Im Kampfe gegen sich selbst

Der Titel, welchen ich in dieser Rezension teste, ist ein Shooter, welcher vor drei Jahren sehr große Aufmerksamkeit erregte. Wolfenstein: The New Order,...

von Bakefish am: 30.04.2017

Der Titel, welchen ich in dieser Rezension teste, ist ein Shooter, welcher vor drei Jahren sehr große Aufmerksamkeit erregte. Wolfenstein: The New Order, ein weiterer Ableger der unter Shooterfans sehr bekannten Serie, welcher eine alternative Geschichte erzählt und dennoch getreu der Serie eine Menge Oldschool-Feeling bieten soll, Ballern von der alten Schule und all den Kram, der damit zusammenhängt.

Da ich viele ältere Shooter gespielt habe, konnte der Shooter auch meine Aufmerksamkeit erhalten. Wolfenstein? Kenne ich, habe ich auch einige ältere Titel gespielt. Mit retrofuturistischen Waffen auf Nazis ballern? Immer doch! Einige Monate nach dem Erscheinen probierte ich das Spiel dann einmal aus. Jetzt mit meinem neuen PC habe ich das Spiel dann noch einmal getestet und… ja, ich sage es gleich. Ich bin etwas enttäuscht von dem Spiel. Warum es dennoch einen Blick wert sein könnte, lest ihr im folgenden Test.

Mit einem heulenden Grinsen

 

„Wolfenstein: The New Order“ (ich werde es jetzt nur noch TNO nennen) erzählt eine alternative Geschichte. Der zweite Weltkrieg hat ab einem bestimmten Moment eine entscheidende Wendung genommen, als die Nazis (pardon, in der deutschen Version heißen sie ja „das Regime“) unter dem Kommando von General Wilhelm „Totenkopf“ Strasse mithilfe diverser Wunderwaffen den Kriegsverlauf komplett zu ihren Gunsten verdreht haben. Die Alliierten können den haushohen Maschinen, Roboterhunden und Supersoldaten nichts entgegensetzen. Im Jahre 1946 kommt es zum Entscheidungsschlag, ein letzter verzweifelter Angriff direkt auf Totenkopfs Festung soll alles umdrehen. Mit dabei: Wir als Captain William „B.J.“Blazkowicz. Der Gute hat noch eine persönliche Rechnung mit dem Totenkopf offen. Doch es passiert, was passieren musste, der Angriff schlägt fehl, eine ziemlich persönliche Begegnung mit Totenkopf wirkt sich auf das restliche Spiel aus, dann die Flucht, B.J. kriegt dabei einen fetten Splitter in den Kopf und verfällt in Schockstarre.

Als er 14 Jahre später wiedererwacht, sind seine Albträume bittere Realität geworden. Die Nazis haben gewonnen. Die ganze Welt ist unterjocht, China und Japan sind Marionettenstaaten, die USA wurden mit Atombomben zerstört. Die Bevölkerung wird durchgängig überwacht, Andersdenkende oder „Untermenschen“ werden in eigene Stadtteile gesperrt oder in Arbeitslagern untergebracht, wenn nicht gleich euthanasiert. Doch B.J. lässt sich davon nicht beirren. Kurzerhand flieht er mit der Krankenschwester Anya aus dem Pflegeheim und schließt sich dem bewaffneten Widerstand an.

Diese Zwischensequenzen sind immer toll gemacht und wirken sehr filmisch.

 

Jetzt geht es darum, den Nazis so richtig in ihre arischen Eier zu treten und auch gleich herauszufinden, wie sie es überhaupt schaffen konnten, solch gewaltige technologische Fortschritte zu erzielen, ständig im Hinterkopf behaltend, dass der gute Totenkopf auch noch sein Fett wegkriegen soll…

Das Grundkonzept der Geschichte ist sehr interessant. Die Nazis haben gewonnen- was passiert danach? Wie sieht die Welt nun aus? Die Antworten, welche uns TNO liefert, sind eben das, was man erwartet. Grässlich. Furchterregend. Angsteinflößend. TNO schmeißt die Grausamkeit der Nazis mit voller Wucht in das Gesicht und macht sich nicht die Mühe, irgendwas schönzureden. Die Härte der Nazis gegenüber allen Andersdenkenden, die Verzweiflung und der Hass auf Seiten der Rebellen, diese starken Emotionalitäten machen sehr, sehr viel aus und hinterlassen ein kaltes und beklemmendes Gefühl. TNO zeigt damit auf eine Art und Weise etwas, was sehr viele von uns niemals erleben wollen und gleich auch, warum viele es so nicht erleben wollen. Es macht keinen Hehl daraus, wie schlimm solch ein Regime sein kann und nimmt dem Spieler gegenüber keine Rücksicht. Das mag einigen zu hart inszeniert sein, mir hat es aber sehr gut gefallen.

Der Großteil der Geschichte wird dabei in vorgerenderten Zwischensequenzen erzählt, die durch die Kameraperspektive sehr filmisch und auch durch die ganz gut geratenen Monologe sehr atmosphärisch wirken. Die Charaktere haben dabei alle ihre eignen Motive und kleinen Geschichte und werden größtenteils gut beleuchtet.

Das trifft allerdings nicht auf die Bösewichte zu. Es gibt neben Totenkopf noch einige weitere Bösewichte, denen B.J. immer wieder begegnet. Doch wirklichen Hintergrund erhalten diese nicht, abseits vom typischen „Ihr seid Untermenschen und dafür müsst ihr leiden!“ gibt es nicht viel, was hinter ihren Persönlichkeiten steht. Bei Totenkopf selbst war das am schlimmsten, hat er mich auf sehr groteske Art und Weise an Deppie Dave erinnert, denn das Einzige, was er im gesamten Spiel vermittelt, ist der Satz „ICH BIN IRRRRREEE!“.

Ja, das ist Totenkopf. Den werden wir nicht so schnell wiedersehen.

 

Ich erwarte nicht, dass man die Nazis als die liebsten Menschen der Welt darstellt, das wäre einfach falsch. Aber hey, man hätte doch mal zeigen können, wie diese Menschen das wurden, was sie sind, warum sie so ticken und wie sie sich im Laufe der Zeit immer mehr dem Bösartigen und Wahnsinnigen zuwandten. Zu selten bekommen wir sie im Spiel zu Gesicht, zu selten treten sie tatsächlich einmal in Erscheinung, wodurch sie nicht wirklich wie die Drahtzieher hinter all diesen Dingen wirken, sondern eher wie irgendwelche bösen Wesen, die halt hin und wieder mal da sind und dann wieder nicht. Da wäre mehr gegangen.

Nicht nur diese Sache hat mich an der Geschichte gestört. TNO hätte so eine tolle, ernsthafte Geschichte werden können, wäre da nicht dieser unsinnig hohe Trashgehalt. Ob man sich an dieser Stelle an den alten Titeln orientiert hat („Hmm, that’s a tasty sauerbraten!“), das weiß ich leider nicht. Es tut dem Spiel jedenfalls nicht gut, wenn B.J. einen ewigen, von Selbstmitleid zerfressenen Monolog von sich gibt und gleich in der Minute darauf fett grinsend einen Nazioffizier mit einer Kreissäge verhört. Oder wenn er mit Anya so heftig zur Sache kommt, dass die Wände beben. Oder ein Roboter sich über sein deckungsfreudiges Verhalten lustig macht und sarkastisch bemerkt, dass er es als Feigheit registriert habe. Oder… nein, das waren genug Beispiele. Es tut dem Spiel jedenfalls nicht gut, dass diese zwei völlig konträren Elemente vorhanden sind. Und schon gar nicht, wenn sie so abrupt ineinander übergehen. Man konnte sich an dieser einfach nicht entscheiden und hat beides eingeworfen. Das funktioniert aber nicht.

Die Anzahl an Nebencharakteren bleibt überschaubar, diese sind aber umso besser gestaltet.

 

Gegen Ende nimmt die Geschichte dann an Fahrt auf, allerdings viel zu schnell. Teilweise kommt man mit den schnellen Szenenwechseln gar nicht mehr richtig mit, alles wirkt viel zu gehetzt und dadurch auch etwas unlogisch.

Zuletzt noch etwas zu der Entscheidung, die man am Anfang des Spiels propagiert hat und die als so einflussreich auf das weitere Spiel angepriesen wurde- vergesst das. Abgesehen von einigen kleinen Zwischensequenzen, einem Minispiel, einem Collectible und ein oder zwei Nebencharakteren bekommt man nichts von dieser Entscheidung mit. Den Wiederspielwert steigert es auf keinen Fall.

Was bleibt am Ende? Eine Geschichte, welche gut, teilweise sehr gut erzählt ist. Die Entwicklung, die Charaktere, das fesselt, das lässt erschaudern, das wartet mit der einen oder anderen überraschenden Wendung. Doch oft schießt sich das Spiel mit nicht bis ans Ende gedachten Ansätzen oder merkwürdigen Designentscheidungen selbst ins Knie.

Ruhe und Bleigewitter

 

Aber genug davon geredet, TNO ist doch solch ein oldschool-lastiger Shooter, wer braucht da schon die Story? Und somit gibts Action im Spiel, bis alle Sinne überlastet sind. B.J. bewegt sich dabei in Ego-Ansicht durch lineare Korridore, welche regelmäßig aber auch mal Alternativpfade, kleine Verstecke und Sammelgegenstände bieten. Auf so etwas wie Wegpunkte wurde verzichtet, TNO bedient sich hierbei einer Karte. Anfangs muss man vieles selbst erkunden, doch wenn man die Augen etwas offener hält, findet man eine komplette Karte und damit findet man vieles wesentlich einfacher, das betrifft nicht nur das Ziel, sondern auch diverse Geheimnisse, die überall versteckt liegen. Den Zielpunkt erreicht man dennoch relativ simpel, die Korridore führen immer an einen bestimmten Ort. Das Spiel zwingt also nicht dazu, dass man offen das ganze Level absucht, es lohnt sich aber, findet man dabei doch wertvolle Munition, Panzerung oder sogar Sammelgegenstände. Dazu später mehr.

Typische Shooterlogik- fette Feinde erfordern fette Waffen.

 

Natürlich sind diese Level mit diversen Feinden gespickt. Oft sind es nur simple Wehrmachtssoldaten, gepanzerte Kampfhunde und Offiziere. Der Teufel liegt hier aber im Detail. Sehr oft wird B.J. die Wahl gelassen, ob er nun schleicht oder mit wildem Geballere draufloszieht. Das bedeutet, dass man entweder mit schallgedämpfter Pistole und Messer oder mit zwei Sturmgewehren auf einmal draufloszieht. Wichtig ist dabei aber immer eins: Der Offizier sollte zuerst dran glauben. Diese Typen können selbst zwar nicht viel Schaden austeilen, aber Verstärkung rufen. Und noch mehr Feinde sind selten gut. Zumal sie mit der Zeit auch immer mächtiger und stärker werden. Einfache Soldaten sind das Eine, doch dick eingepackte Elitesoldaten mit Schrotflinten sind schon ein ganzes Stück gefährlicher und wenn dann auch noch ein Supersoldat mit Laser-MG ankommt, wirds richtig ekelhaft. Von den Robotern ganz zu schweigen, hier braucht man stärkere Wummen. Die Gegnervielfalt geht in Ordnung, man hätte sich aber auch ein paar mehr ausdenken können.

Die KI ist beim Kämpfen solide geraten, hin und wieder stürmten sie zwar mal doof nach vorn, aber größtenteils haben sich die Gegner klug verhalten, sie agieren flink, versuchen zu flankieren, schmeißen Granaten, geben sich gegenseitig Deckung und so weiter. Doch so klug die Gegner beim Kämpfen sind, so unfassbar blöde sind sie, wenn man schleicht. Ich kann mich nur wenige Meter von ihnen entfernt durch eine halbschattige Region begeben oder direkt neben ihnen mal fix aus der Deckung huschen und die einzige Reaktion ist ein „Was zum Teufel?“. Und spätestens dann, wenn sie munter weiter ihre Routen ablaufen, obwohl direkt neben ihnen ein Kollege, den ich gerade abgemurkst habe, liegt und alles vollblutet, dann kann ich nur mit dem Kopf schütteln. Das verkehrt die Schleichpassagen teilweise ins komplett Absurde. Das ist anfangs noch lustig, später aber nur noch beschämend.

Aber erst einmal zurück zu den Kämpfen. Wenn es dann hart auf hart kommt, müssen die richtigen Schießprügel ausgepackt werden. B.J. kann dabei auf ein Arsenal an Waffen wie einem Sturmgewehr, einer Schrotflinte, einem Scharfschützengewehr und ein paar Nebenwaffen die Granaten, Messern und Pistolen zurückgreifen. Ab einem bestimmten Zeitpunkt im Spiel erhält er dann auch das „LKW“, auch „Laserkraftwerk“ (was von der Logik her nicht so heißen dürfte, denn „Laser“ ist doch eine englische Abkürzung...), welches praktisch einer Railgun am nächsten kommt, über Energiequellen aufgeladen wird und im Laufe des Spiels mit überall in den Leveln verteilten Upgrades immer weiter aufgemotzt werden kann. So ziemlich jede Waffe hat noch einen Alternativmodus, das Sturmgewehr besitzt beispielsweise einen Unterlaufraketenwerfer oder die Schrotflinte einen „Schrapnellmodus“. Doch trotz dieser Alternativmodi wird schnell offensichtlich, dass die Grundauswahl an Waffen im Spiel eigentlich extrem klein ist. Anfangs kaschiert das Spiel das noch geschickt mit dem System, dass B.J. fast jedes Level mit keiner oder nur sehr wenig Ausrüstung betritt und dann immer weiter aufmunitioniert, doch das führt nur zu einem weiteren Problem, denn wenn das bei gefühlt jedem Level so passiert, wird es repetitiv. Okay, ich kann nicht erwarten, dass ich in einem KZ als Häftling mehrere Wummen im Gepäck habe und das niemand mitbekommt. Doch muss ich ein schwer bewaffnetes U-Boot wirklich mit nur einer Schrotflinte betreten? Das wirkt der Immersion nicht sehr zuträglich.

Hat man mal die Munition, kanns auch mal mit doppelter Feuerkraft raufgehen. Solch ein Vorgehen wie dieses hier endet aber schnell im eigenen Tod. Schließlich hat unser Gegenüber ein Laser-MG.

 

Dafür machen die Ballereien umso mehr Spaß. Mittels eines Deckungssystems arbeitet man sich praktisch Schritt für Schritt durch die Level und legt einen Feind nach dem anderen um. Als Hilfe im Kampf hat man neben den Waffen noch Rüstung und Gesundheitsregeneration, die immer einen Teil der Punkte regeneriert. Außerdem gibt es ein Perksystem, welches diverse Dinge freischaltet, wenn man bestimmte Anforderungen dafür erledigt hat. Hat man beispielsweise fünf Feinde lautlos ausgeschaltet, kann man Messer auch werfen. Oder wenn man 40 Feinde per Kopfschuss tötet, zieht man Waffen schneller. Alles nichts Weltbewegendes, es kann auch motivieren, dass man auch mal verschiedene Vorgehensweise im Spiel wählt, allerdings hätte dieses System nicht unbedingt sein müssen, bei manchen Perks hatte ich den Verdacht, dass es einfach Features sind, welche rausgeschnitten wurden und dann freigeschaltet werden müssen. Es wirkt eher so, als hätte man es nur reingepackt, damit es auch heutige Zocker anspricht. Auffallend modern…

…fehlt da aber jetzt nicht irgendwas?

 

Puh, Überleitung hat geklappt. Ja, wenn man es zwischen den Zeilen des letzten Absatzes herausgelesen hat, mag man sich nun eine Frage stellen: Wo bleibt da jetzt der oldschoolige Teil? Die Antwort ist so simpel wie ernüchternd: Es gibt fast keinen. Rüstungspunkte, Collectibles in den Leveln, eine Karte statt Wegpunkte und sogar ein Easteregg, welches an einen alten Teil erinnert. Ja, das mag noch etwas altmodisch sein. Doch der ganze Rest ist es definitiv nicht. Es gibt ein (unnötiges) Perksystem, Waffenupgrades, Gesundheitsregeneration (inklusive Perk, der sie auch noch beschleunigt) und selbst, wenn man von all diesen Dingen absieht, ist das Gameplay viel zu langsam und deckungsorientiert, als dass man hier von irgendwas Klassischem oder Oldschooligem reden könnte. Die Option, stumpf mit zwei Knarren draufzuhalten, kann man schon bald vergessen, denn dafür gibt es im Spiel einfach nicht genug Munition, gegen Ende kommen immer und immer mehr Gegner und gerade auf den höheren Schwierigkeitsgraden (ja, ich habe auch den schwersten gespielt) beißt man dann schneller ins Gras, als man „Blondi!“ brüllen kann. Man wird fast schon dazu gezwungen, die Schleichalternative zu wählen und immer nur ganz vorsichtig und langsam vorzugehen.

Solche Moorhuhnsequenzen sind zum Glück optimal. Meistens.

 

Ist das alles schlecht? Nein. Die Action hat wirklich Spaß gemacht, denn es ist Dynamik da, die Action ist saftig und hart. Die Spielmechanik von TNO liegt ein ganzes Stück über dem Durchschnitt. Doch wie es den Ruf einer Oldschool-Wiedergeburt erhalten konnte, erschließt sich mir an dieser Stelle irgendwie nicht. Es war an der Stelle eindeutig mein Fehler, dass ich dem geglaubt habe, daher sage ich es jetzt im Fazit zum Gameplay noch einmal deutlich.

Wenn man Spaß an satter Action hat, welche modern gehalten ist, richtig kracht und auch nach mehreren Stunden noch super motivieren kann, dann ist TNO perfekt geeignet. Doch die Schleicheinlagen, wenigen Waffen und Gegner trüben diesen Spielspaß etwas, auch die Tatsache, dass fast jedes Level nach demselben Prinzip abläuft, ermüdet auf Dauer etwas. Und die Schleicheinlagen sind auch nicht gerade super. Das alles hat keinen so großen Einfluss auf das Spielen, wie es jetzt erscheinen mag, doch irgendwann fallen einem diese Dinge auf.

Von Verzweiflung und Lachern

 

Von seiner Atmosphäre her schlägt TNO in die Kerbe, welche auch vorhin bei der Handlung beschrieben habe.

Die Charakterisierung ist größtenteils sehr gut gelungen und auch die Grundstimmung des Spiels ist ziemlich gut gemacht. Alles erstickt im Stahl und Superbeton, Plakate, auf denen Sprüche wie „Einheit duldet keine Abweichler!“ stehen, untermalen die gleiche und massive Einöde und diverse Zeitungsartikel der Jahre zuvor und auch Briefe, welche man finden kann, geben dem Spiel so einiges an Tiefe und Hintergrund. Die Emotionalitäten sind an dieser Stelle großartig umgesetzt, man fühlt sich fast schon kalt, während man das Spiel spielt, man kann praktisch herauslesen, wie die Entschlossenheit des Widerstandes immer mehr der Ernüchterung und Hoffnungslosigkeit gewichen ist. Ich hätte mir an manchen Stellen aber etwas mehr gewünscht, dass man auch mehr vom Alltag der gewöhnlichen Bürger mitbekommt, denn gerade hier hätte das Spiel sehr viel rausholen können. So wirkt das ganze Szenario ein wenig belanglos, denn abgesehen von ein paar irgendwo in der Spielwelt verstreuten Zeitungsartikeln kriegt man dadurch auch kaum das Gefühl vermittelt, als wäre das, was man tut, in irgendeiner Weise relevant. Das fällt beim Spielen nicht häufig auf, aber es ist verschenktes Potential.

Diese Szene mag ganz spannend und atmosphärisch wirken, ist aber extrem absurd und logikfrei.

 

Und auch hier macht sich der Trashfaktor negativ bemerkbar. Es nimmt dem Spiel Authentizität, wenn das Spiel in einem Moment so furchtbar ernst und melancholisch rüberkommt und darauf plötzlich alles ins Absurde führt, indem ein solcher Trash dazukommt. Das kann man sich auch beim besten Willen nicht mit irgendwelchem Zynismus erklären, es ist einfach albern und der Geschichte nicht wirklich angemessen. Hier hätte man sich klar für eine Seite entscheiden sollen.

Es bleibt letztendlich dabei, dass der Großteil der Atmosphäre wirklich gut gestaltet ist. Doch mit dem unnötigen Trashanteil schießt sich das Spiels selbst ins Bein.

Zuletzt noch etwas zur Zensur: Ich bin überhaupt kein Freund von zensierten Spielen. Die Hakenkreuze wurden entfernt und es ist lediglich nur noch die deutsche Synchronisation zur Verfügung gestellt, in welcher auch nicht mehr von den Nazis geredet wird, sondern nur noch vom „Regime“. Ich finde diese Zensur völlig unnötig und affig. Die deutsche Synchronisation macht ihren Job ziemlich gut, aber dass ich nicht in der Lage bin, das Spiel auf Englisch zu spielen, nur weil ich aus Deutschland komme… ich bin jemand, der Spiele sehr gerne mit der ursprünglichen Synchronisation spielt, und da tut so was gleich doppelt weh. Daher wird die Zensur negativ in die Wertung einfließen.

Ärgernisse und Augenweiden

 

Das Spiel wurde mit zwei verschiedenen Systemen getestet:

Laptop (i5-2500M, 6 GB DDR3-RAM, Geforce GT 540M mit zwei GB DDR3-VRAM)

und

Standrechner (i7-6700k ohne Übertaktung, 16 GB DDR4-RAM bei 2133 Mhz, KFA2 Geforce GTX 1070 mit acht GB GDDR5-VRAM)

 

Zuerst ein paar Sachen zur Grafik. Was mir an dem Spiel sehr, sehr gut gefallen hat, ist das Leveldesign bzw. die Levelgestaltung. Die Level sind sehr gut detailliert und voller kleiner Sachen, wirken dadurch ziemlich lebendig und „gut gefüllt“. Auch sehr gut: Ständig wechselten die Schauplätze. Ob die Katakomben Berlins, eine riesige Brücke, eine Wachstation nachts bei Regen oder sogar die Mondoberfläche, das alles ist sehr, sehr hübsch gestaltet worden und trägt viel zur Abwechslung bei. An manchen Stellen hätte es auch etwas weniger Beton sein könne, aber das ist Meckern auf einem sehr hohen Niveau.

Insgesamt ist die Grafik aber eher zweckmäßig als wirklich begeisternd. Als Grafikmotor wird die id-Tech-5-Engine verwendet, welche durch ihre Megatexturen auch die sehr abwechslungsreich gestalteten Level erklärt. Die Charakter- und Waffenmodelle sind sehr gut gestaltet und wirken sehr authentisch, die Animationsqualität kann überzeugen. Die Partikeleffekte sind allerdings etwas altbacken, die Texturqualität auch nicht sonderlich überzeugend und an manchen Stellen hätte das Spiel auch wirklich etwas Kantenglättung vertragen können, da die Kanten sehr oft extrem verpixelt sind. Das Problem der nachladenden Texturen (ein relativ häufig vorkommendes Problem bei der id-Tech-5-Engine) konnte ich noch auf dem Laptop nachvollziehen, bei meinem Standrechner kam es allerdings nicht mehr vor (zumindest habe ich nichts wahrgenommen).

Hier zeigt das Spiel sich von seiner schöneren Seite. Der Bleigehalt könnte aber niedriger sein.

 

Allgemein ist die Performance des Spiels bei halbwegs aktueller Hardware ganz gut, abgesehen von ein paar Framedrops lief das Spiel immer flüssig bei 60 fps und auch stabil. Solche Technikprobleme, mit welchen das Spiel am Anfang zu kämpfen hatte, kann ich also nicht bestätigen. Auch sollte bei aktueller Hardware die Auslastung des Systems eher gering ausfallen, CPU, Grafikkarte und RAM haben sich beim Zocken eher gelangweilt, selbst mit maximalen Details.

Optisch hat man aber auch schon Besseres gesehen.

 

Störend waren da die kleineren, aber umso nervigeren Sachen. Das Speichersystem empfinde ich als alles andere als berauschend. TNO speichert automatisch, eigene Speicherstände fallen damit also flach. Die Speicherpunkte sind manchmal aber sehr schlecht gesetzt. Manchmal muss man nach dem Neuladen noch Scriptsequenzen ansehen, dann sind die Abstände manchmal viel zu groß. Auch kann man nur einen Spielstand gleichzeitig am Laufen haben. Und wenn es dann mal wieder vorkam, dass diverse Items nach Neuladen eines Spiels einfach verschwunden waren und auch die Waffen in meinem Inventar plötzlich weniger Munition als vorher hatten… in den Momenten hätte ich die Tastatur in den Bildschirm schmeißen können. Von diesem Bug und einigen kleinen Grafikfehlern mal abgesehen lief das Spiel aber ganz rund.

Somit ist die Technik auch größtenteils ganz gut geraten, die Grafik ist in Ordnung, die Steuerung geht gut von der Hand (abgesehen vom Waffenrad), das Spiel kann mit vielen Details überzeugen. Doch Speichersystem und ein paar wenige, aber dafür umso nervigere Bugs haben den Spielspaß dann doch etwas getrübt.

Ein zweischneidiges Schwert

 

Ja, genau das ist TNO. Es hat so viele Sachen, welche mich begeistern konnten. Eine alternative und sehr düster erzählte Geschichte. Fette und motivierende Action. Cool designte Level voller Geheimnisse. Eine lange Kampagne voller toller Schauplätze und cool designter Charaktere und noch ein paar weitere Aspekte. Doch an viel zu vielen Stellen macht sich das Spiel seine Vorsätze selbst kaputt. Die Geschichte könnte perfekt sein, wäre da nicht dieser total blödsinnige Trash. Das Gameplay wäre spitze, wären da nicht das Perksystem, eine KI mit Totalaussetzern und viel zu wenige Waffen. Der mangelnde Oldschool-Aspekt, der immer gleiche Levelablauf, eine irrelevante Entscheidung, Bugs und noch mehr.

Ich hatte viel Spaß mit dem Spiel. Doch auch viele Frustmomente. Zu oft hat man hier Ansätze nicht bis ans Ende gedacht oder zu viel eingebracht, was sich letztendlich im Wege stand.

Hat man an fetter Action mit ruhigen Zwischenpassagen viel Spaß und fährt man auf alternative Geschichten ab, dann kann ich das Spiel nur weiterempfehlen. Doch wer viel auf kleine Details achtet (und ich rede hier nicht von der Grafik) bzw. die Oldschool-Wiedergeburt des Jahrhunderts erwartet, dem rate ich von diesem Spiel ab.

Es tut mir weh, dass ich dem Spiel am Ende nur eine Wertung von 77 Punkten gebe. Und ich möchte das Spiel an dieser Stelle auch nicht madig reden, denn im Kern ist es immer noch ein toller Shooter, vielleicht sogar einer der besten der letzten Jahre. Doch eine Wertung im 80er-Bereich ist so nicht drin, dafür hat es einfach zu viel falsch gemacht. Das Add-On „The Old Blood“ macht hier einige Aspekte vielleicht etwas besser… und vielleicht gebe ich ihm daher noch eine Chance.


Wertung
Pro und Kontra
  • Größtenteils ernst gemeinte und gut inszenierte Handlung...
  • Toll inszenierte Charaktere...
  • Abwechslungsreiche und sehr detaillierte Level...
  • Satte Action...
  • In Kämpfenkluge KI...
  • Cool designte Waffen und Gegner...
  • Lange Spielzeit
  • zusätzliche Spielmodi sowie Sammelgegenstände
  • ...die aber mit unnötigen Trashanleihen verbunden wurde
  • ...was aber nicht auf die Bösewichte zutrifft
  • ...die aber fast alle nach demselben Prinzip ablaufen
  • ...ohne Oldschoolaspekt
  • ...die in Schleichpassagen aber umso dümmer wirkt
  • ...von denen es viel zu wenige gibt
  • Entscheidung am Anfang hat praktisch keinen Einfluss aufs Spiel
  • Bugs sowie Speichersystem
  • Zensur

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

genau richtig

Bugs:

Nur sehr wenige

Spielzeit:

Mehr als 20, weniger als 40 Stunden



Kommentare(3)
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