen. Wir können nämlich nicht frei speichern, was desöfteren zu kleinen Frustmomenten verkommt.
Beim Schleichen ist das weniger problematisch, hier ist der Schatten unser bester Freund und wir haben leichteres Spiel, zuerst die Gegner auszuschalten und danach in Ruhe nach den begehrten Kistchen zu suchen.
Apropos Schatten, der wurde in die Levels sinnvoll integriert, so können wir zum Beispiel auch Kisten, wenn nutzbar, verschieben, um Leuchtquellen zu blockieren.
Auf freiem Gelände jedoch sind diesbezüglich die Möglichkeiten rar, und wir müssen öfter den richtigen Moment abwarten, weil die SS-Gegner feste Routen ablaufen. Timing ist hier gefragt und viel Geduld, also sollten wir nicht blind versuchen, den Erstbesten in der Nähe auszuschalten, sondern die Situation zuerst analysieren und dann zuschlagen.

Schön doof

Sind wir entdeckt worden, bleibt uns nicht selten nur die Wahl, den Abschnitt nochmals anzugehen. Während des Angriffs ist die KI ziemlich treffsicher, verhält sich aber relativ doof, wenn es darum geht, Deckung zu suchen oder auszuweichen. Ansonsten nutzt sie aber das Gelände gut aus und versucht uns einzukreisen. Dann müssen wir ebenfalls sehr treffsicher sein bzw. im Verborgenen agieren, sonst gehen uns schnell die Lebenslichter aus.
Grafisch und atmophärisch ist das Spiel sicherlich eine Augenweide. Herbstrot, dreckig-grau oder giftgrün bestimmen das Ambiente und tragen viel zur Stimmung bei. Viele Details wurden integriert und lassen die Abschnitte lebhaft erscheinen, wobei tausende Kisten vielleicht doch nicht hätten sein müssen. Shadereffekte gibt es aber massig und Licht- oder Schatteneinsatz sind tolle Dreingaben für den Gesamteindruck.
Die Beschallung ist ebenfalls gut gelungen, Waffensounds sind äußerst realistisch (nur leider zu selten zu bewundern), die Musik sehr gut und passend zur Atmosphäre, nur die Hintergrundgeräusche ein wenig spärlich geraten. Die Sprecherqualität ist durchaus lobenswert, jedoch sind viele KI-Kollegen von denselben Sprechern vertont worden, wodurch der Nervfaktor hier ein wenig eintritt.

Einfach schön (oder doch nicht...)

Wer die Nase voll hat von den Kriegsspielen, in denen man massenweise Gegner ummäht, sollte durchaus den Kauf hier riskieren. Die surreale Atmosphäre bestärkt die moralischen Auswirkungen des Krieges und erzählt auf kritische Weise das Vorgehen der Agentin, was endlich auch hintergründig die Selbstkritik und (Un)Sinn solchen Tuns beleuchtet. Für Splinter Cell-Fans auf jeden Fall eine Pflichtanschaffung, sollten Shooterfans sich genau überlegen, ob sie zugreifen, obwohl Violette gegen Ende auch mal zum Sturmgewehr greifen darf und genretypisch dann doch Wellen von Gegnern begegnet.


Wertung
Pro und Kontra
  • Grafik: Texturen, Shader, Licht/Schatten, Animationen
  • Sound: Musik, Waffen, Gegenstände, Sprecherqualität
  • Balance: Guter Einstieg, Lerneffekte
  • Atmosphäre: surreale Stimmung, derbe Dialoge, spannend
  • Bedienung: Maus/Tastatur, Einblendungen
  • Umfang: fünf lange Missionen
  • Leveldesign: fordernde Abschnitte, alternative Ecken
  • KI: nutzt das Gelände, kreist ein
  • Waffen & Extras: Sammlerstücke, Morphium, realistische WW2-Waffen
  • Handlung: gut erzählt, Dialoge, Moral
  • Grafik: Vegetation weniger gelungen, Feuereffekte
  • Sound: Hintergrund, Sprecherrecycling
  • Balance: Munition, schwere Levels, nur Speicherpunkte
  • Atmosphäre: -
  • Bedienung: Menü ein wenig fummelig
  • Umfang: künstlich ausgeweitet
  • Leveldesign: wirkt aufgesetzt
  • KI: sucht keine Deckung, weicht nicht aus
  • Waffen & Extras: Waffen von Gegner nicht aufnehmbar, nur wenige
  • Handlung: abruptes Ende

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

eher schwer

Bugs:

Nur sehr wenige

Spielzeit:

Mehr als 10, weniger als 20 Stunden



Kommentare(5)
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