Valve hat gelernt!

Die erste Erweiterung des Spiels Half Life 2 war spielerisch gut gestaltet, hat es jedoch nicht geschafft, das Hauptspiel zu übertrumpfen. Der...

von Bakefish am: 12.05.2014

Die erste Erweiterung des Spiels Half Life 2 war spielerisch gut gestaltet, hat es jedoch nicht geschafft, das Hauptspiel zu übertrumpfen. Der hervorragenden Geschichte traten wenige Neuerungen, ein doofes Ende und die kurze Spielzeit entgegen. Doch die Geschichte ist ja, wie wir wissen, noch nicht zu Ende erzählt. Gleich nachdem ich den Abspann der ersten Episode über den Bildschirm flimmern sah, hieß es: Ran ans Werk, wir sind noch nicht durch.

Nun, nach einigen Stunden, ist Episode 2 durchgespielt und ich war begeistert, doch die annähernde Perfektion erreicht auch das zweite Add-On nicht. Warum, erkläre ich in der folgenden Rezension. Dabei beziehe ich mich nicht nur auf das Hauptspiel, sondern auch auf das vorherige Add-On, daher bitte ich um Verzeihung, wenn ich spoilern sollte.

 

Es ist noch nicht vorbei…

 

Episode 2 schließt unmittelbar an das Ende der ersten an- wir wurden von der Explosionswelle der Citadel erfasst und den Zug hat es voll erwischt- uns zum Glück nicht, wir sind nur bewusstlos geworden.

Kurz darauf, als wir wieder aufwachen, stellen wir erleichtert fest, dass Alyx ebenfalls überlebt hat und wohlauf ist. Was man von der Citadel, deren Überreste im Hintergrund stehen, nicht behaupten kann- ein gewaltiger Portalsturm liegt über ihr und wir wissen noch nicht, was das bedeutet. Kurz darauf erfahren wir, dass die Rebellen zwar wohlbehalten aus City 17 entkommen sind und sich in einem Militärstützpunkt niedergelassen haben, dem Ärger jedoch noch kein Ende gesetzt ist- die Combine plant zum einen, mit den restlichen Soldaten gegen diesen Stützpunkt zu marschieren, andererseits planen sie, ein neues Portal aufzureißen und so Verstärkung aus ihrer Heimatdimension zu rufen.

Noch übler wird das Ganze, als Alyx im nächsten Dorf von einem neuen und hässlichen Gegner angefallen und schwer verletzt wird. Auch wir werden wieder ohnmächtig. Als wir wieder aufwachen, sitzt ein Vortigaunt über ihr und will helfen. Nun gibt es gleich zwei Ziele- zum einen müssen wir Alyx erst einmal aus ihrer schlimmen Lage befreien, andererseits gilt es, zum Stützpunkt aufzubrechen, da Alyx wichtige Informationen mit sich trägt, die den Rebellen im Kampf gegen die Combine eine entscheidende Hilfe sein könnte…

Wie wir es schon aus dem Hauptspiel und der vorherigen Episode gewohnt sind, erzählt das Add-On die gesamte Geschichte mal wieder reißend und spannend, ganz ohne langatmige Pausen. Erneut werden wir in das Universum von Half Life hineingesogen, wollen keine Unterbrechungen, werden an den Bildschirm gefesselt.

Eine Ausnahme zu Episode 1 ist diesmal die Integration neuer Charaktere, wenn auch nur weniger- ein bisher unbekannter und viel zu sehr auf seinen Job konzentrierter Wissenschaftler aus Black Mesa, natürlich die Vortigaunts und auch der mysteriöse G-Man spielt diesmal wieder eine Rolle. Dabei hat Valve auch aus den Vorgängern gelernt- auch das Ende ist diesmal besser gestaltet und lässt uns zufriedener zurück. Dennoch wird uns ein gewisser Aspekt sauer aufstoßen, den ich jetzt nicht erwähne. Perfekt ist auch dieses Ende noch lange nicht.

Kurz gesagt: Auch Episode 2 hat es geschafft, die Geschichte hervorragend fortzusetzen und spendiert uns diesmal wieder reichlich Tiefgang und Gelegenheiten, sich in die virtuelle Welt einzufügen. Wer dieses Standalone-Add-On allerdings ohne Vorkenntnisse spielt, also das eigentliche Spiel und die erste Episode, wird im Spiel nichts verstehen.

 

Zwei Quellen und zwei Feinde

 

Am Spielsystem hat sich im Vergleich zu den vorherigen Teilen nichts geändert. Mal wieder begeben wir uns durch linear gestaltete Level und hauen Gegner entweder Kugeln oder Gegenstände mit unserer Gravity Gun um die Ohren. Allerdings sei an dieser Stelle zu erwähnen, dass fast sämtliche Level insgesamt etwas offener aufgebaut sind als in den Vorgängern. Zwar nicht großartig, dennoch in einem angenehm erfrischenden Maße.

Als erste Neuerung fällt gleich zum Anfang des Spiels auf, dass unsere Taschenlampe nun durch eine andere Energiequelle gespeist wird als der Sauerstoff- und Sprintvorrat. So ist es nun möglich, gleichzeitig zu sprinten und die Taschenlampe einzuschalten. Dabei ist die Lampe, wenn eingeschaltet, eine sehr lange Zeit nutzbar und lädt sich nach Leerwerden der Batterie auch sehr schnell wieder auf, fast schon zu schnell. Trotzdem ist es gut, dass Valve damit einen kleineren Kritikpunkt beseitigt hat.

Auch das HUD wurde mal wieder geringfügig erweitert. Sammeln wir jetzt Munition auf, wird neben dem Munitionstypen auch gleich die entsprechende Waffe eingeblendet. Inwieweit diese Neuerung sinnvoll ist, weiß ich allerdings nicht. Zwar dauerte es im Hauptspiel etwas, bis man merkte, welcher Waffe welches Munitionssymbol zuzuordnen ist, doch wusste man dies (in den meisten Fällen) später dann. Gut, blöd ist diese Neuerung trotzdem nicht.

Ansonsten sind die Neuerungen (mal wieder) insgesamt eher spartanisch ausgefallen. Episode 2 spendiert uns diesmal gleich zwei neue Feinde. Nun gut, zweieinhalb. Da gibt es einmal den „Acid-Lion“, eine Weiterentwicklung des Ant-Lions, welcher deutlich mehr aushält und aus der Distanz hochgefährliche Säure spucken kann, dazu ist eher auch sehr agil und hüpft an Wänden hin und her. Der zweite Gegner ist der „Hunter“, eine Art kleinerer Strider (das waren die großen, dreibeinigen und ziemlich hässlichen Viecher, die man nur mit Explosivwaffen bekämpfen konnte), den wir im Spiel hassen lernen. Er ist extrem flink, hält ziemlich viel aus und rotzt mit einer Attacke einen Schwall explosiver Pfeile auf uns. Auch solchen Gegner begegnet man am besten mit schlagkräftigeren Argumenten wie Benzinfässern oder Gewehrgranaten.

Der letzte Gegner… nun ja, im Grunde ist er nur eine recycelte Variante eines älteren Gegners. Im Hauptspiel und der Episode 1 durften wir uns noch mit Ant-Lion-Königen herumschlagen, dieser hier, in der englischen Version als „Guardian“ bezeichnet, ist noch eine Spur härter, da er ebenfalls über gefährliche Säureattacken verfügt. Der hauptsächliche optische Unterschied besteht darin, dass er anders gefärbt ist.

Ach so, der „Zombine“, erstmals mit Episode 1 eingefügt, kommt natürlich auch wieder vor.

Waffentechnisch ist Episode 2 gestaltet wie die erste. Zu Beginn des Spiels erhalten wir die Gravity Gun und müssen eine Weile warten, bis wir richtige Schießprügel erhalten. Diese Zeit ist jedoch deutlich kürzer als noch in Episode 1. Neue Waffen gibt es hingegen mal wieder keine. Zwar laufen wir in einer Mission mit Haftminen durch die Gegend, allerdings gibt es diese auch nur temporär und nicht im Inventar. Da ich gerade dabei bin: Auch diesmal wurde der Pheromon-Köder aus dem Hauptspiel ersatzlos gestrichen. Schade!

Auffällig ist auch, dass es wieder einen Fahrzeug-Part gibt- wir düsen mit einem aufgemöbelten Auto durch die Wälder. Dieser Part ist dafür deutlich besserer gestaltet als noch im Hauptspiel, da er zum einen deutlich kürzer ist, das Auto diesmal eine sehr viel präzisere Steuerung aufweist und wir obendrein auch noch Alyx als Begleiterin haben.

Apropos; auch im zweiten Add-On sind wir nur selten alleine unterwegs, doch sind wir diesmal nicht nur mit Alyx, sondern auch einem Vortigaunt auf der Reise. Dieser hat es in sich, da er heftige Stromstoßattacken auf Gegner loslassen kann und diese so für kurze Zeit hilflos zappeln lässt. Als ich ihn dann wieder verlassen musste, fand ich das schon etwas schade, da die Vortigaunts doch ziemlich coole Wesen sind.

Auch Geschicklichkeitsspiele sind wieder in gewissem Maße vorhanden, zum Glück werden wir diesmal auch nicht wieder mit überfälligen Physik-Rätselspielen genervt. Auch dürfen wir diesmal wieder bestimmte Orte verteidigen und müssen uns dabei mehreren Gegnerwellen zur Wehr setzen.

Spieltechnisch war es das dann auch schon. Umwelttechnisch begeben wir uns nun nicht mehr durch eine zerstörte Stadt, sondern hauptsächlich durch freie Areale in der Natur. Dazu komme ich später noch.

Insgesamt hat die zweite Episode mehr Neuerungen ins Spiel verwebt als die vorherige, dabei merkt man auch, dass Valve diese Neuerungen gut balanciert hat sinnvoll eingesetzt hat. Dennoch finde ich die Menge neuer Dinge insgesamt zu klein. An dieser Stelle bedeutet das Punkteabzug, wenn auch in geringerem Maße als noch bei Episode 1.

 

Den Sturm im Nacken

 

Atmosphärisch powert auch Episode 2 mal wieder voll durch. Unsere Begleiter, die Rebellenbasis, die liebevoll gestalteten Charaktere und der Portalsturm, der sich die ganze Zeit bedrohlich am Horizont auftürmt, sorgen für ein hervorragendes Spielgefühl. Wenn Alyx versucht, einen Witz zu reißen beziehungsweise die Forscher sich gegenseitig in die Haare bekommen, müssen wir mitlächeln oder uns an die Stirn schlagen. Wenn wir sehen, dass Alyx´ „Haustier“ Dog einen Strider eigenhändig vernichtet, sitzen wir mit offenem Mund da. Wenn wir die Horden von Combines sehen, sie in Richtung des Stützpunktes laufen, zieht sich unser Magen zusammen. Valve hat es also wieder geschafft, jede Figur mit einem handfesten Charakter auszustatten und auch die Emotionen im Spiel perfekt umzusetzen.

 

Frischluft!

 

Was die Grafik angeht, hat Valve ordentlich an der Source-Engine geschraubt. Texturen sind deutlich schärfer, Schatten- und Partikeleffekte deutlich verbessert, insgesamt gibt es eine höhere Weitsicht, Charaktermodelle wurden ebenfalls überarbeitet und auch das HDRR (High Dynamic Range Rendering), welches für Blendeeffekte sorgt, kommt wieder vor. Nicht auszulassen, dass auch diesmal die Mimik der Figuren sehr überzeugend wirkt.

Dabei fällt auch auf, dass wir uns nun größtenteils durch die freie Natur begeben- Bäume, Sträucher, Felsformationen und einige Dörfer dazwischen erwarten uns. Optische Abwechslung gibt es trotzdem, so bewegen wir uns durch eine dunkle Mine (anfangs), durch Dörfer, Basen, zugemüllte Industrie, Bahnhöfe und mehr, wir sind immer gut bedient.

Etwas schade fand ich nur, dass die Vegetation zwar gut animiert wurde, doch sich nicht im Wind bewegt. Dass Valve jedoch für so ein (leider recht) kurzes Add-On die Grafik so hochgesetzt hat, ist trotzdem schön, dafür gibt´s an dieser Stelle ausnahmsweise mal einige Pluspunkte.

 

Fazit

 

Selten habe ich beim Spielen eines Add-Ons so viel Spaß erlebt wie bei Half Life 2: Episode 2. Das Add-On schafft es nicht nur, die Geschichte (mal wieder) sinnvoll weiter zu erzählen, auch die Atmosphäre ist wieder hervorragend und es wurden diesmal auch Dinge des Hauptspiels wieder eingefügt, sogar in verbesserter Form. Selbst die Grafik wurde noch einmal deutlich verbessert.

Dennoch begeht das zweite Add-On die Fehler, die auch das erste bereits begangen hat, wenn auch in abgeschwächter Form. So ist es insgesamt zwar länger, jedoch immer noch recht kurz. Zwar gibt es gut durchdachte Neuerungen, doch sind diese immer noch recht spärlich. Und auch das Ende lässt uns mal wieder leicht unbefriedigt zurück, wenn auch in schwächerer Form als noch im ersten Add-On.

Nichtsdestotrotz würde ich behaupten, dass ich mit Episode 2 sogar etwas mehr Spaß als mit dem eigentlichen Spiel hatte. Daher gebe ich dem Spiel in der Wertung 88 Punkte. Jeder Half Life-Fan wird dieses Add-On lieben, wer jedoch das Hauptspiel nicht kennt und sich das Add-On holen will, weil es auch ohne Hauptspiel lauffähig ist, wird nichts verstehen.

Half Life 3? Oh Mann, jetzt kann ich den Hype erst richtig nachvollziehen...


Wertung
Pro und Kontra
  • Gute und durchgehend spannende Weitererzählung der Geschichte
  • Sehr gut inszenierte Atmosphäre
  • Liebevoll gestaltete Charaktere
  • wechselnde Schauplätze
  • stark verbesserte Grafik
  • länger als das erste Add-On...
  • ... insgesamt aber wieder recht kurz
  • wenige Neuerungen
  • unbefriedigendes Ende

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

genau richtig

Bugs:

Nein

Spielzeit:

Mehr als 10, weniger als 20 Stunden



Kommentare(9)
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