Gutes Konzept - verhunztes Kampfsystem

Die 80iger und 90iger brachten einige der besten Rollenspiele hervor, unter anderem langlebige Serien wie ULTIMA, WIZARDRY oder eben MIGHT & MAGIC, aber...

von - Gast - am: 19.08.2018

Die 80iger und 90iger brachten einige der besten Rollenspiele hervor, unter anderem langlebige Serien wie ULTIMA, WIZARDRY oder eben MIGHT & MAGIC, aber auch revolutionäre Meisterwerke wie DUNGEON MASTER. Diese sind keinesfalls mit der RPG Massenware von heute vergleichbar: meistens unzugänglich für die Masse, erforderten das Studium eines 100+ seitigen Handbuches, erschlugen einem mit stundenlanger Charaktergeneration und waren nur selten technisch auf einem akzeptablen Stand. Otto-Normalspieler ergriff die Flucht, der RPG Fan erfreute sich Wochenlang am Monsterplätten, und dem liebevollen Heldenaufpäppeln in dunkelsten Höhlensystemen.

Gameplay


1998 versuchte sich New World Computing an der Wiederbelebung ihrer renomierten MIGHT & MAGIC Reihe die zuletzt 5 Jahre zuvor mit Teil 5 "DARKSIDE OF XEEN" den vorerst letzten Nachfolger erhielt.

Während man in den Vorgängern von Beginn an mit 6 Recken unterwegs war muss man jetzt umdenken: es gibt nur noch 4 Charaktere, 2 Slots sind für NPCs reserviert, die die Party mit "passiven" Fähigkeiten unterstützen, jedoch niemals aktiv am Kampfgeschehen teilnehmen. Es empfiehlt sich einen Platz generell frei zu halten für "Eskort"Missionen bei denen man Person x nach y bringen muss.

Man steuert seine Party durch eine stufenlos scrollende 3D Welt (die Vorgänger boten noch das schrittweise Scrollen mit 90 Grad Drehungen aus DUNGEON MASTER). Gekämpft wird hier wahlweise in Echtzeit (sehr schlecht umgesetzt) oder auf Wunsch auch im rundenbasierten Modus (besser, aber eben auch nicht gut umgesetzt). Wie in den Vorgängern liegt auch hier die Betonung auf Kämpfe statt auf Puzzles.

Ebenfalls wie in den Vorgängern gibt es eine riesige Aussenwelt zu erkunden, die abwechslungsreich und als "Open World" gestaltet ist, man kann mit NPCs quatschen, Quests annehmen, Handel betreiben oder sich in einen der zahlreichen Dungeons austoben.

Präsentation [ohne Wertung]

Aufgrund des Alters dieses Spiels (Erscheinung vor 2000) sehe ich von einer Wertung der "Präsentation" ab.

Während die Serie technisch seit Teil 3 (1992) auf der Stelle trat konnte man 1998 mit der 7 Jahre alten Grafik Engine sicherlich niemanden mehr hinter den Ofen hervorlocken, als gab's eine neue (hoffnunglos veraltete) Grafikengine. Diese erlaubte zwar das stufenlose Scrolling (was 1998 schon laaaange Standard war), mit Höhenunterschieden, war aber grob pixelig und nicht besonders ansehlich.

Knallbunt war die MIGHT & MAGIC Welt schon immer mit eher comichaft statt schrecklich aussehenden Monstern, das war eben die Designentscheidung von New World Computing, dagegen will ich nichts sagen.

Soundtechnisch gab es lediglich spärlich eingesetzte, sich oft wiederholende Effekte und Sprachfetzen. Da boten schon die Zusammengefügten Teile 4 & 5 (gaben zusammen "WORLD OF XEEN") mit Speechpack!

Wesentlich besser gefällt mir der Score: einige wirklich schöne Musikstücke stellen den besten Aspekt der Präsentation dar und können selbst heute noch als "gut" bezeichnet werden.

Komfort/Steuerung [Schlecht]

Das Interface an sich ist zwar nicht schlecht, aber die Ausführung bei den Kämpfen ist grauenhaft! Man hat hoffentlich JEDEM seiner Charaktere zusätzlich zu Nahkampfwaffen auch noch Fernwaffen in die Hand gedrückt? Denn wenn man sich nicht millimetergenau positioniert (bildschirmfüllend und überpixelig) und keine Fernwaffen hat trifft nichts. Netterweise muss man seinen Helden nicht sagen, "greif mit Waffe x oder y an" - denn wenn die Feinde nicht in Reichweite der Nahkampfwaffen sind greifen sie selbstständig mit ihrer alternativen Fernwaffe an.

Was allerdings ärgerlich ist, wer sich in den Dungeons nicht genauestens positioniert - an den Ecken! - trifft den Feind nicht, dieser kann aber selbstverständlich durch die Wände unsere Partymitglieder treffen... Schwierig auch das Zielen von Zaubersprüchen, wenn sich auch nur irgendein Hinderniss zwischen der Party und dem Ziel befindet kann man davon ausgehen dass das Ziel nicht getroffen wird.

Mit der ENTER Taste schaltet man von Echtzeit in den rundenbasierten Modus um und umgekehrt. Erneutes drücken der ENTER Taste schaltet wieder zurück in Echtzeit.

Das Inventarmanagement ist ebenfalls unübersichtlich schlecht: angefangen bei dem Rucksack, 14x9 Raster-Kästchen stehen zur Verfügung, Gegenstände nehmen je nach Art eine bestimmte Anzahl von Kästchen ein. Das Inventar will ständig aufgeräumt werden, sonst droht Verstopfungsgefahr! Die Anziehpuppen hingegegen sind umständlich und unübersichtlich und um Gegenstände wieder auszuziehen muss man schon pixelgenau "zielen".

Spieltiefe / Komplexität [Gut]

Hier punktet MIGHT & MAGIC VI: THE MANDATE OF HEAVEN, Teil 1 der Enroth Trilogie.

Angefangen bei der Charaktergenerierung: es gibt zwar lediglich 1 Rasse, Menschen, zur Auswahl, keine Elfen oder Zwerge. Immerhin 6 Klassen (Ritter, Paladin, Kleriker, Schütze, Druide und Magier) gibt es, 7 Attribute und haufenweise Skills (die man erstmal erlernen muss!) sowie viele, VIELE Zaubersprüche, die an Elementarskills (Feuer, Luft, Wasser und Erde) gebunden sind, wer also hier nicht Punkte investiert kann diese Zauber nicht wirken!

Generell gefällt mir das Charakter und Magiesystem in MIGHT & MAGIC VI sehr gut. Skills müssen erst erlernt werden, wobei man erst der jeweiligen Gilde gegen Bares beitreten muss, aber jede Klasse kann alle Skills erlernen.

Erkundung und Kampf stehen im Vordergrund und die Open World ist RIESIG! Open World Spiele in 3D gab es damals kaum - spontan fällt mir nur die ELDER SCROLLS Reihe ein - da ist M&M 6 eine willkommene Abwechslung gewesen. Auch levelt die Spielwelt nicht mit den Charakteren: man kann zwar die offenen Spielwelt frei erkunden, aber braucht sich nicht wundern wenn man von einigen Feinden (Drachen, Hydras) mit einem Schlag aus grosser Entfernung getötet wird.

Alchemie gibt es auch, wenn auch in einem etwas primitiven Sinne, aber es erfüllt seinen Zweck: Zutaten sammeln, Flaschen kaufen und mixen.

Quests sind leider weniger gelungen: meistens sind es primitive Fetch- und Killquests mit wenig Abwechslung, aber man war in den 90ern schon wesentlich schlimmeres gewohnt!

Verschiedene Krankheiten und Statuseffekte ("Autismus"!) runden das ganze auch noch ab und zollen den Begegnungen mit Monstern etwas Respekt.

Wer Wert auf Puzzles in seinen Rollenspielen legt wird aber enttäuscht sein: diese sind extrem selten und dann auch eher primitiv. Eher ein Rückschritt von Vorgängern.

Atmosphäre [Gut]

Eintauchen kann man in die Spielwelt von M&M 6 ganz gut, sie ist gross, grafisch zwar nicht sonderlich ansprechend (eigentlich gar nicht!) aber sie bietet viel Abwechslung, viele verschiedene Monstertypen, Zauber und Skills. Das alles lies mich die schlechte Präsentation vergessen, ich habe mehr als 100 Stunden in Enroth "Urlaub" gemacht.

Immense Freiheit bei der Erkundung, aber ohne dass auf dem Spieler Rücksicht genommen wird: wer sich als Level 1 Party mit einer Hydra anlegt überlebt die Begegnung nicht - so entsteht auf ein Gefühl von Ungewissheit beim Betreten neuer Gebiete: bin ich bereit für diesen Ort oder soll ich besser später wieder kommen wenn meine Recken "erfahrener" sind?

Wer nicht zuviel Wert auf eine packende Story legt dafür aber auf möglichst viele (viele!) Kämpfe sowie Erkundung der wird sich sicher gerne auf Enroth aufhalten, auch wenn es mir persönlich auf den Inseln von Terra und Xeen besser gefallen hat.

Handlung (ohne Spoiler) [Schlecht]

Die Story ist nicht sonderlich faszinierend. Wer Rollenspiele wegen einer spannenden Story spielt wird bitter enttäuscht. Story-Telling ist relativ primitiv und geschieht nur mittels wenigen Texten in Gesprächen. Ein Gefühl von Dringlichkeit gibt es auch nicht, man kann sich alle Zeit der Welt lassen. Die Story ist zweckmässig und immerhin besser als was Bethesda der ELDER SCROLLS Gemeinde zumutet!

Umfang [Sehr Gut]

Mit 50+ Stunden ist man ziemlich lange in der Welt von Enroth unterwegs - nicht schlecht für ein Spiel aus den 90er Jahren! Die frei begehbare offene Welt und die zahlreichen Dungeons werden einem aber durchaus länger beschäftigen wenn man sich Zeit nimmt und wirklich die Spielwelt erkundet, dann sind auch gut und gerne 80-100 Stunden drin! Wiederspielwert hat das Spiel auch wenn es nicht wirklich viele Entscheidungen gibt.

Fazit

Trotz technischen Mängeln ist MIGHT & MAGIC VI: THE MANDATE OF HEAVEN selbst heute noch empfehlenswert. Gerade wegen der - verglichen mit heutigen RPGs - höheren Komplexität und des sehr guten Charaktersystems kann ich dieses Spiel immernoch empfehlen, eine Wertung jenseits des 70er Bereiches steht aber das vermurkste Kampfsystem entgegen mit dem ich partout nicht warm werden konnte - weder damals noch heute. Man bekommt auch sehr viel Spiel fürs Geld: für gerade mal 10 Euro bekommt man es z.B. auf GOG in der 6-Pack Edition mit den Teilen 1-5! Absolut das Geld wert, zumal man die besseren Teile 3-5 dazu bekommt. KAUFEN!!!


Wertung
Pro und Kontra
  • sehr umfangreich (50+ Stunden!)
  • ausgefeiltes Skill und Magiesystem
  • Open World
  • viele verschiedene Monstertypen
  • Musikstücke gut gelungen
  • technisch hoffnungslos veraltet
  • Steuerungsdefizite
  • Echtzeitkampfsystem unausgereift, rundenbasiertes Kampfsystem verbesserungsbedürftig
  • Story

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

genau richtig

Bugs:

Nein

Spielzeit:

Mehr als 100 Stunden



Kommentare(5)
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