Solide und kurz - der neue Bondauftritt

Treyarch konzentrierte sich wohl zu sehr auf Call of Duty: World at War, denn das Spiel, das nebenher entwickelt worden ist, wurde in einigen, relevanten...

von - Gast - am: 12.09.2009

Treyarch konzentrierte sich wohl zu sehr auf Call of Duty: World at War, denn das Spiel, das nebenher entwickelt worden ist, wurde in einigen, relevanten Stellen komplett vernachlässigt. Schade, den über Potenzial verfügt Ein Quantum Trost zur Genüge.

Er schläft mit den schönsten Frauen, legt sich mit den gefährlichsten Bösewichtern der Welt an und hat keine Finanz-Probleme: Die Rede ist nicht von dem Autor dieses Lesertests. Dafür fehlen noch weitere Adjektive wie intelligent, muskulös, attraktiv, kreativ, perfekt, bescheiden … aber ich schweife ab. Die Rede ist natürlich von James Bond, dem wohl bekanntesten Agenten der Film-Geschichte. In seiner nunmehr sechsten Version hat Bond in Form von Daniel Craig sich einer Wandlung unterzogen, statt dem schmierig, charmantem Agenten bekommen die Fans einen blonden, brutalen Schönling, der sich eher von seinen Emotionen leiten lässt, statt auf M zu hören. Als 2006 der im Vorfeld umstrittene, hinterher gefeierte 21. Bond-Film Casino Royale erschien, blieb eine Frage: Wo bleibt ein Spiel zum Film? Das kam, allerdings deutlich später nämlich zeitgleich mit dem direkten Nachfolger Ein Quantum Trost Ende 2008. Doch warum steht das in einem Test zu Ein Quantum Trost? Einfache Antwort: Der Ego-Shooter behandelt beide Filme. Und das fast in Originallänge.

Die Handlung ist nicht genug

Das Spiel setzt am Ende von Casino Royale ein, indem sie in die Villa eines Mr. White eindringen sollen, um seinen Safe zu knacken und diverse finanzielle Unterlagen mitgehen zu lassen. Ein Rache-Akt an den gewissen White ist zudem fest in der Planung von Bond, schließlich soll er an dem Tod von Vesper mitbeteiligt gewesen sein.
Wenn jemand sich fragt, wer denn Vesper sei und warum Bond Finanzunterlagen stehlen solle, dem sei gesagt: Ey Alda, hastde de krass-Scheiß-Filme von der Bond nix gesehn, Digga. Guckschte die, alda wie hitman, Alda, dann kapiersch de Story. (abalzer-Style) Soll heißen, ohne Vorwissen der Kinovorlagen zieht sich diese Ahnungslosigkeit durch das gesamte Spiel. Erklärungen in Rückblenden oder gar Filmszenen sucht man vergebens, einen roten Faden misst man ebenso wie spannende Zwischensequenzen, viele Ereignisse können sich den Uneingeweihten nicht so recht erschließen. Überhaupt lässt die Handlung keinen Ansatz von Nervenkitzel zu, selbst in den dafür perfekt geeigneten Momenten, in denen die Story an Fahrt aufnehmen könnte, verschenken die Entwickler das Potenzial furios.
Wie wenig Spannung die Handlung aufbaut, zeigt sich in den miserabel inszenierten Besprechungen des Kommandostabs, beispielsweise erleben wir den Sturz unseren Helden aus einem Flugzeugs als Punkt auf einer digitalen Karte statt als grafische Sequenz. Und wenn das Spiel doch zur Zwischensequenz ansetzt, dann stören die pixelige Auflösung und die groben Animationen. Komischerweise gilt das nicht für das eigentliche Spiel, die Qualität der Ingame-Grafik ist deutlich über den der Zwischensequenzen.

Der Spion, der mich langweilte

Wer stattdessen nun einen schlagfertigen Helden erwartet, der die Bond-Atmosphäre auf ein erträgliches Niveau anhebt, wird hier enttäuscht. Zwar benutzt Craig in den Filmen keine Bond-Gadgets mehr wie Pfeilschießende Kugelschreiber oder Uhren mit Laserfunktionen und agiert wesentlich ernster als noch seine Vorgänger, allerdings geht ihm immer mal wieder ein flotter Spruch über die Lippen.
In Casino Royale antwortet er beispielsweise auf den Bond-typischen Running Gag „Geschüttelt oder gerührt?“ mit einem beißendem „Sehe ich aus, als würde es mich interessieren?!“ Im Spiel bleibt man von solchen Kommentaren weitestgehend verschont, Treyarch hat den Doppelnull-Agenten dermaßen platt gebügelt, das man nur durch sein Aussehen daran erinnert wird, James Bond zu spielen.
Nun, dafür portiert das Leveldesign ein wenig Atmosphäre, denn Bond verschlägt es unter anderem in einen fahrenden Zug in Montenegro, in die belebten Straßen Venedigs oder in eine geschlossene Oper. Manche Areale strotzen mit Details, der Sauna-Bereich im Casino Royale wartet etwa mit Marmorfiguren auf und in Venedigs Straßen liegen allerlei Früchte auf Marktständen. Obwohl die Levels immer streng linear verlaufen und meist arg kurz sind, erlauben sie dem Spieler verschiedene Herangehensweisen. Mit Schalldämpfern lassen sich ohne großes Aufsehen Gegner ausschalten, Sicherungskästen können sabotiert werden um die Sicherheitskameras zu umgehen und wer ganz mutig ist kann durch einen kleinen Reaktionstest Gegner im Nahkampf ausschalten. Hin und wieder muss man jedoch nur im richtigen Moment an einem Fenstersims entlang schleichen, um an einer Wache ungesehen vorbeizukommen. Das bringt ein wenig Abwechslung in die Actioneinlagen, aber auf Dauer fehlen erinnerungswürdige Höhepunkte im Leveldesign. Den unspektakulären Bosskämpfen fehlt es an Anspruch und Dramatik, kaum sehenswerte Level-Panoramen sind zu erblicken und an eine Fahrsequenz wurde auch nicht gedacht. Da hätte man noch mehr daraus machen können.

Schießen und sterben lassen

Veteranen erinnern sich vielleicht, Ein Quantum Trost ist nicht der erste PC-Auftritt des britischen Agenten. Schon im Jahr 2002, damals noch in Form von Pierce Brosnan, schoss man sich als Bond durch einen Ego-Shooter namens Nightfire. Seitdem hat der smarte Martinischlürfer eins gelernt und davon macht er im aktuellem Spiel häufig Gebrauch: Das in Deckung gehen. Ähnlich wie in Rainbow Six: Vegas schmiegt sich Daniel Craig auf Knopfdruck an alles, was irgendwie als Deckung herhalten kann, dabei fährt die Kamera aus der Ego-Ansicht in eine Verfolgerperspektive und schaut dem Agenten beim Schießen über die Schulter. Durch schnelle Positionswechsel bringt man sich selber in eine bessere Position zum Schießen und die KI-Gegner in die Bredouille, allen voran wenn Feuerlöscher oder rote Fässer in der Nähe stehen, denn Bond lässt es gerne krachen.
In diesen schnellen Positionskämpfen liegt die eigentliche Stärke des Spiels, denn die Gegner flankieren den Spieler häufig und gerne und darauf muss man einerseits reagieren, andererseits aufpassen, nicht in eine scharfe Granate reinzustolpern, denn die Gegner werfen ebenfalls wie der Spieler selbst mit heißen Kartoffeln.
Erfreulich ist hierbei die überaus präzise Steuerung mit der man immer die volle Kontrolle über Bond behält, die schnellen Deckungsmöglichkeiten und das sehr gute Waffenverhalten glänzen hier besonders. Die durch die Bank realistischen Waffen vermitteln ein gutes Gefühl von ihrer Feuerkraft, auch wenn man aus der Deckung schießt. Das ist nämlich in zwei Varianten möglich: Das präzise, gefährliche Zielen oder das ungenaue, ungefährliche Schießen. Beim präzisen Schießen lehnt sich der Agent aus der Deckung um die Gegner genau aufs Korn zu nehmen, während man beim Blindschießen nur die Waffe aus der Deckung hält und so ungezielt auf die Gegner ballert. Ironischerweise ist das Blindschießen ebenso effektiv wie das gezielte und erzielt beinahe die gleiche Wirkung, hier ist die Steuerung schon fast zu präzise.
Nicht nur deswegen ist das Spiel auf den beiden niedrigen Schwierigkeitsgraden viel zu einfach, selbst Anfänger sollten keine allzu großen Probleme haben, obwohl es ab und zu unfaire Stellen im Leveldesign gibt. Fortgeschrittene und Profis sollten auf einen der beiden höheren Graden anfangen, wenn man ein wenig Anspruch haben will. Allerdings ist man auch auf “einfach“ nicht unverwundbar, wenn Bond getroffen wird, umrundet das Spiel die Bildmitte mit dem 007-typischen Pistolenlauf, um am Ende den restlichen Bildausschnitt rot zu färben, wenn sich der Spieler zu viele Kugeln einfängt. Um diesen Vorgang abzubrechen, muss man kurz in Deckung hocken, um seine Gesundheit zu regenerieren, also üblicher Action-Standard.

Im Angesicht der Grafik

Man sieht, als Shooter macht Ein Quantum Trost vieles richtig, vor allem der Multiplayer-Modus hat enormes Potenzial durch die starke Spielgrundlage, denn schnelle Deckungskämpfe sind auch im Mehrspieler-Modus vorhanden sowie verschiedene Spielmodi. Allerdings krankt es dafür an der Spiellobby, mit ihren geringen Einstellungen sind höchstens Konsoleros damit zufrieden, außerdem findet man zurzeit kaum noch Spieler auf den Servern, die Spielerdichte von Ein Quantum Trost ist sehr gering. Wenn sich dann doch ein Match finden kann, ist Spaß garantiert, außer man stört sich an der etwas reduzierten Grafik.
Apropos Grafik: Auf dem Grafikgerüst der Call of Duty 4-Engine zaubert Treyarch ein optisch durchaus eindrucksvolles Spiel, außer mit wuchtigen Explosionen und flüssigen Animationen kann sich das Spiel mit den scharfen Texturen und den detaillierten Waffenmodellen profilieren, dafür muss man sich aber auch mit den ziemlich schwachen Schatten begnügen. Ein Effektfeuerwerk á la Call of Duty: World at War ist der Bond-Shooter nicht, optisch spielt es dennoch in der oberen Mittelklasse, genauso wie der Sound. Neben den Originalsoundtrack und Sprechern können sich die gelungenen Waffensounds hören lassen, aber wie an der Grafik gibt es auch am Sound einige Mängel, beispielsweise die relativ schlechte Abmischung und die teils gelangweilten Sprecher.

Liebesgrüße aus Fazit

Ließe man den 007-Anspruch außer Acht, man hätte einen zwar kurzen, allerdings überaus spaßigen und kurzweiligen Ego-Shooter, denn am spielerischen Gerüst kann man wenig mäkeln, außer die fehlenden Höhepunkte im Leveldesign. Rechnet man dann allerdings den Bond-Bonus dazu, der Eindruck eines soliden bis gelungenen Action-Spiels ist dahin. Zu wenig Feeling der Filmvorlage kommt rüber, die Handlung ist viel zu schlecht präsentiert und der Held ist belanglos portiert. Wer einfach einen soliden Action-Titel mit Multiplayer-Potenzial sucht, wird bei Ein Quantum Trost fündig, wer allerdings eine gelungene Bond-Atmosphäre nebst Story erwartet, ist mit dem inzwischen fast sieben Jahre altem Nightfire immer noch besser bedient.


Wertung
Pro und Kontra
  • Grafik: Wuchtige Detonationen, gelungene Animationen
  • Sound: Original-Soundtrack, realistische Waffensounds
  • Balance: Deckung notwendig, vier Schwierigkeitsgrade ...
  • Atmosphäre: Manche Levels atmosphärisch, Als Bond spielen! ...
  • Bedienung: Präzise Steuerung, auch in Deckung volle Kontrolle
  • Umfang: Beinhaltet zwei Bondstreifen ...
  • Leveldesign: Schauplätze liegen rund um die Welt, teils Details
  • KI: Geht in Deckung, wirft Granaten, flankiert
  • Waffen & Extras: gute Handhabung, realistisches Waffenverhalten
  • Handlung: Zwei Filme - übergreifende Story ...
  • Grafik: schlechte bis schwache Schatten
  • Sound: Sprecher teils gelangweilt
  • Balance: ... von denen zwei zu leicht sind, unfaire Stellen
  • Atmosphäre: ... allerdings ohne Charme,
  • Bedienung: kein freies Speichern
  • Umfang: aber dennoch viel zu kurze Kampagne
  • Leveldesign: sehr linear, kaum Höhepunkte
  • KI: anspruchlose Endgegner
  • Waffen & Extras: keine Bond-Gadgets mehr
  • Handlung: aber zusammenhanglos erzählt und mies inszeniert

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

zu leicht

Bugs:

Nur sehr wenige

Spielzeit:

Mehr als 5, weniger als 10 Stunden



Kommentare(8)
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