Gutes Spiel mit Macken

Die Überschrift sagt es eigentlich schon:Two Worlds ist ein sehr gutes Rollenspiel, dass vor allem durch sein völlig freies Charaktersystem und seine...

von Phoenix.Feanaro am: 08.06.2012

Die Überschrift sagt es eigentlich schon:
Two Worlds ist ein sehr gutes Rollenspiel, dass vor allem durch sein völlig freies Charaktersystem und seine (beinahe) noch offenere Spielwelt glänzt. Dazu kommen die zahlreichen Quests, die gute Atmosphäre und die oft schöne Grafik.
Es aber eben auch so seine Macken, wie die oft erst viel zu spät „aufploppenden“ Gegenstände oder Gebäude, sich wiederholende Charaktere, die Kürze der Story und natürlich die (immer noch nicht wirklich gute) Balance.
Dieser Test soll klären, ob sich das Spiel sich trotzdem lohnt.

(Achtung: Dies ist ein Test zur deutlich verbesserten Two Worlds Version 1.7. Der Test bezieht sich ausschließlich auf den Singleplayer Teil von Two Worlds. Alle wertenden Kommentare beziehen sich auf die Zeit zum Release des Spiels.)

 

Die Spielwelt

Es herrscht Krieg in Antaloor. Die Orks haben die Menschen schon bis nördlich des Gon zurückgedrängt, des großen Flusses, der Antaloor durchzieht und das Land in „zwei Welten“ aufteilt. Diese zwei Welten, die ja eigentlich eine sind, sind dabei sehr abwechslungsreich. Die verschiedenen Landschaften reichen von eisigen Gletschern im Nordosten über das weite Meer im Westen bis hin zur sandigen Wüste im Südosten. Nur besteigbare Berge fehlen. Berge gibt es nur als unüberwindbare Begrenzung der Karte. Die meisten Gegenden sind sehr stimmungsvoll, wie der lauschige Wald um einen kleinen See, ein nebliges Moor oder der verbrannte Wald mit seinen schwarz verkohlten, aber immer noch schwach glühenden Stämmen. Auch Dungeons gibt es natürlich, diese sind zwar auch recht atmosphärisch, aber schnell eintönig. Geheimgänge, vechiebbare Wände, Falltüren und Schalter? Fehlanzeige! Das wohl aufregendste in den Dungeons bleibt die ein oder andere verzierte Truhe mit zufallsgeneriertem Inhalt. Ein Glück, dass uns kaum Quests in die Dungeons führen. Über der Erde spielt es sich deutlich schöner. Auch Wettereffekte und Tag/Nacht-Zyklus tragen ihren Teil zur Abwechslung bei. Natürlich finden sich in Antaloor auch einige, hübsche Städte, aber auch fiese Gegner und als Gegner gilt hier so ziemlich alles, was nicht Mensch ist, sprich Untote, Zwerge, Groms und Orks aber auch Rieseninsekten und Drachen und was eben sonst noch so alles aggressiv ist (oft auch ein paar menschliche Banditen).
Schön: Je nach Umgebung begegnen wir anderen Gegnertypen. So finden wir an den Wegen oft Wegelagerer und in der Wüste oft Schakale.
Schlecht: Die immer gleichen Skelette in den Dungeons oder Wölfe in den Wäldern können schnell langweilig werden. Darüber hilft auch der Unterschied zwischen einem Feuer- und einem Frost-Skelett nicht hinwegzutäuschen.
Die Spielwelt ist übrigens vollkommen offen Es muss nichts freigeschaltet werden, alles ist von Anfang an zugänglich.

Die Story

In dieser Welt also verbringen wir unser Dasein als Söldner und zuweilen auch Kopfgeldjäger mit unserer Schwester. Vor langer Zeit war einmal ein altes Artefakt im Besitz unserer Familie, mit dem man Aziraal, den Kriegsgott der Orks befreien kann.
Die weitere Geschichte ist schnell erzählt:
Mysteriöse Fremde tauchen auf, entführen unsere Schwester und verlangen für ihre Herausgabe die Wiederbeschaffung des Artefakts, welches nun in 5 Teilen über ganz Antaloor verstreut ist.
Und das ist dann auch eure Aufgabe für die nächsten ca. 35 Stunden der ungefähr 40 Stunden langen Spielzeit (mehr, wenn man trödelt).
Das klingt nicht besonders einfallsreich? Ist es auch nicht. Die Story ist weder lang, noch ausgefeilt, wird aber wenigstens nett erzählt.

Die Quests

Auf die Story kommt es aber in diesem Spiel eh nicht so sehr an. Da sind die zahlreichen Nebenquests wichtiger. In Antaloor leben nämlich (vor allem in den Städten) viele Leute, die unsere Hilfe (in ordentlich vertonten Dialogen) erbitten. Die meisten Quests erhalten wir aber von den 7 Fraktionen, die sich zum großen Teil nicht besonders mögen. Diese Quests muss man natürlich auch nicht lösen, sie bringen aber neben den gewöhnlichen Items und Erfahrungspunkten auch Ansehen bei der Fraktion, was die Preise der entsprechenden Händler senkt. Außerdem müssen wir im Rahmen der Hauptquest zumindest einer Fraktion gegen eine andere helfen. Überhaupt müssen wir sehr oft Nebenquests erledigen, um in der Hauptquest weiterzukommen. (Na gut, wir können auch einfach alles kurz und klein schlagen, um an das Artefakt zu kommen, aber...) Das wertet die ansonsten schlechte Hauptquest wieder auf. Bei den Nebenquests handelt es sich übrigens sowohl um typische „sammle x von diesen“- oder „töte y von jenen“-Quests, als auch andere, abwechslungsreichere. Diese erzählen oft auch eine viel interessantere Geschichte, als die Hauptquest. Außerdem gibt es nicht selten verschiedene Lösungswege und manche Quests reihen sich zu regelrechten Questbäumen oder schließen sich gegenseitig aus. Das erhöht der Wiederspielwert natürlich enorm.

Das Charaktersystem

Ebenfalls erhöht wird der Wiederspielwert durch das freie Charaktersystem.
Ganz klassisch erhalten wir nach erfolgreichem Kampf Erfahrungspunkte. Haben wir genug davon gesammelt, steigen wir ein Level auf und erhalten Attributs- und Fähigkeitspunkte. Die Attributspunkte können wir dann auf die 4 selbsterklärenden Attribute Stärke, Geschicklichkeit, Leben und Mana verteilen. Bei den Fähigkeiten sieht es ähnlich aus. Manche Fähigkeiten besitzt man schon von Anfang an, andere müssen wir (natürlich gegen ein entsprechendes Endgeld) bei diversen Lehrern erlernen. Danach können wir sie mit Fähigkeitspunkten bis zu einem bestimmten Wert steigern. (Übrigens: Der Skill „aus dem Sattel holen“ bringt es nicht wirklich, da die Entwickler irgendwie keine berittenen Gegner programmiert haben) Die Skills können wir völlig frei wählen. Charakterklassen gibt es nicht. Ein Schwert schwingender Magier ist also ebenso möglich, wie ein Keulen schwingender Dieb. Allerdings bietet es sich aufgrund der unterschiedlichen Resistenzen der Gegner und reiner Praxis an, in allem die Grundlagen zu beherrschen und sich dann auf ein Gebiet zu spezialisieren. Auch der hartgesottenste Krieger braucht einen Bogen und einen einfachen Heilzauber.

Die Magie

...womit wir bei der Magie wären. Die ist nämlich in Two Worlds recht ausgefallen. Es gibt 5 Arten von Magie: Feuer, Luft, Erde, Wasser und Nekromantie. Haben wir den Skill in einer der Magiearten genug erhöht, können wir (immer wieder verwendbare) „Zauberkarten“ eines höheren Ranges nutzen. Die finden oder kaufen wir einfach. Wir können allerdings nur 3 Zauberkarten gleichzeitig ausrüsten, also nur 3 Zauber gleichzeitig verfügbar haben. Der Clou an den Zauberkarten: Haben wir mehrere gleiche Karten, können wir sie in einem Ausrüstungsfach übereinander „stapeln“. Dadurch wird ihre Effektivität stark erhöht, ihr Manaverbrauch wenig. So können wir jede zusätzliche Karte brauchen, haben wir aber das Glück, sehr viele gleiche Karten zu besitzen, werden die Zauber schnell zu stark. Vor dem letzten Patch war es so gut möglich, durch einen (!) Heilzauber mehr Leben zu regenerieren, als wir überhaupt haben. Seit dem letzten Patch wurde der Effekt zwar abgeschwächt, Heiltränke bleiben aber dennoch etwas nutzlos.

Die Item-Sammelsucht

Ähnlich verhält es sich bei den Items. Auch Ausrüstungsgegenstände können wir nämlich „stapeln“.
Das kann zu seltsamen Situationen führen, beispielsweise wenn wir lieber mit einem zwanzigfachen Holzschwert kämpfen, als mit dem brandneuen Stahl-Bidenhänder. Außerdem bringt es natürlich die Balance etwas durcheinander. (Auch dieser Effekt wurde durch den letzten Patch stark abgeschwächt) Der Vorteil der Stapelei ist dennoch klar: Jedes noch so schlechte Item wird für uns potentiell nützlich. Das führt zur Sammelsucht (wenn auch nicht mit Diablo vergleichbar).
Abgesehen von Ausrüstung finden wir in Antaloor auch an jeder Ecke Kräuter, Mineralien und Innereien. All dies kann genutzt werden um mithilfe des Alchemie-Skills Tränke herzustellen. Vorgefertigte Rezepte gibt es keine, die müssen wir uns selbst schreiben. Die Tränke haben meistens heilende oder vorübergehend stärkende Wirkung. Es gibt allerdings auch einige, die die Attribute dauerhaft erhöhen. Auch das kann die Balance verfälschen, es muss aber fairer Weise gesagt werde, dass die Zutaten dafür recht selten sind und man es echt übertreiben müsste.
Außerdem müssen wir schließlich auch geradezu übermenschlich stark sein, es gibt ja auch jede Menge menschliche und nichtmenschliche Gegner zu bekämpfen.

Die Kämpfe

Treffen wir auf solche Gegner kommt es meist sofort zum Kampf. Dafür stehen uns Standartattacken, aktive Skills und die Magie zur Verfügung. Da die Gegner verschiedene Resistenzen gegenüber verschiedener Angriffsarten haben, empfiehlt es sich, je nach Gegnertyp die Waffe zu wechseln. Das (und vielleicht, dass man die Bogenschützen zuerst angreifen sollte) bleibst aber auch das einzige wirklich taktische Element der Kämpfe, wenn man nur passive Skills gesteigert hat. Die Kämpfe funktionieren dann nach dem Motto „Hit n Run“ ganz gut, arten aber schnell in Dauergeklicke aus und machen wenig Spaß. Aktives Blocken gibt es übrigens nicht. Auch der Skill ist passiv. Wer dagegen auf aktive Skills oder Magie gesetzt hat, kämpft deutlich taktischer, wirklich anspruchsvoll wird es aber auch dann selten. Sowohl die Skills, als auch die verfügbaren Zauber werden in einer Quickslotleiste am unteren Bildschirmrand angezeigt. Die ausgewählte Fähigkeit können wir dann bequem mit der rechten Maustaste benutzen. Wir können in Two Worlds übrigens auch vom Pferd aus kämpfen, was zwar mehr schaden macht, aber auch aufgrund der Steuerung sehr schwierig ist. Pferde bleiben daher oft nur wandelnde Kisten (Satteltaschen). Leider gibt es aber auch viele Kämpfe, in denen wir überhaupt nicht taktisch kämpfen können oder müssen. Antaloor ist nämlich übervölkert mit Gegnern, die wir mit einem Schlag umhauen, und Gegnern, die uns mit einem Schlag umhauen. Lediglich in einem eher kleinen Teil der Spielwelt gibt es angemessene Gegner, nämlich offenbar in dem, in dem uns das Spiel haben will. Folgen wir in etwa den Wegen in Richtung unseres nächsten Ziels (der Hauptquest), treffen wir hauptsächlich auf Gegner, die unserem Level entsprechen.

Grafik und Sound

Kommen wir nun zum technischen Teil des Tests:
Die Grafik ist nicht umwerfend, aber ok. Oft sieht Antaloor durchaus hübsch aus. Kleine Makel der Grafik fallen einem nur auf, wenn man sich etwas von zu nah zu genau anguckt. Meist zaubert Two Worlds ein durchaus stimmiges Bild auf den Bildschirm. Die schärfe der Texturen ist gut, die Polygonanzahl ok und auch die Animationen in Ordnung. Was aber auffällt, ist die zu nahe LOD-Grenze und die zu geringe Objektsichtweite (middle-clipping-plain). Man kann deutlich erkennen, in welchem Umkreis Gras dreidimensional wird und oft sieht man Gegenstände oder sogar Gebäude vor sich „aufploppen“. Außerdem wiederholen sich Charaktermodelle zuweilen … aber welches Spiel macht das nicht?
Der Sound ist ebenfalls ganz gut. Wirklich etwas auszusetzen habe ich daran nicht und mir gefällt der Soundtrack.

Fazit

Two Worlds hat eindeutig seine Macken (wie so ziemlich jedes Spiel), aber auch seine Stärken.
Das (ehemals) größte Problem, die schlechte Balance, wurde bereits deutlich verbessert, und die Story der Hauptquest ist zwar nicht umwerfend, es gab aber auch schon schlechtere. Ebenfalls das Kampfsystem hätte etwas mehr feinschliff vertragen können. Dafür wissen das sowohl einfache als auch freie Charaktersystem, die Spielwelt und die Nebenquests zu überzeugen.
Um nochmal auf die ursprüngliche Frage zurückzukommen, ob sich Two Worlds trotz seiner Macken lohnt:
Das muss natürlich jeder für sich entscheiden, aber meine Antwort lautet: Ja




Edit:
Falls ihr euch noch unsicher seid, eine Demo findet ihr hier.
Und wenn ihr es euch downloaden wollt, empfehle ich sehr die Two Worlds (Epic Edition) auf GOG für nur $9.99!


Wertung
Pro und Kontra
  • Grafik: oft recht hübsch
  • Sound: schöner Soundtrack
  • Balance: sehr verbessert durch letzten Patch
  • Atmosphäre: stimmige Atmosphäre
  • Bedienung: einfache Bedienung
  • Umfang: große Welt, viele Quests, hoher Wiederspielswert
  • Quests / Handlung: viele, gute Nebenquests
  • Charaktersystem: einfaches, freies Charaktersystem
  • Kampfsystem: einfach
  • Items: viele Items, alle brauchbar
  • Grafik: geringe Objektsichtweite
  • Sound: nichts besonderes
  • Balance: ...aber immer noch Probleme
  • Atmosphäre: -
  • Bedienung: schwammige Pferdesteuerung
  • Umfang: -
  • Quests / Handlung: schwache Hauptquest
  • Charaktersystem: ein unnötiger Skill
  • Kampfsystem: nicht sehr taktisch
  • Items: verursacht Balanceschwierigkeiten

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

genau richtig

Bugs:

Nein

Spielzeit:

Mehr als 40, weniger als 100 Stunden



Kommentare(10)
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