Mit Quicktime-Events zur Überlebenslegende

Tomb Raider. Kein anderer Name steht innerhalb der Gaming-Welt so für Entdeckung, mysthische Geheimnisse und wertvolle Artefakte aus längst...

von Weltensohn am: 30.06.2015

Tomb Raider. Kein anderer Name steht innerhalb der Gaming-Welt so für Entdeckung, mysthische Geheimnisse und wertvolle Artefakte aus längst vergangenen Zeiten. Zahlreiche "Klone" sind auf Basis dieses Spiels entstanden, die das Spiel größtenteils um neue Ideen sinnvoll erweiterte, ein Beispiel wäre hierfür Sony's Uncharted-Reihe. Was viele der Neuschöpfungen vom Original abhob, waren glaubhafte Charaktere und eine kinoreife Inszenierung. Nun liegt es also an Lara Craft, am unangreifbaren, unfehlbaren, alles erreichenden Original, nachzulegen. Gelingt dieser Spagat aus erkundungsreichem Abenteuer und atmosphärischer Geschichte?

 

 

Handlung und Spielzeit

Wie von der Serie gewohnt schlüpft man in die Rolle von Lara Croft. Doch halt - diesmal ist etwas anders! Weder präsentiert sie sich dem Spieler als spitz-bebrüstetes Supermodel, welches jegliche Herausforderung problemlos meistert, noch sucht sie (zumindest primär) nach alten Gräbern und verschollenen Artefakten, ohne eine eigene Persönlichkeit zu entwickeln. Die Schreiber bei Crystal Dynamics haben alle Arbeit geleistet, um erstmals eine glaubhafte Lara zu zeigen, die - besonders zu Beginn - nicht diejenige ist, die man aus den älteren Serienablegern kennt.

Ganz im Gegenteil, es könnte nicht unterschiedlicher sein: Lara schreit, müht sich ab, leidet und heult in jeder nur erdenklichen Situation, ohne an Glaubhaftigkeit einzubüßen. Das liegt auch an der fantastischen deutschen Synchronisation. Zwar finde ich, dass die Stimme von Nora Tschirner etwas zu "kindlich" für Lara Croft klingt, doch dies mindert auch für mich nicht den Spielspaß, ganz im Gegenteil, zu Beginn dient es gar der Immersion ungemein.

Doch halt! Worum geht es denn nun genau? Nun, hier ist der erste (wenn auch beinahe unbedeutend kleine) Haken des geistigen Neustarts der Serie: die Geschichte selbst trumpft nur gegen Ende mit denkwürdigen Momenten auf, aufgrund der flotten Schnitte und des raschen Fortschrittes innerhalb der Handlung fehlt oft das "Wirkenlassen", da man sich häufig von einem Punkt zum nächsten gehetzt (und gleichzeitig - dank dem oft linearen Leveldesign - diktiert= fühlt. Die Ausgangsituation, die dem Spieler die unerfahrene, fast schon naive Lara erstmals erleben lässt, ist folgende:
Lara, eine junge, unerfahrene Archäologin, befindet sich auf dem Schiff "Endurance". Mit ihr an Bord sind unter anderem der berühmte Wissenschaftler Whitman, der sich besonders durch das Fernsehen weltweiten Ruhm erarbeitet hat, Sam, eine Freundin Laras und Roth, der Kapitän des Schiffs, sowie einige weitere Teilnehmer der Expedition. Ihr gemeinsames Ziel ist es, die sagenumwobene Insel Yamatai zu finden, welche Lara im Drachen-Dreieck vermutet. Gegen den Rat von Whitman entscheidet sich der Kapitän und Laras Mentor, ihrem Bauchgefühl zu folgen. Die "Endurance" gerät allerdings in einen Sturm und die Truppe strandet an einer der Inseln im Drachen-Dreieck. Da sie getrennt werden, ist es fortan Laras Ziel, die Gruppe wieder zusammenzubringen und gleichzeitig die mysteriöse Insel zu untersuchen.

Die Geschichte ist durchwegs berechenbar, aufgrund der rasanten und absolut kinoreifen Inszenierung aber vergeht die Spielzeit wie im Flug. Große "Oho"-Momente findet man aber leider erst gegen Schluss, das fulminante Finale hat es nämlich durchaus in sich. Leider hat man das aber auch schon nach rund 7 Stunden gesehen, wenn man keinerlei Erkundung betreibt. Ich selbst habe etwa 9,5 Stunden gebraucht und habe in der Zeit (laut dem Spiel) 79% insgesamt erkundet/abgeschlossen. Deshalb würde ich das Spiel - soviel vorneweg - nur im Angebot (es ist regelmäßig für etwa 5€ in Steam-Sales zu haben) kaufen, was ich zum Glück auch dieses Jahr im Summer Sale gemacht habe.

 

Gameplay, Items und Skills

Das Spiel verläuft durchwegs sehr ähnlich: auf eine (meist actiongeladene) Cutscene folgt ein kleiner begehbarer Bereich, der mal offen, mal linear gestaltet ist. Unterbrochen wird das freie Gameplay immer wieder durch Quicktime-Events, sei es beim Klettern ("E-Drücken zum Greifen" - wenn man sich nur mit einer Hand festhalten konnte anstatt mit zwei) oder in Kämpfen ("Drücke F, um den Feind mit deinem Beil zu schlagen"). Manche dieser Quicktime-Events während Kämpfen sind allerdings in Form von Finishern und fallen somit nicht so stark ins Gewicht.

Lara verfügt im Verlauf der Geschichte über gesamt vier Waffen: während ihr zu Beginn lediglich ein einfacher Bogen zur Verfügung steht, wird ihr Arsenal im Verlauf des Spiels immer weiter erweitert, so kommen eine Pistole, eine Schrotflinte und ein Gewehr hinzu. Letzteres erhält im Spielverlauf auch noch einen Granatenwerfer.

Wofür dienen aber jetzt diese Waffen? Erstmals, man kann Tomb Raider sowohl aggressiv spielen, indem man wie Rambo kopflos in einen Haufen Gegner hineinläuft und alles und jeden abknallt, oder beinahe schon wie ein Schleichspiel, etwa, wenn man Tiere jagt, die bei Geräuschen sofort weglaufen, oder Gegner aus dem Hinterhalt ausschalten möchte. Interessanterweise kommentiert Lara das Töten der Gegner nicht, es wirkt für sie gleichgültig. Dies passt nicht vollständig zum Image der "unerfahrenen, armen Lara", welches das Spiel zu Beginn deutlich zeichnen möchte.

Die Waffen kann man aber auch upgraden - so wie auch seine persönlichen Fertigkeiten. Das Upgraden der Waffen passiert z.T. automatisch, beispielsweise, wenn man bessere Waffen (z.B. ein Sportbogen statt des selbst zusammengeflickten Holzbogens) findet, oder manuell, indem man gewisse Modifikationen aus gefundenem Material craftet. Das Crafting ist hier allerdings extremst einfach gehalten, alles besteht aus dem gleichen Material, man benötigt lediglich genug davon. So kann man beispielsweise Visiere verbessern oder stärkere Läufe hinzufügen.

Das Finden von Material ist schon einfach, noch vereinfacht wird es aber durch die Skills, die Lara nach und nach freischaltet. So kann sie später beispeilsweise aus jedem erlegtem Tierkörper oder aus jedem getöteten Gegner bis zu 35 Stück dieses Materials herausschneiden. Wenn man bedenkt, dass Modifikationen zwischen 200 und 600 kosten, wird klar, dass die Wartezeiten auf neue Items nicht wirklich lange sind.

Die Skills dienen weiterhin auch der glaubhaften Entwicklung von Laras Persönlichkeit. Insofern gefiel mir die Implementation dieser extrem gut, da Lara mit jedem Skill zu einer mutigeren, besser ausgebildeteren Überlebenskünstlerin wird, auch wenn die Skills für sich genommen sogar für Standardkost noch zu uninspiriert wären. Aber dem Spiel gelingt es bravurös, diesen Faktor einfach zu überspringen.

Crafting funktioniert nur an vorgegeben Camps (diese bestehen meist aus einem Lagerfeuer). Dort wird auch geskillt. Ansonsten dienen die Camps nur als eine Art Zwischenspeicherpunkt, da aber ohnehin nach jeder Cutscene gespeichert wird, fällt das nicht weiter ins Gewicht. Denn ja, man sieht in Tomb Raider OFT Cutscenes, ich würde sogar soweit gehen und behaupten, dass Cutscenes gut 35% der Spielzeit (bei raschem Voranschreiten) ausmachen.

Übrigens: die Steuerung ist am PC richtig gut und knackig gelöst!

 

Leveldesign

Nun zu einem weiterne Knackpunkt des Spiels: ein Tomb Raider ohne Gräber sollte eigentlich nicht diesen Namen tragen. Streng genommen gibt es natürlich erkundbare Gräber, so gut wie in jeder größeren Umgebung eines, allerdings dauert die Erkundung dieser gerademal zwei bis fünf Minuten. Auch das Schema ist immer gleich - zu Beginn gilt es, ein Rätsel zu lösen, danach meist eine kleine Geschicklichkeitseinlage und tadaa, schon ist man bei der einzigen lootbaren goldenen Truhe (die nochdazu in jedem Grab gleich aussieht) angekommen. Danach gilt es nur noch, den Weg zurück hinaus zu gehen und voilá, Lara hat wieder ein Grab gemeistert - und das als absoluter Neuling.

Sieht man von diesem Manko ab, punktet Tomb Raider mit einem stimmigen, lebensecht wirkendem Leveldesign. Ruinen, Berggipfel, Dörfer, Schiffwracks, Tempel,... all das wirkt wahnsinnig atmosphärisch und dank der guten Grafik auch äußerst realistisch. Die harmonische Platzierung der einzelnen Elemente innerhalb der Landschaft verstärkt diesen Eindruck. Hier zeigt sich also eine DER Stärken des Spiels: die Atmosphäre, die nochmals durch die spannend erzählte (wenn auch vorhersehbare) Story und die glaubhafte Figur Laras verstärkt wird.

Was mir gut gefallen hat war die Kombination aus mehr oder weniger offener Spielwelt und linearem Vorgehen. Meistens hatte man eine Art offen begehbares "Hub", rund um das sich lineare Areale befinden, die man meistern kann um optionales aufzudecken oder die man aufgrund der Story abschließen muss. Die Abwägung von offenem und linearem Vorgehen ist sehr gut gelungen, nie fühlt man sich wirklich gezwungen, in eine Richtung zu gehen, ganz im Gegenteil: der Pfad fühlt sich natürlich, ja fast schon logisch an.

Ein weiteres Manko gibt es dann aber doch: an bestimmten Stellen von Felswänden kann Lara mit Hilfe der Kletter-Axt herumklettern, diese haben aber eine immer gleiche Textur und sind somit extrem vorhersehbar und wirken zeitweilig fast schon aufgesetzt. Die Textur ändert sich nur je nach Terrain, so ist sie beispielsweise in den Bergen eisig, wohingegen sie auf Meereshöhe wie ein außergewöhnlich hellgrauer Fels wirkt.

Das selbe Problem bringt auch eine weitere Mechanik im Spiel mit sich: die Seile. Lara kann mit ihrem Bogen ein Seil schießen, dass entweder dazu benutzt wird, etwas zu ihr zu ziehen, oder als gespanntes Seil einen neuen Weg zu eröffnen, indem man sich beispielsweise über eine Schlucht hangelt. Das Seil kann an jeder Stelle, an der ebenfalls ein Seil innerhalb der Spielwelt ist, befestigt werden, wodurch es ebenfalls berechenbar wird. Um ein Seil zu spannen benötigt Lara außerdem einen Pfosten, an dem sie es festmachen kann. Auch dieser sieht immer gleich aus.

 

Grafik

Die Screenshots bzw. auch die zahlreichen (Gameplay-)Videos auf YouTube verdeutlichen die Grafik von Tomb Raider sehr gut. Sie ist durchgehend realistisch gehalten, auf Comicanleihen oder ähnlichen Schnick-Schnack wurde bewusst verzichtet. Sie verstärkt enorm die grandiose Atmosphäre des Titels und die enorme Weitsicht verhilft zu atemberaubenden, beinahe zum Ausruhen einladenden Bergpanoramen. Außer "einfach nur schön" fällt mir hier nichts ein, außer, dass Tomb Raider in Kämpfen ganz schnell ein anderes Gesicht zeigt. Dreckig, düster, brutal, blutig. Diese Themen durchziehen das Spiel in so gut wie jeder Szene, die nicht mit grüner Natur und schönen Aussichten zu protzen hat.

Bezüglich der Gewalt bleibt noch zu sagen, dass sich das Spiel seine "ab 18"-USK-Kennzeichnung redlich verdient hat. Sowohl der Spielertod kann äußerst grausam werden (so wird man beispielsweise aufgespiest!) als auch der von Gegnern oder überhaupt die Szenerie selbst wirkt brutal, abartig und lebensfeindlich. Besonders Gemäuer, in denenen meterhoch Blut und Leichenteile vorzufinden sind, gehen ordentlich auf den Magen.

Ein kleiner Patzer ist aber meiner Meinung nach auch hier passiert: Je nach Lichtverhältnissen wirken manche Figuren so, als wären sie aus Plastik, besonders bei Lara ist das oft der Fall, da sie ja auch am häufigsten vor der Kamera zu sehen ist. Diese Wirkung tritt allerdings nur in Cutscenes auf, ansonsten bleibt man von ihr vollständig verschont!

 

Multiplayer

Wie gefühlt jedes moderne Spiel muss natürlich auch Tomb Raider einen Multiplayer-Modus haben. Diesen habe ich aber bisher noch nicht gespielt, ich habe bereits einige Videos dazu gesehn und er hat mich bisher nicht wirklich angesprochen. Daher kann ich an dieser Stelle (noch) keine Aussage über den Multiplayer-Modus treffen. Für Freunde des Online-Vergnügens ist es sicherlich eine interessante Verlängerung der Spielzeit, für alle anderen aber (hier auch mich eingeschlossen) bleibt nur der Singleplayermodus, der allerdings aufgrund der starken Story-Intensität mit wenig Freiraum und somit wenig Wiederspielwert ein relativ kurzes Vergnügen ist.

 

 

 

Fazit

Selten ist es mir so schwer gefallen, einem Spiel eine (objektive) Wertung zu geben. Klar, es hat Fehler. Sogar zahlreiche. Und diese Fehler wären in anderen Spielen häufig beinahe schon K.O.-Kriterien für mich (Tomb Raider ohne würdigen Gräbern; ein Skill-System, welches langweiliger nicht sein könnte,...). Warum dann also eine 79?

Nun, erstmals, müsste ich nach persönlichem Spaßfaktor urteilen, hätte ich das Spiel jenseit der 90 angesiedelt. Durch die extrem gelungene Atmosphäre vergisst man einfach alles um sich herum, man fühlt sich, als wäre man im Spiel selbst, sämtliche unlogische oder langweilige Passagen/Fakten fallen nicht ins Gewicht und die Zeit vergeht wie im Flug. Ich habe das Spiel in nur zwei Sitzungen durchgespielt, was bei mir einiges heißen will.

Die 79 kann also nicht daher zustande kommen - nun, woher rührt sie dann? Ich habe lange mit mir gerungen, um dem Spiel eine faire Wertung zu geben. Es hat zahlreiche Fehler die ich nicht unangesprochen lassen will. Würde ich die Atmosphäre außer acht lassen, denke ich, dass eine Wertung um 65-70 herum angebracht wäre. Im Konsens habe ich mich dann zu einer 79 bewegen lassen, da sie somit unter der 80 liegt und dadurch bewusst kleiner wirkt. Denn 80 ist ja unter 90 - aber dier 7er am Anfang wie in 70 gibt einem zumindest etwas zu denken.

Abschließend bleibt mir noch zu sagen, dass ich mich bereits sehr auf den zweiten Teil freue. Es ist bedauerlich, dass sich Microsoft für die XBox-One eine einjährige Exklusivität zusichern hat lassen. Weiters werde ich - wenn die Spielzeit ähnlich der des ersten Teils ist - auch hier nicht zum Vollpreis zugreifen.


Wertung
Pro und Kontra
  • Sehr detaillierte Grafik
  • Überraschend scharfe Texturen
  • Knackige Steuerung
  • Gute Atmosphäre dank der ausgezeichneten Vertonung, dem Sound und dem Soundtrack
  • Zahlreiche kinoreif inszenierte Cutscenes
  • Aufrüstbare Ausrüstung und Fähigkeiten
  • Kein "echtes" Tomb Raider
  • Figuren wirken z.T. wie aus Plastik
  • Kennzeichnung interagierbarer Objekte zu offensichtlich und einheitlich
  • Durch und durch eine Quicktime-Events-Orgie
  • Kurze Spielzeit (~7 Stunden, wenn man nur die Story verfolgt)
  • Nur wenige der namensgebenden Gräber

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

eher leicht

Bugs:

Nein

Spielzeit:

Mehr als 5, weniger als 10 Stunden



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