Spiel oder nicht-Spiel... das ist hier die Frage

Spiele sind ein interaktives Medium, welche in der Lage sind, die tiefe Erzählkraft von Büchern mit der Zugänglichkeit von Fernsehen zu vermischen und um den Faktor erweitern, das der Spieler selbst zum Teil der Handlung wird und zum Teil sogar in den Fortgang Einfluss nehmen kann. 

Insofern stellte mich Telltale hier vor eine ziemliche "Glaubensprüfung"...

Und sie lebten nicht glücklich...:

Was geschieht, nachdem Märchen enden? Wo sich die Gebrüder Grimm keinerlei Gedanken gemacht haben, setzt die Comic-Reihe "Fables" an... und "The Wolf among us" spielt genau in dieser Welt. Wir schlüpfen buchstäblich in die Rolle des großen bösen Wolfs. Bigby ist der Sheriff von Fable-Town, einem Stadtteil NYs in dem Märchengestalten ihren Alltag bestreiten... und der ist alles andere als "glücklich". Prostitution, Geldschulden, Ausgrenzung, all das ist Teil von Fable Town in dem Bigby für Gesetz und Ordnung sorgen soll... auch wenn ihm das nicht immer leicht fällt.

The Wolf among us trägt eine wunderbar stimmige Film-Noir-Stimmung die vom Soundtrack perfekt unterstrichen wird und mich gleich zu beginn richtig in die Welt hineinzog. Atmosphäre pur, gemischt mit großartigen Synchronsprechern (wenn auch nur auf englisch).

Click ohne Point:

Die Spielmechanik orientiert sich noch am ehesten an Point&click-Adventures. Wer jedoch Rätsel oder dergleichen erwartet, der wird enttäuscht. In erster Linie geht es um das Abgrasen von Hotspots bis das Spiel einen vor eine Entscheidung stellt.

Gerade das ist die große Stärke von TWAU neben der Atmosphäre, den Charakteren und der Geschichte. Immer wieder muss man im Verlauf der Handlung Entscheidungen treffen... Entscheidungen, die sich auf den Spielverlauf auswirken. Verfolgen wir den einen Verdächtigen oder den anderen? Gehen wir grob und zielgerichtet vor, wodurch wir Zeit sparen oder nehmen wir uns die Zeit für Subtlität? Alles hat seine Konsequenzen.

Weniger schön fand ich die Masse an QTE (Quick-time-Events), die gerade in temporeichen Sequenzen aufkommen und mich gerade da nerven. Nach meiner Ansicht sind QTEs einfach nur ein Zeichen dafür, dass die Entwickler keine Eingebung hatten, was man ansonsten im Spiel einbauen könnte.

Was bringt Wiederspielwert, wenn's eigentlich nix zu "spielen" gibt: 

In dieser Frage steckt für mich des Pudels Kern. Eigentlich bietet TWAU mit seiner immensen Anzahl an Entscheidungen und Auswirkungen viel Raum zum Experimentieren... wenn es nicht bedeutete, dass man oftmals dieselben Sequenzen mit denselben - oder zumindest fast denselben - QTEs aufs Neue spielt.

Nach dem dritten Durchgang war für mich die Luft raus, obwohl's noch einige Variationen gegeben hätte.
TWAU spielt sich nicht wie ein Spiel, sondern eher wie ein interaktiver Comic. Und so toll die Charaktere, die Atmosphäre und die Geschichte auch ist, wenn es nichts zu "spielen" gibt, wenn nichts da ist, was meine Aufmerksamkeit oder meinen Geist fordert, wenn die einzige Variation im Handlungsablauf liegt, fehlt es mir einfach an fesselnden Elementen.

Und über die Technik kann man nur sagen: entweder man mag den Cell-shading-Comic-look oder man mag ihn eben nicht. Das Film-Noir-Flair transportiert er jedenfalls gut.

Fazit:

Ich muss zugeben, The Wolf among us macht's mir schwer. Ich liebe die Atmosphäre, das schmutzige Bladerunner-Feeling und die aktuellen, gesellschafltichen Konflikte im Märchenland... aber ein "Spiel" kann man das Produkt von Telltale kaum nennen.  Es ist ein interaktiver Comic.

Wie bewerte ich das nun?  Würde ich TWAU lediglich als Comic anhand der Geschichte, charaktere und des Flairs bewerten, wäre es wohl um die 90. Als Spiel mit kaum vorhandenen Spielelmenten aber nicht mehr als 50. Am Besten also, ich setze den Score irgendwo in der Mitte dazwischen. 

Zusammenfassend könnte man sagen: Wem es beim Spielen haptsächlich um die Story geht und Film-Noir mag, der kann bedenkenlos zugreifen. Wer aber etwas mehr... Substanz erwartet, der sollte sich die Anschaffung gut überdenken.