Pinke Panzer und Pappkarton Action

SpoilerfreiUnd dabei fing alles so gut an! Kurz vor dem Ende des Einsatzes geht nochmal alles richtig schön schief. Mit meiner benommenen Zielperson auf...

von L_ONE am: 08.10.2015

Spoilerfrei

Und dabei fing alles so gut an!
Kurz vor dem Ende des Einsatzes geht nochmal alles richtig schön schief. Mit meiner benommenen Zielperson auf den Schultern, nur mit einer läppischen, kleinen Pistole in der Hand, werde ich von einem feindlichen Soldaten entdeckt. All das erlebe ich in Zeitlupe, eine letzte Chance den Typen mit einem gezielten Schuss in den Kopf schlafen zu legen.
Doch die Entfernung und der Schusswinkel stimmen nicht. Mit dem zu rettenden Gefangenen auf den Schultern treffe ich mit der Betäubungspistole zitternd nur den Torso, was den Kerl nur wenig beeindruckt. Der Reflexmodus, also diese Zeitlupe, ist dann auf einmal vorbei. Der Soldat schreit um Hilfe, der Alarm dröhnt, laute Lautsprecherdurchsagen reißen auch den letzten noch schlafenden Söldner aus dem Bett. Also schnell auf die Pause Taste hämmern und neu lad... nein!
Dafür habe ich mich einfach zu lange vorbereitet, gefühlt den ganzen Abend dieses große Lager mit meinem Fernglas ausgekundschaftet und die Positionen der Gegner markiert. Dafür habe ich mich nicht mühsam um die Patrouillen herumgeschlichen und eine Fluchtroute sorgfältig geplant. Jetzt muss einfach Plan B her!
Also fix den Gefangenen hinter die nächste Mauer gelegt und zack: Rauchgranate raus, zack: Granaten raus und zack: die Leuchtgranate raus und damit Verstärkung rufen. Mein Unterstützungshubschrauber meldet sich, doch in diesem Moment ist die Nacht bereits durch alle möglichen Scheinwerfer, Taschenlampen und fliegenden Kugeln hell erleuchtet.
Ich bleibe in der Defensive, der Schleichanzug hält leider nicht viele Kugeln aus. Während des Feuergefechts brennt dann auch schonwieder der Funk. "Zentrale!... blabla Feind!... Unterstützung sofort!... blabla." Glücklicherweise trifft im selben Moment mein Helikopter ein. Gerade noch rechtzeitig bekommt der Gegner ein paar Kugeln aus der Luft serviert, mit ein paar Raketen zum Nachtisch. Das Chaos geht noch wenige Minuten so weiter, da wird es auf einmal ruhig und mein Heli landet in der Nähe. Also hin da, Zielperson rein, VSnake rein, Hand ans Bordgeschütz und die die Verstärkung des Gegners auf Abstand halten, die in diesem Moment um die Ecke kommt, bis die Distanz endlich groß genug ist und die schwarzblende einsetzt.
Puh, geschafft. Aber die Bewertung? Mäßig. Was so gut anfing ging am Ende dann doch fast in die Hose. Auch wenn’s trotzdem Spaß gemacht hat. Genauso übrigens wie die Geschichte von Metal Gear Solid 5, die vielversprechend anfängt, jedoch mäßig Endet.
Doch keine Angst vor Spoilern, die spare ich mir an dieser Stelle natürlich.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Metal Gear Solid 5: The Phantom Pain ist (wahrscheinlich) Hideo Kojimas letztes Spiel der Metal Gear Reihe, die immerhin seit 1987(!) besteht. Ich sage „wahrscheinlich“, denn man soll ja niemals nie sagen. Da der Mann allerdings aus gewissen Umständen nicht mehr bei Konami tätig ist, die nun mal die Markenrechte halten, habe ich da mal keine große Hoffnung. Aber weiter im Text.

Fans (wie ich) hatten eine gewaltige Erwartungshaltung. Neues Gameplay, neue Engine, Snakes neue Stimme (Sutherland) und nicht zu Letzt der „missing link“ in der großen, komplexen Geschichte ließen mich seit dem ersten Trailer zittern. Kurz vorweg:
Gameplay: spaßig, neue Engine: schick, aber nicht überwältigend, neue Stimme: gewöhnungsbedürftig und die Story… naja in einem Wort: schade.

Spaßiger Sandkasten

Und so spielt es sich:
Wir beziehen unsere eigene Basis, die wir mitsamt Personal verwalten und ausbauen, fliegen in zwei relativ weitläufige Open-World Gebiete ein und erledigen dort die (ca. 50) Haupt und (ca. 150) Nebenmissionen.
Auf dem Papier klingt das zunächst erstmal nicht so spannend. Im Grunde gibt es nur wenige Strukturen: Rette Person X, entführe Person Y, töte Person A, Zerstöre Objekt Z, usw.
Der Clou hier ist jedoch die Sandkasten Freiheit. Es gibt wirklich sehr, sehr viele Möglichkeiten die Aufgaben anzugehen. Selbst nach sehr vielen investierten Stunden öffnet das Spiel immer wieder neue Mechaniken.

Die ersten Variablen können wir bereits im Ausrüstungsmenü vor dem Missionsstart bestimmen. Beispielsweise: Welche Tarnung? Kampfanzug oder Schleichanzug? Welche Waffen? Tödlich? Nicht tödlich? Ein Scharfschützengewehr oder ein Raketenwerfer? Wollen wir ein Fahrzeug mitnehmen? Vielleicht einen schnellen Jeep? Oder doch ein Panzer? Welchen Begleiter wollen wir mitnehmen? Unseren Hund, der Feinde erschnüffeln kann oder unsere flinke Scharfschützin Quite, die uns aus der Ferne Deckung gibt? Und geben wir Quite dann eine tödliche oder nicht tödliche Waffe mit? Schallgedämpft oder laut und brachial? Welche Ausrüstung packen wir ein? Granaten aller Art, vielleicht die Attrappe die Gegner ablenkt? Oder das Stealth Kit das uns für kurze Zeit unsichtbar macht?

Haben wir das bestimmt geht’s auch schon los. Und stoßen dabei auf die erste Kante im sonst sehr polierten Gameplay.
Denn jedes Mal fliegen wir mit unserem Heli ins Zielgebiet ein. Jedes. mal. Der Flug wirkt am Anfang zwar noch atmosphärisch, überspringen können wir ihn jedoch nicht, was später wirklich nervt – was zugegeben aber auch meckern auf hohem Niveau ist. Den Landepunkt können wir dabei relativ frei bestimmen. Relativ frei, denn meistens gibt uns das Spiel nur zwei bis drei „sichere Landezonen“ in der Nähe vor.
Doch ist man einmal gelandet geht der Sandkasten Spaß mit all seinen Möglichkeiten los. Und dazu addiert sich der Witz-Faktor. Wer will, malt seinen Panzer zum Beispiel einfach Pink an und rusht ins feindliche Lager. Oder überrascht den Gegner aus einer Mülltonne heraus. Oder zieht mit einer Wasserpistole (!) ins Feld. Oder betäubt den Gegner, indem er ihn einfach ein leeres Magazin ins Gesicht wirft. Oder, oder, oder. Denkt euch was aus, wahrscheinlich ist es möglich. Ob nun als ernste Herangehensweise oder eher spaßig. Das retuschiert auch ein wenig die Tatsache, dass es sonst nichts außer Feindlager in der Welt zu entdecken gibt. Eine typische Open-World findet man hier also eher nicht.
Außerdem: Was bei all den Möglichkeiten überhaupt Sinn macht ist die andere Sache. Und das führt mich zur Mother Base.

Trockene Basis

Ein wichtiger Bestandteil des Gameplays ist der Ausbau und die relativ umfangreiche Verwaltung der eigenen Mother Base (einer Ölplattform im Meer) die wir ebenfalls frei begehen können (und die man übrigens auch Pink einfärben kann… wenn man will).
Situation ist folgende: Nahezu alles im Feld können wir „einsammeln“ und zur Basis schicken. Soldaten, Fahrzeuge, Rohstoffe, Geschütze,… auch Tiere. Ja, Tiere. Wer will, baut nämlich auch seinen eigenen kleinen Zoo auf.
Die Fahrzeuge nehmen wir dann auf Wunsch in die nächste Mission mit, die Rohstoffe brauchen wir um die Basis weiter auszubauen. Die eingesammelten Feinde werden wiederum zu unseren Verbündeten und laufen fortan auch auf der Ölplattform herum. Wichtiger jedoch: Sie werden zu unserem Personal und müssen je nach Fähigkeiten in verschiedene Bereiche eingeteilt werden, was uns wiederum spielerische Vorteile verschafft, wie etwa das Freischalten von neuen Waffen und Gegenständen oder mehr Unterstützungsmöglichkeiten, wie etwa Artillerie oder die Wetterbeeinflussung.
Somit lenkt das Spiel unsere Herangehensweise also doch etwas. Wer vorankommen will, sollte es sich nämlich zwei Mal überlegen ob man den Gegner mit seinem vergoldeten Panzer (ja auch vergolden ist möglich) plattrollt oder ob man ihn nicht doch „rekrutiert“.

Den Nutzen der Basis bekommen wir körperlich jedoch nie wirklich zu spüren. Das Personal, die Ressourcen, der Aufbau und Ausbau… all das klicken und drücken wir in einem sehr gewöhnungsbedürftigen Menü zusammen. Auf der Ölplattform herumzulaufen ist zwar möglich, aber so wirklich Sinn macht das nicht. Zugegeben, die „Moral der Soldaten“ erhöht sich bei einem Besuch und hier und da gibt es manchmal etwas zu entdecken. Doch leider deckt das nicht die gähnende Leere die sonst überall dort herrscht. Das nervt doppelt, wenn man minutenlang diese langen, langen Wege zur nächsten Plattform abfährt, nur um dort wieder einmal festzustellen, dass es hier quasi nichts zu tun gibt. Dort hätte bei all der Größe noch mehr reingepasst.
Ein wenig Sinn ergibt das ganze erst im „quasi“ Multiplayer. Nach ca. 30 bis 40 Spielstunden bauen wir eine optisch identische „Forward Operation Base“ auf, die jederzeit von anderen echten Spielern infiltriert und geplündert werden kann. Das bringt dementsprechend noch mehr Menü-Verwaltungsarbeit mit sich, macht aber durchaus Spaß.

Es funkt nicht ganz - und macht doch Spaß

Meine Gefühlswelt zu diesem Spiel ist total durcheinander. Auf der einen Seite hat mir lange kein Stealth-Action Spiel so viel Spaß gemacht wie dieses. Spannende und spaßige Situationen, wie die oben beschriebene, entstehen quasi ganz von alleine.
Aber auf der anderen Seite…
Ich meine: es gibt 150 Nebenmissionen in denen man immer das gleiche tut. Ich habe ein und dieselbe Basis des Feindes bestimmt 5-mal infiltriert, um einen Gefangen zu retten, um eine Zielperson zu entführen, um ein Fahrzeug zu zerstören…
Durch die Sandkasten Möglichkeiten macht das zwar alles trotzdem Spaß, aber dann wäre da ja noch die Erzählung. In jedem anderen Metal Gear war alles was wir taten mit der Story verstrickt. Und nun? Warum sprenge ich diesen Panzer? Warum rette ich diesen Typen? Warum muss ich diesen legendären Bären fangen? Ach ja, Kaz sagte es wäre total wichtig, … aus Gründen.
Ein eigentlich sehr wichtiger Punkt bei dem Spiel (Der im Trailer angedeutete „Missing Link“, Big Boss´s Geschichte, usw.) rückt zu sehr in den Hintergrund. Darauf gehe ich in dieser Spoilerfreien Zone aber nicht ein.

Das tue ich woanders.
Es ist mit dieser Perspektive nicht wirklich ein Metal Gear wie man es erwartet hätte. Ich behaupte sogar, dass die „treuen MGS Fans“ hier ein wenig im Regen stehen gelassen werden.
Aber jetzt entschuldigt mich bitte, ich muss mit dieser Wasserpistole und dem Pappkasten den Panzer dort hinten entführen.


Wertung
Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

genau richtig

Bugs:

Nein

Spielzeit:

Mehr als 100 Stunden



Kommentare(1)
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