Revolution? Eher Deevolution

Es war einmal mehr: Alle Jahre wieder ist es Zeit, in den Animus zu steigen und in vergangene Epochen einzutauchen. Dieses Mal entführt Ubisoft den...

von Jcfr am: 09.01.2015

Es war einmal mehr:

Alle Jahre wieder ist es Zeit, in den Animus zu steigen und in vergangene Epochen einzutauchen. Dieses Mal entführt Ubisoft den Spieler ins Paris des 18. Jahrhunderts, zur Zeit der französischen Revolution. Man schlüpft in die Haut Arno Dorians und wächst im laufe der Handlung, gemäß Serientradition, zu einem meisterhaften Assassinen... aber alles zu seiner Zeit.

Zu beginn der Hauptstory spielt man zunächst den jungen Arno und erlebt, wie er in Versailles Bekanntschaft mit der jungen Elise de la Serre macht... bis sein Vater ermordet aufgefunden wird. Als Waise nimmt sich Elise' Vater dem Jungen an. Hier macht die Handlung einen Sprung und setzt Jahre später erneut an. Arno ist mittlerweile ein junger Mann, der in Charakter und Verhalten stark an Ezio aus Assassin's Creed 2 erinnert. Ein Bruder Leichtfuß, der inmitten eines Paris lebt, in dem die Spannung zwischen Adel und Pöbel bereits deutlich in der Luft liegt.  Deutlich fahrt nimmt die Handlung jedoch erst auf, als durch Arnos Mitverschulden Elise' Vater einem Mordanschlag anheimfällt.  Dies führt dazu, das seine Jugendfreundin und große Flamme, Elise, sich von ihm abwendet und er im Kerker der Bastille  landet, wo er bekanntschaft mit den Assassinen macht. Und als neuangeworbenes Mitlgied des Ordens verbringt man den Rest der Handlung damit, dem Mord an seinem Ziehvater auf den Grund zu gehen. 


Paris wie's leibt und lebt:

Atmosphärisch kann man dem neuesten Teil der Serie nichts vorwerfen. Paris ist wunderbar getroffen mit seinen engen, verwinkelten Straßen und Gassen, prachtvollen Villen und Pallästen und der beeindruckenden Notre Dame im Zentrum. Auch die Menschentrauben und Protestversammlungen in den Straßen tun ihr Übriges dazu, einem das Gefühl eines gesellschaftlichen Pulverfasses zu vermitteln.
Kurzum: Man nimmt Unity das Dräuen der Revolution ab und die Grafikpracht ist einfach herrlich... wenn die technische Umsetzung zu Release nicht eine derartige Katastrophe gewesen wäre - doch dazu später mehr.

Unangenehm fiel mir jedoch die Armut in der Abwechslung auf. So schön und groß Paris auch ist, es bleibt - abgesehen von Versailles - das einzige Areal. Kein Vergleich mit den vielen Inseln, Festungen und Karibikstädten von Black Flag oder den Wäldern und Feldern von Assassin's Creed 3. Und diese eine, große Stadt haben die Entwickler von Ubisoft bis zum Bersten mit Sammelbaren Gegenständen gefüllt... so sehr, das man auf der Übersichtskarte schnell die eigentliche Übersicht verliert und viel zu oft damit beschäftigt ist, diesen oder jenen Marker auszublenden. Hier wäre für mich weniger mehr gewesen, vor allem da dem Spieler hier schnell die, im Spiel eingebauten, Mikrotransaktionen ins Auge stechen - doch auch dazu später mehr.

!Achtung Spoiler! Schade ist nur, das die im Spiel angesprochene Romeo-und-Julia-Romanze zwischen dem Assassinen Arno und der Templerin Elise unter ihrer Möglichkeit bleibt.
Ich hätte mir gewünscht, das man vielleicht die eine oder andere Mission mit Elise bestreitet. Zudem hätten die unterschieldichen Weltanschauungen der beiden Parteien in der Geschichte (und vor allen in den Gesprächen zwischen Elise und Arno) mehr zum Tragen kommen können, so dass es leichter fällt, ihre verschiedenen Haltungen nachzuempfinden. Und das Elise am Schluss den vorhersehbaren Tod stirbt, damit Arno im Endgame auch weiter als verstoßener "Assassine" durch Paris streifen kann ist einfach ideenlos.

Verbesserung oder Verschlimmbesserung

Kennern der Serie werden schnell ein paar Änderungen an Steuerung und Spielmechanik auffallen. Neben dem üblichen Parkour-Klettern auf Dächern ist es nun einfacher abwärts zu klettern. Man hält einfach entsprechende Taste und alles geht wie von selbst... dumm nur, das unser Meisterassassine nach wie vor gern an Wänden Hochklettert oder auf Kistenstapel steigt, obwohl dies alles andere als beabsichtigt war. Gerade in hektischen Situationen scheint die Steuerung gern  noch immer ein Eigenleben zu entwickeln und manch ein Spieler mit niedriger Frustresistenz wird des öfteren den Drang verspüren, die Zähne in Maus oder Gamepad zu schlagen. 

Dumm nur, das dies geradezu ein Dolchstoß für die nächste Neuerung ist: die überarbeitete Schleichmechanik.
Auf Knopfdruck geht Arno in die Knie, pirscht sich an und kann auch hinter Gegenständen in Deckung gehen. Eigentlich eine sinnvolle Neuerung, würde die hakelige Steuerung sie nicht zunichte machen. Beim Schleichen kommt es oftmals auf Schnelligkeit und Präzision an... dumm nur, wenn die geplante Route dadurch zunichte gemacht wird, das Arno stumpf hinter Deckung kleben bleibt oder nicht durch offene Türen hindurchschlüpfen will. Zudem ist die Gegner-KI sehr inkonsistent. Während einige Feinde scheinbar  nicht mal bemerken würden, wenn man ihnen ins Genick haucht, nehmen andere einen schon wahr, wenn auch nur ein Zipfel irgendo hervorragt. Gerade in späteren, schwierigren Missionen ist dies gang und gebe und zwingt den Spieler dann entweder zur Flucht, oder zum Kampf gegen Massen von Gegnern - womit wir zu nächsten Neuerung kommen: Das Kampfsystem.

Auch hier hat sich gegenüber den Vorgängern einiges getan. Die übermächtigen Konter sind Vergangenheit, stattdessen imitiert AC:Unity plump das altbekannte Freeflow-Kampfsystem aus der Batman:Arkham-Reihe von Rocksteady. Kurzum, es gibt einen Knopf fürs Angreifen, einen fürs Parieren und einen fürs Ausweichen. Ziel ist es, Angriffe zu landen, gegnerische Angriffe zu parieren und schweren Attacken auszuweichen.  Was bei Batman wunderbar klappt und spaßige, flüssige Kämpfe erlaubt, hapert aber in Unity gewaltig.
Zum Teil liegt das - meinem persönlichen Empfinden nach - einer eingebauten Aktionsverzögerung. Entweder das, oder Arnos Unfähigkeit Animationen abzubrechen. Auf jeden Fall hatte ich konstant Schwierigkeiten, gegnerische Angriffe zu parieren oder auszuweichen - gerade, wenn diese von mehreren Seiten zugleich erfolgen und die Kamera in dichtem Getümmel zu nahe an der Spielfigur klebt. Dadurch treffen einen immer wieder Angriffe, die man gar nicht kommen sah und insbesondere Schützen werden in solchen Massenscharmützeln schnell zum Verhängnis.  Und es hilft auch nicht, dass Manche Gegner nur zwei Treffer landen müssen, um unser Alter Ego aus den Latschen zu hauen. Am Ende erschien es mir weitaus effektiver,  bei Kampfbeginn einfach eine Rauchgranate auf den Boden zu werfen und den orientierungslosen Feind mit Angriffen einzudecken (Eine sichere Strategie, mit der man zwanzig Feinde und mehr besiegt - einfach immer wieder eine Rauchgranate nachwerfen und draufhalten). 

Letzten Endes zünden weder das neue Kampfsystem, noch das Schleichsystem.


Was nützt mir das?


Zu jedem Assassin's Creed gehört die Möglichkeit, seinen Assassinen dem eigenen Geschmack nach anzupassen. Dafür gibt es eine Vielzahl von Waffen und Rüstungsgegenständen im Spiel, die man sich an Läden erkaufen kann. Neben optischen Veränderung bieten diese auch unterschiedliche Boni auf Schleichen, Gesundheit, Nahkampf und Fernkampf.
 Eines aber vorneweg: diese prozentualen Boni sind kaum spürbar. Selbst mit maximalen Schleich-Bonus gibt es Feinde, die einen im Schleichmodus auf Anhieb bemerken. Selbst mit maximalen Gesundheitsbonus wird man auf Gegner treffen,die einen mit zwei Hieben den Gar ausmachen. Und selbst mit maximalen Nah- oder Fernkampf  werden manche Gegner den eigenen Schüssen ausweichen und  einen ganzen Hagel von Hieben überstehen.
 Der einzige bemerkbare unterschied besteht darin, das jedes Rüstungsteil einen Einfluss darauf hat, wie groß die Zahl ist, die man von bestimmten Gegenständen im Inventar mit sich schleppen kann (wie z.B.: Rauchgranaten, Dietriche oder Munition).

Ungebührlich ist, das sich manche der items nur durch die Benutzung der companion-App für Smartphones freispielen lassen, ebenso, wie sich manche der Truhen im Spiel nur dadurch öffnen lassen. Zudem wird man bei Mangel von ingame-Währung dezent aber bestimmt auf den E-shop aufmerksam gemacht, wo man spiel-Gegenstände gegen Echtgeld ersteigern kann. Was bei einem F2P-Spiel nicht weiter ungewöhnlich wäre, ist bei einem AAA-Titel zum Vollpreis einfach nur unverfroren. 

Um der Gängelung die Krone aufzusetzen dachte Ubisoft scheinbar, dass es eine gute Idee wäre, der AC-Serie ein paar Rollenspiel-Features zu bescheren. So schaltet man nun gegen Fähigkeitspunkte, die man unter andrem durch das Lösen von Storymissionen erhält, Assassinenfähigkeiten frei.
 Was grundlegend eine nette idee ist, entpuppt sich als regelrechter Schuss ins eigene Bein, wenn plötzlich beim fünften Teil der Serie das Verteilen von Punkten erforderlich ist um Dinge zu tun, die in den Vorgängern selbstverständlich waren (wie das Doppelattentat).  Auch erscheint es wenig sinnvoll, wenn man Gegenstände bereits früh erstehen kann, aber erst spät im Spiel lernt, wie man damit umgeht (wie die Giftgasgranaten). 

So viel zu tun...


Wie bereits bemerkt strotzt AC:Unity vor Inhalt. Neben Sammelgegenständen wie den Kisten oder Kokarden gibt es auch allerhand Nebenmissionen in denen man unter andrem für den Marquis de Sade order Napoleon Bonaparte meuchelt - auch wenn selbige Figuren unter ihren Möglichkeiten bleiben. Ständig musste ich denken "da wäre mehr drin gewesen bei dem Setting".  Darüber hinaus tauchen immer wieder sogenannte "massenereignisse" in der Spielwelt auf, bei denen beispielsweise Diebe geschnappt oder Überfälle verhindert werden sollen... leider wiederholen sich derlei Missionen schnell und beginnen spätestens gegen Hälfte des Spiel zu nerven. Neu dabei sind diesmal Missionen,in denen man keine Morde begeht, sondern ermittelt.
 Und obwohl gerade die Ermittlungen zu Anfang interessant sind und eine frische Brise in den Spielverlauf bringen, so werden sie später recht mühselig. Wenn man zwischen verschiedenen Schauplätzen hin und her läuft um auch das letzte Indiz abzuklappern und dabei untwerwegs wieder und wieder mit denselben Massenereignissen bombardiert wird, geht die Freude schnell verloren. Und wenn man erst einmal bemerkt, dass es egal ist, wie viele Beweise und indizien man sammelt und es schlicht und ergrifend ausreicht, den Mörder zu beschuldigen, damit dieser frei von der Leber alles gesteht, ist die Verlockung sich die Täterliste aus einem guide im Netz zu holen kaum widerstehbar... zumal für den Abschluss der Ermittlung lediglich eine Waffe im Shop freigeschaltet wird - die man meist gar nicht braucht oder will.  Selbiges gilt für die Nostradamus-Rätsel, die lediglich eine Montur freischalten.
 So ziemlich alles in Unity bleibt weit unter den Möglichkeiten. Ubisoft geht auf Nummer sicher... was beim fünften Serienteil nach meinem Empfinden einfach nur unoriginell ist. Selbst die Rift-Ereignisse, bei denen man für kurze Zeitspannen in ein Paris des 19.Jahrhunderts eintaucht, machen da keine Ausnahme.

Einziger Lichtblick sind die Koop-Missionen welche den Multiplayer ersetzen. Diese sind zwar nicht so üppig wie ich persönlich gehofft hätte, bieten dafür aber etwas substanziell Neues.

Es kommt nicht auf die Länge an, sondern auf die Technik:

Ich sage es frei heraus: AC:Unity war zu Release in indiskutablem Zustand. Mittlerweile haben Patchs zwar das Gröbste behoben, dennoch weckte die Vielzahl an Bugs, Rucklern und Framerat-Einbrüchen bei mir häufig die Frage, ob Ubisoft das Spiel überhaupt in irgendeiner weise für den Pc optimiert hat - eine Frage, die nach dem grafischen Downgrade von Watchdogs wohl durchaus berechtigt ist.

Selten habe ich in den letzten fünf Jahren so viel Zeit damit zugebracht, bei einem PC-spiel in den Einstellungen herumzufummeln um die optimale Leistung zu finden. Dabei ist mir eines aufgefallen: Wer keine gute Hardware sein Eigen nennt, der wird nie in den Genuss des wohl stärksten Kaufarguments von Unity kommen, nämlich der prachtvollen Grafik. Allein bei den Einstellungen der Texturen besteht - meines Erachtens - ein Unterschied wie Tag und Nacht zwischen "hoch" und "ultra".
 Und wer nicht in den Genuss dynamischer Schatten und Beleuchtung kommt, der wird den Charme von Paris nie voll erfassen.

Dennoch, für Unity allein seinen alten Rechner aufzurüsten oder sich gleich einen neuen zu kaufen, lohnt sich meiner Ansicht nach nicht, da das Spiel insgesamt zu wenig Neues und nur mehr vom selben bietet. 

Fazit:

Das mich hier niemand falsch versteht: Unity ist kein schlechtes Spiel. Aber aus der Retrospektive betrachtet sehe ich nichts außer der Grafik, mit dem der fünfte Teil aus der Serie hervorstechen kann. 

Unity klappert routiniert sämtliche Punkte der AC-Formel ab, vergisst dabei aber eines: ein Alleinstellungsmerkmal. AC3 hatte beispielweise die Wälder, das Jagdsystem und die Seeschlachten. Black Flag hat die kurzen Seeschlachten ausgebaut und in ein stimmungsvolles Piratenambiente gebettet, zu dem sich Fischerei und Unterwassertauchgänge gesellten. Unity hat nur Paris, die Grafik und den Koop... und gängelt dafür mit verschlimmbesserter Steuerung, sinnlosen RPG-features und Mikrotransaktionen.  Kein guter Start ins NextGen für die Serie.  

 

 


Wertung
Pro und Kontra
  • Paris des 18. Jahrhunderts
  • Grafik
  • Koop
  • Schlecht überarbeitete Steuerung
  • Uninspirierte Nebenmissionen
  • Mikrotransaktionen
  • Hardwarefresser

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

eher schwer

Bugs:

Häufiger, unregelmäßig

Spielzeit:

Mehr als 40, weniger als 100 Stunden



Kommentare(1)
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