Von Leuchttürmen, Schnecken und dem Meeresgrund

Information:Diese Rezension wurde von mir im Jahr 2007 auf Basis der Xbox 360-Version verfasst. Nach mehrjähriger Entwicklungszeit, einigen...

von - Gast - am: 20.08.2013

Information:
Diese Rezension wurde von mir im Jahr 2007 auf Basis der Xbox 360-Version verfasst.

Nach mehrjähriger Entwicklungszeit, einigen Terminverschiebungen und nicht zuletzt einem großangelegten Medienhype ist BioShock nun in hiesigen Gefilden endlich erhältlich. Der indirekte Nachfolger der hochgelobten System Shock-Reihe für den PC schürte immens hohe Erwartungen und oftmals erfolgte auf diese Kombination aus Hype und hoher Erwartung tiefe Ernüchterung oder gar eine herbe Enttäuschung.

Ob BioShock seinen Vorschusslorbeeren gerecht wird werde ich euch in diesem Review offen legen.

Eine Stadt der Kaufleute, Kreativen und Intellektuellen

Kapitalismus. Kommunismus. Religion. Alle stehen für ein gemeinsames Ziel, für das Wohlergehen einer Gemeinschaft. Doch was ist mit dem Einzelnen, der im Schweiße seines Angesichts großes vollbringt und nur relativ wenig Nutzen davon hat?
Nein, sagt der große Mann in Washington. Es ist alles für den Staat.

Nein, sagen die Geistlichen im Vatikan. Es ist alles für Gott, den Allmächtigen.

Nein, sagt der sozialistische Russe im Kreml. Es ist für alle.

Mit all diesen Idealen und Theologien kann und will sich ein reicher Industrieller, Andrew Ryan, einfach nicht anfreunden. Er geht daher seinen eigenen Weg:

Rapture, das ist eine Stadt tief unter dem Meeresspiegel, irgendwo im Mittelatlantik, bevölkert von klugen & kreativen Köpfen wie Künstlern, Wissenschaftlern und Industriellen. Hier, an diesem Ort am Grund der See, sollen keine Zensuren und Einschränkungen gelten.

1946 erbaut, entwickelte sich die Stadt zunächst prächtig und war schon bald eine hell erleuchtete Koryphäe mit den Ausmaßen einer Großstadt am Grund des Meeres. Bis Anfang der 1950er Jahre zufällig ein Parasit in Form einer Schnecke entdeckt wurde, aus welcher sich eine Substanz extrahieren lässt, welche bald auf den Namen ADAM hören sollte und wundersame Fähigkeiten hat. Eine Art entgegengesetzter Krebstumor, welcher Leiden heilen kann, Blinde wieder sehen lässt und schon bald zur allgemeinen Genmodifikation verwandt wurde. Daraus entstanden auch die sogenannten Plasmide, welche übernatürliche Fähigkeiten verleihen.

Einige Jahre später, 1960, ist ein Mann names Jack im Flugzeug über dem Mittelatlantik unterwegs um Verwandte in England zu besuchen. Ein Unwetter bringt die Technik zum erliegen und die Passagiermaschine zerschellt auf den harten Wellen der Meeresoberfläche. Ein einziger überlebt. Wie es der Zufall will kam das Flugzeug mehr oder weniger direkt neben einem Leuchtturm mitten im Atlantik herunter, welcher das Tor zu einer bis dato unbekannten und verborgenen Welt darstellt.

Das Gameplay

Stellten die indirekten Vorgänger einen Mix aus Rollenspiel und Ego-Shooter dar, wobei der Fokus deutlich auf RPG lag, ist BioShock im Grunde ein waschechter Ego-Shooter mit einigen RPG- und Taktik-Anleihen.

Gleich zu Anfang erhaltet ihr ein Funkgerät über welches euch Atlas kontaktiert, einer der wenigen, normalen Einwohner Raptures, die verblieben sind. Er lotst euch durch die Wirrungen und Gänge der Stadt und bittet euch gleichzeitig darum seine Frau und sein Kind zu retten, welche sich in einer Tauchkugel versteckt halten.

Doch zunächst gilt es sich bis dahin durchzuschlagen. Anfangs findet ihr zunächst einen Schraubenschlüssel um euch rudimentär eurer Haut gegen die verwahrlosten und eigenartigen Bewohner Raptures zu erwehren, doch bereits kurz darauf entdeckt ihr das erste Plasmid, den Electrobolt. Mit seiner Hilfe könnt ihr Kurzschlüsse beispielsweise an defekten Codeschlössern erwirken damit sich die zugehörige Tür öffnet oder Gegner kurzzeitig lähmen und ihnen anschließend den Rest mit dem Schraubenschlüssel geben.

Es gibt einige interessante Plasmide wie Winter Blast (Einfrieren), Abfackeln oder gar ein ganzer Hornissenschwarm, welcher aus eurem Körper austritt und die Gegner zu Tode sticht.

Neben den Plasmiden gibt es auch noch drei unterschiedliche Arten Tonika, welche euch passive Fähigkeiten verleihen, welche im Kampf, euren Körper oder bei der Verwendung von technischen Geräten unterstützend wirken. Beispielsweise vereinfachen euch manche Tonika das Hacken ungemein oder verleihen euch höhere Widerstandsfähigkeit, einige erhöhen auch den von euch angerichteten Schaden.

Anfangs verfügt ihr für Plasmide und Tonika nur über zwei von jeweils maximal sechs Slots. Das heißt ihr seid noch sehr beschränkt im Einsatz eurer neuen Fähigkeiten. Um eure Slots zu erweitern, Plasmide hochzustufen oder um neue Plasmide und Tonika zu erhalten benötigt ihr ADAM. Das ist die Droge, welche die sonderbaren Schnecken in sich tragen und nach welcher die Splicer, die von ADAM infizierten und abhängigen Einwohner Raptures, immer und überall gieren. Doch nicht nur die Splicer sind auf der Suche nach ADAM, auch die Little Sisters wandeln stets in der Stadt umher und absorbieren es von herumliegenden Leichen mittels einer überdimensionierten Nadel.

Bewacht werden die kleinen Mädchen jedoch stets von einem Big Daddy, einem genmodifzierten Hühnen im gepanzerten Taucheranzug, welcher die Leibwache seines Mädchens darstellt. Beide interessieren sich nicht sonderlich für euch, doch kommt ihr der Little Sister zu nahe, dann gibt es Ärger. Um euch also weiterentwickeln zu können benötigt ihr das ADAM der Little Sisters, wofür ihr wiederum erst den Big Daddy erledigen müsst. In jedem der acht Levels gibt es eine feste Anzahl Little Sisters. Nachdem ihr den Big Daddy besiegt habt, habt ihr die Wahl: Ausbeuten oder Retten.

Beutet ihr das Mädchen aus, bekommt ihr mehr ADAM, aber sie stirbt dabei. Rettet ihr sie hingegen erhaltet ihr weniger ADAM, aber rettet ihr Leben. Seid ihr guten Herzens erscheinen dafür später als Ausgleich hin und wieder Little Sisters mit einem prall gefüllten Teddybär, welcher ebenfalls einen dicken ADAM-Bonus parat hält.

So ist es also eure primäre Aufgabe euch durch die einzelnen Abschnitte der Stadt zu kämpfen um einen Weg zurück an die Oberfläche zu finden. Ihr taucht jedoch immer mehr in die spannenden Zusammenhänge des Untergangs der Stadt auf, welche sich hauptsächlich auch durch zahlreiche herumliegende Tonbandaufnahmen verschiedener Einwohner zu einem Gesamtbild zusammenfügen. Zusätzlich ist es euer Ziel zusammen mit Atlas seine Familie zu retten und zu Andrew Ryan vorzudringen.

Bis dahin ist es jedoch ein weiter Weg, denn es gilt viele Big Daddys und die unterschiedlichsten Sorten Splicer zu bekämpfen sowie einige markante Personen wie den Chirurgen Dr. Steinman oder den Künstler Sandy Cohen zu treffen. Doch hier möchte ich euch nichts vorwegnehmen.

Ein weiterer Aspekt des Gameplays, welcher Erwähnung finden soll, ist das Hacken sowie die Sicherheitssysteme Raptures. Es gibt überall Sicherheits-Bots, -Kameras und Selbstschussanlagen. Diese könnt ihr allesamt hacken sowie auch diverse Codeschlösser oder Safes. Dabei startet jedes mal ein Minispiel, in welchem es gilt in einem Röhrensystem unter Zeitdruck eine Verbindung von A nach B zu schaffen. Gelingt euch das nicht verliert ihr Energie oder es wird gar Alarm ausgelöst. Zwar gibt es später Hilfsmittel wie Auto-Hacker oder Tonika, welche euch das Hacken enorm vereinfachen, dennoch stört es nach dem 50. Mal mehr als das Gameplay zu bereichern.

Darüber hinaus könnt ihr übrigens auch die gesamten im Spiel verteilten Stationen wie Medi-Stations, Munitions- oder Verkaufsautomaten hacken. Das bringt euch dann eine größere Auswahl zu günstigeren Preisen. Neben den Konsumautomaten gibt es übrigens noch die Gen-Bank (dient zum Wechsel von Plasmiden und Tonika), den Gatherers Garden (Erwerb und Upgrade von Plasmiden, Tonika und Slots) sowie Waffen-Upgrades. Letztere sind meist gut versteckt und lassen sich nur einmalig zum Aufrüsten einer Waffe verwenden. Jede der Waffen (Pistole, Schrotflinte, MG etc.) lässt sich dabei in maximal zwei Stufen aufrüsten.

Das Leveldesign ist in sich schlüssig, einfach genial und überzeugt mit einem herrlich morbiden Touch im Art Deco Stil sowie einer Atmosphäre, die momentan ihresgleichen sucht. Man hat später übrigens die Möglichkeit jederzeit zwischen den Levels hin- und her zu reisen um eventuell verpasstes nachzuholen.

Wer es jedoch schnell mag kann durch die Abschnitte Raptures flitzen und bekommt aber so nicht viel der zahlreichen Details am Rande mit. Es gibt nahezu überall Abzweigungen, welche euch zwar nicht unbedingt weiterführen, jedoch jede Menge Items in sich verbergen und auch Tonbänder, welche schließlich mehr von der Story enthüllen. Es lohnt sich wirklich sich jeden Winkel von Rapture zu erkunden, ansonsten verpasst ihr wirklich eine ganze Menge!

Die Präsentation

BioShock macht Gebrauch von der hoch im Kurs stehenden Unreal Engine 3, welche jedoch zusätzlich stark modifiziert wurde, vor allem im Hinblick auf die Darstellung und das Verhalten von Wasser. Eigens hierfür stellte man Spezialisten ein und das Ergebnis kann sich wirklich sehen lassen. Solche beeindruckende, realistische Wassereffekte habe ich bis dato noch in keinem Spiel gesehen. Alles wirkt natürlich und organisch.

Auch die Umgebungen sind sehr detailliert gestaltet und erzeugen ein herrliches Flair der 1950er Jahre, jedoch im Deckmantel des morbiden, heruntergekommenen Zustands der Stadt. Insgesamt wirkt alles wie aus einem Guss, was dafür sorgt das ihr förmlich in dieser Parallelwelt versinkt.

Beeindruckend ist auch die Umsetzung der Bewohner Raptures, allen voran die der Big Daddys und Little Sisters. Kein Widersacher hatte mir je in einem Spiel so viel Furcht und Respekt sowie Widerwille im Hinblick auf einen Angriff bereitet wie die Big Daddys. Ihr dumpfes Dröhnen und das kolossale Auftreten sind einmalig. Die Little Sisters hingegen erzeugen ein seltsames Gefühl von Mitleid und Widerwärtigkeit. BioShock erzeugt als eines der wenigen Spiele wirklich Emotionen beim Spieler.

Zuletzt möchte ich auch den wirklich genialen Soundtrack von Garry Schyman erwähnen, welcher ganz besonders intensiv zur Atmosphäre beiträgt und an sich schon filmreif ist.

Multiplayer?

Einen Multiplayermodus bietet BioShock nicht, die Entwickler hatten sich von Anfang an auf ein besonders intensives Singleplayer-Erlebnis konzentriert und bewusst auf Multiplayer verzichtet.

Fazit

Wird BioShock nun den hohen Erwartungen gerecht? Ich persönlich sage ganz eindeutig: Jein!
Im Kern handelt es sich nämlich nach wie vor um einen regulären Shooter, Zusatzfähigkeiten oder Zauber hat man bereits in anderen Genrevertretern gesehen. Das Spiel ist dennoch großartig und einzigartig im Genre, denn an so eine geniale Atmosphäre, solch ein unverbrauchtes Szenario und soviel Emotionen kam für mich persönlich bisher nur The Darkness heran.

Allen Ego-Shooter- und Action-Puristen kann ich daher dieses Meisterwerk nur wärmstens ans Herz legen! Glaubt mir, ihr werdet so schnell nicht wieder aus der grausamen und eindrucksvollen Welt Raptures auftauchen können und wollen…


Wertung
Pro und Kontra
  • Geniale Atmosphäre
  • Superbe Präsentation
  • Unverbrauchtes Szenario
  • Lange Spielzeit
  • Erfrischend anders durch Plasmide, Tonika etc.
  • Nicht so innovativ wie erwartet
  • Kein Multiplayer-Modus
  • Hacken kann auf Dauer störend sein

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

eher schwer

Bugs:

Nein

Spielzeit:

Mehr als 10, weniger als 20 Stunden



Kommentare(1)
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