Was würde Chloe tun?

Seit knapp einer Woche gibt es Life is Strange: Before the Storm in physischer Form zu kaufen. Neben den drei Hauptepisoden enthält die Limited Edition...

von beagletank am: 18.03.2018

Seit knapp einer Woche gibt es Life is Strange: Before the Storm in physischer Form zu kaufen. Neben den drei Hauptepisoden enthält die Limited Edition auch die Zusatzfolge Farewell, in der wir ein letztes Mal in die Rolle von Max Caulfield schlüpfen dürfen. Die Hauptrolle spielt aber natürlich Chloe Price, deren Vorgeschichte wir im eigentlichen Spiel über knapp 10 Stunden verfolgen dürfen.  Ein guter Zeitpunkt also, um das Prequel genauer unter die Lupe zu nehmen.

 

SPOILERWARNUNG:  Ich werde im Verlauf des Tests häufiger auf den Vorgänger Bezug nehmen und aus der dortigen Story erzählen. Kenner dürfen aber unbesorgt weiterlesen.

 

Zugegeben, wenn mich jemand vor ein paar Jahren gefragt hätte, ob ein Spiel um eine zeitreisende Highschool-Schülerin mal zu meinen besten Spielerfahrungen der letzten Jahre gehören würde, hätte ich vermutlich den Kopf geschüttelt. Die ersten positiven Berichte zu Life is Strange las ich zwar durchaus mit Interesse, zum Kauf bewegte mich aber tatsächlich erst der Steam Summer Sale 2016, als es das Hauptspiel für 10 Euro zu haben gab. Heute ist Life is Strange das einzige Spiel, das ich mir zweimal gekauft habe, nämlich in digitaler Form und als Limited Edition. Eine Entscheidung, zu der mich heute noch kein anderer Titel bewegt hat.

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Bei der Ankündigung von Before the Storm war ich hingegen skeptisch. Nicht, dass mich Chloes Vorgeschichte nicht interessiert hätte, aber bei entscheidungsschweren Spielen haben es schon Fortsetzungen nicht leicht. Wie sind unsere Taten aus dem Vorgänger gescheit zu integrieren? Wie führe ich die Geschichte sinnvoll fort?

Bei einem Prequel wiegt das umso schwerer. Als Entwickler steht man nun vor der Herausforderung dem Spieler genug Entscheidungsfreiheit zu geben, um die Geschichte nicht linear wirken zu lassen, gleichzeitig darf man die Ausgangslage des Hauptspiels nicht verwässern. Das mit Deck Nine Games auch noch ein anderer Entwickler die Leitung des Projekts übernahm, war meinem Vertrauen nicht gerade förderlich. Und dann erhält Chloe auch noch eine neue Synchronstimme? Das konnte ja nur schiefgehen. Glücklicherweise wurde ich eines Besseren belehrt. Before the Storm reicht zwar nicht ganz an die Qualität seines Vorgängers heran, bereichert das Franchise aber auf vielerlei Weise.

 

 Den Ort kenne ich doch? Schnell fühlt man sich wieder zuhause.

Willkommen zurück

 

Knapp drei Jahre vor den Ereignissen des Hauptspiels kehren wir zurück nach Arcadia Bay. Noch immer rühmt sich der beschauliche Küstenort der Blackwell Academy, einer renommierten privaten Highschool und noch immer gehört der Kampf der lokalen Fischer gegen die Investitionen der reichen Familie Prescott zu den wichtigsten Gesprächsthemen im Ort. Oder sollte man eher sagen "schon jetzt"?

Viele Konflikte kennt die 16-Jährige Chloe Price auch aus ihrem Umfeld. Zwei Jahre sind seit dem Tod ihres Vaters vergangen, ihre einst beste Freundin Max Caulfield lebt nun in Seattle und lässt kaum noch von sich hören. An der Blackwell Academy läuft es längst nicht mehr so gut wie früher und zuhause wird wohl der verhasste Freund ihrer Mutter einziehen. Keine gute Ausgangslage für einen Teenager also und so verbringt Chloe ihren Großteil des Tages mit Rauchen, Trinken und Schule schwänzen. Gleich zu Beginn dürfen wir uns auf ein Konzert in einem ortsnahen Sägewerk schleichen, ein vertrauetes Wohnmobil mit einem Graffiti verschandeln und uns ein Wortgefecht mit dem Türsteher liefern. Dazu aber später mehr.

Im Inneren treffen wir mit Frank Bowers nicht nur einen alten Bekannten, sondern auch Rachel Amber, beliebte Vorzeigeschülerin, die auf einem Konzert dieser Art eigentlich nichts zu suchen hat. Nach dem Zusammenstoß mit einigen zwielichtigen Typen, entwickelt sich aus dem zufälligen Treffen der beiden eine wesentlich tiefere Beziehung. Über drei Episoden hinweg erleben wir die Anfänge der Freundschaft von Chloe und Rachel, wie sie einm dunklen Geheimnis auf die Spur kommen und dabei in das kriminelle Milieu Arcadia Bays hineingeraten. Oder ist es möglicherweise mehr als Freundschaft? Das hängt ganz von der Entscheidung des Spielers ab.

Womit wir schon bei einer der großen Stärken des Spiels wären. Zu Beginn des ersten Life is Strange ist Rachel schon länger verschwunden, über ihre Persönlichkeit erfahren wir primär durch Briefe, Mails – und natürlich Chloe Price. Und obwohl schnell klar wird, dass sie für Cloe unglaublich wichtig gewesen sein muss, bleibt sie doch eine überraschend ferne Persönlichkeit. Schließlich lernt Max sie niemals kennen.

Before the Storm füllt diese Lücke nun. Rachel ist nicht nur sympathisch, sondern auch ein Charakter mit Tiefgang.  Die beliebte und scheinbar lebensfrohe junge Frau, schleppt einige sehr tiefe Konflikte mit sich herum, deren Ursachen wir in der Rolle von Chloe langsam ergründen.  Unserer Protagonistin wird dabei nicht nur klar, dass sie nicht die einzige mit schlimmen Problemen ist. Als Spieler erfahren wir auch, dass es vor allem Rachel gewesen ist, die Chloe aus ihrem jahrelangen Sumpf aus Wut und Verbitterung herausgezogen hat. Zwar wissen wir aus Life is Strange, dass sich an Chloes rebellischer Art schlussendlich nicht viel ändern wird, aber wo dies ohne Rachel hingeführt hätte, will man sich lieber nicht vorstellen. Die Wut und Verzweiflung, die Chloe durchlebt, als sie später von Rachels Schicksal erfährt, wirkt nun wesentlich glaubhafter. Zu wissen, wann und wie Rachel sterben wird, verleiht Before the Storm daher einen besonders tragischen Unterton.

 

Die Beziehung von Rachel und Chloe ist nicht nur gut erzählt, sondern bereichert auch die Geschichte des originalen Life is Strange.

 

Aber natürlich dreht sich die Geschichte nicht nur um Chloe und Rachel. Unsere Heldin ist zu Beginn des Spiels selber noch Schülerin an der Blackwell Academy, entsprechend viele alte Bekannte treffen wir dort wieder. Victoria Chase etwa tritt bereits so arrogant und intrigant auf, wie aus dem Originalspiel gewohnt. Umso spaßiger also ihr an einigen Stellen also eins auswischen zu dürfen. Etwas mulmig wird einem hingegen beim ersten Zusammentreffen mit Nathan Prescott, zumal einem Before the Storm bereits zeigt unter welchen psychischen Problemen der junge Mann leidet. Wo das hinführen wird, dürfte bekannt sein.

Bereichert wird die Geschichte auch um viele neue Charaktere, etwa Rachels Eltern und diverse neue Mitschüler. Etwa Stephanie „Steph“ Gingrich und Mikey North, zwei liebenswerte Nerds, mit denen wir uns eine ausführliche und verzweigte(!) Rollenspielpartie liefern dürfen. Dabei wird auch klar, dass Chloe keineswegs eine unbeliebte Schülerin ist, sich aber nach dem Tod ihres Vaters immer mehr zurückgezogen und viele soziale Kontakte eingestellt hat.

Zuhause dreht sich hingegen alles um den bekannten Konflikt zwischen Chloe und David, während ihre Mutter verzweifelt zwischen Tochter und neuem Freund zu vermitteln versucht. Das dies schlussendlich nicht von Erfolg gekrönt sein wird, wissen wir aus Life is Strange. Das Prequel bereichert aber auch diesen Handlungsstrang um neue Nuancen. Chloe ist nicht mehr einfach nur die junge Frau, die gegen ihren Stiefvater rebelliert. Als Protagonistin lernt man den Konflikt vor allem durch ihre Augen kennen. Before the Storm zeigt dabei deutlich wie sehr Chloe unter dem Tod ihres Vaters gelitten hat und wie schwer es ihr fällt David als neuen Partner ihrer Mutter zu akzeptieren. Auch David ist anzusehen, dass er sichtliche Schwierigkeiten hat mit der neuen Situation klarzukommen. Das ist nicht neu, verleiht aber dem Konflikt, der in Life is Strange doch etwas altbekannt gewirkt hat, wesentlich mehr Tiefe.

Dass Before the Storm erzählerisch nicht ganz an seinen Vorgänger (oder Nachfolger?) heranreichen kann, hat jedoch andere Gründe. Es bietet fast durchweg interessante Charaktere, bereichert die Handlung des Originals auf vielerlei Weise und fällt erzählerisch doch ab. Das Spiel liefert eine starke erste Episode, nur um dann in der zweiten etwas vor sich hinzudümpeln und im Finale arg hastig zum Schluss zu kommen. Das soll nicht heißen, dass es keine interessanten Entscheidungen oder Szenen geben würde. Die große Prämisse, auf die Before the Storm am Ende zusteuert, stellt uns vor eine ähnlich schwere Wahl wie am Ende des Hauptspiels. Trotzdem beschleicht einen das Gefühl, dass eine weitere Episode das Spiel wesentlich sauberer zum Abschluss gebracht hätte.

Die Bonusepisode Farewell lässt uns hingegen ein letztes Mal in die Rolle der jungen Max schlüpfen, wo wir noch einmal den schicksalhaften Tag erleben, an dessen Ende *SPOILER* Chloes Vater sterben wird. *SPOILER ENDE* Nur, dass wir diesmal nicht die Zeit manipulieren, sondern die ursprünglichen Ereignisse miterleben. Die Episode ist mit knapp 45 Minuten vergleichsweise kurz, aber gut erzählt und schließt mit einem starken und bewegenden Ende ab.

 

In der Bonusepisode dürfen wir noch einmal in die Rolle von Max Caufield schlüpfen.

 

Endgültige Entscheidungen

 

 

Wenig überraschend gibt es in Before the Storm keine Zeitmanipulation. Schmerzlich bewusst wurde mir diese Tatsache erst, als ich meine erste Entscheidung traf, von deren Ausgang ich am Ende nicht ganz überzeugt gewesen bin.  Das macht viele Dialoge im Spiel wesentlich spannender, gerade weil wir die für uns vorteilhaften Varianten nicht einfach durchprobieren können. Chloe liefert sich dafür regelmäßig Wortgefechte mit anderen Charakteren, etwa dem eingangs erwähnten Türsteher. Eine besonders markierte Dialogoption ermöglich es dabei, das Gespräch zu unseren Gunsten zu lenken. Wir müssen dabei jedoch genau die Worte des Gegenübers beachten und die richtigen Antworten liefern. Diese können mal klug, sarkastisch oder auch gemein sein, am Ende profitiert Chloe aber in der Regel davon.

Man sollte sich jedoch im Klaren sein, dass der Wegfall der Zeitmanipulation das Gameplay nicht unbedingt bereichert. Bereits Life is Strange lebte vor allem von seiner Geschichte und seinen Charakteren, Max Fähigkeiten wurden aber zumindest für einige Rätsel eingesetzt. Before the Storm bietet abseits von den Dialogen vergleichsweise wenig Gameplay. Chloe notiert wie Max Ereignisse in ihr Tagebuch, tauscht SMS mit anderen Charakteren aus und kann viele Objekte aus ihrer Umgebung kommentieren. Die Manipulation einer Sprinkleranlage, um in das Wohnheim der Blackwell Academy zu gelangen, stellt dabei schon einen Rätselhöhepunkt dar. Max Fotomotive aus dem ersten Teil wurden hingegen durch optionale Graffiti ersetzt. Wer also schon dem eher gemächlichen Gameplay des Vorgängers nicht viel abgewinnen konnte, wird auch an Before the Storm wenig Freude haben. Da es sich bei dem Spiel aber primär um ein Jugenddrama handelt, geht dies in meinen Augen aber vollkommen in Ordnung. Mehr Abwechslung wäre trotzdem nicht schlecht gewesen.

 

Witziges Detail. Chloe notiert sich unsere aktuellen Ziele stets auf der Hand.

 

Chloes Entscheidungen wirken sich indes weniger auf die Geschichte aus, als man zuerst meinen möchte. Als Prequel kann sich Before the Storm nicht zu viel Variation erlauben, schließlich muss die Ausgangslage zu Beginn von Life is Strange unverändert bleiben. Das soll nicht heißen, dass unsere Entscheidungen unberücksichtigt bleiben. Die Geschichte verändert sich durchaus an einigen Stellen, teilweise stehen uns auch neue Dialogoptionen offen. Abseits vom Spielende stehen wir aber nur selten vor einer wirklich schweren Wahl, fast alle großen Konflikte im Spiel führen schlussendlich zum selben Ergebnis. Die Vorgeschichte um das Theaterstück in Episode 2 kann zwar stark variieren, der Ausgang bleibt aber schlussendlich gleich, unabhängig von unseren Entscheidungen. Nicht, dass Life is Strange komplett andere Handlungsstränge geboten hätte, aber dort hatten unsere Entscheidungen gefühlt mehr Gewicht, Zeitmanipulationen hin oder her. Unabhängig von ihren Auswirkungen sind jedoch fast alle Entscheidungen gut geschrieben und regen durchaus zum Nachdenken an, was einen über manch fehlende Konsequenz hinwegsehen lässt. Dem Spiel gelingt dabei das Kunststück unsere Entscheidungen persönlich erscheinen zu lassen, ohne die Handlung zu stark zu individualisieren. Genug Wiederspielwert für einen zweiten Durchgang ist also vorhanden. 

Womit wir wieder bei Chloe selbst wären. Life is Strange konnte vor allem mit einem unverbrauchten Hauptcharakter punkten. Wie Max Caufield mit ihren Kräften umgeht, hing schlussendlich vom Spieler ab. Das macht Chloe keineswegs zu einer langweiligen Figur. Sie ist mit ihrer inneren Zerrisenheit sogar wesentlich vielfältiger und interessanter geschrieben als die ruhige Max. Aber man weiß, wie Chloe drei Jahre später ticken und mit ihren Mitmenschen umgehen wird. Das zeigt sich vor allem in ihrer Beziehung zu David. Zugegeben, der Mann ist nicht unbedingt der sympathischste Zeitgenosse, aber er bemüht sich um eine gute Beziehung zu Chloes Mutter und versucht auch den Konflikt mit seiner künftigen Stieftochter zu lösen. Dass ihm an Chloe wirklich etwas liegt, wissen wir nicht zuletzt aus Episode 5 von Life is Strange. In Before the Storm haben wir mehr als einmal die Möglichkeit nett mit David umzugehen. Das habe ich als Spieler auch mehrfach getan, mich aber gleichzeitig gefragt, ob das wirklich Chloes Art entspricht. Dass sie mit David eher wenig anfangen kann, hat einem das Hauptspiel oft genug gezeigt. Warum sollte sie im Prequel jetzt nett zu ihm sein? Drei Jahre sind natürlich eine lange Zeit, in der sich ein junger Mensch viel verändern kann. Aber Before the Storm legt auch die Grundlagen für die Konflikte, die wir später aus den Augen von Max erleben werden. Warum also davon abweichen? An solchen Stellen zeigen sich die erzählerischen Schwächen, die fast jedem Prequel zugrunde liegen. Dabei einen vernünftigen Balanceakt zu finden, ohne die Erzählung des Hauptspiels kaputt zu machen, dürfte aber den meisten Entwicklern schwerfallen.

Am Ende jeder Episode gibt es indes wieder eine ausführliche Statistik über unsere gefällten Entscheidungen. Wir dürfen diese nicht nur mit denen unserer Freunde vergleichen, sondern erhalten auch einen ausführlichen Überblick wie der Rest der Welt auf die wichtigen Stellen im Spiel reagiert hat. Dass diese fast immer 50/50 ausfallen oder sich sogar dritteln, spricht hier klar für die Qualitäten von Before the Storm. Auch eher unbedeutende Aktionen, wie etwa das Gespräch mit einer Nebenfigur, werden hier ausführlich ausgewertet. (Ich selbst rühme mich übrigens, eine kleinere Entscheidung gefällt zu haben, der tatsächlich 0% der Spieler gefolgt sind.)

 

An diversen Stellen darf sich Chloe Wortgefechte mit anderen Charakteren liefern, erkennbar an der rechten Dialogoption. Das Dreieck oben links zeigt, dass diese Aktion weitreichendere Konsequenzen haben wird.

 

Über lebendige Gesichter und die Kraft der Musik

 

Optisch hat sich in Before the Storm auf den ersten Blick wenig geändert. Stilistisch bleibt das Spiel seinem Vorgänger treu, auch wenn hinter den Kulissen nun die Unity Engine werkelt. Die Außenumgebungen hätten etwas mehr Details vertragen können, wirken aber nicht hässlich, sondern eher simplifiziert. Die Innenräume sind hingegen stets detailliert gestaltet und punkten mit einer schönen Lichtstimmung. Der insgesamt eher simple Grafikstil mag nicht jedermanns Sache sein, wirkt aber stets ansprechend und täuscht über manche Schwäche hinweg, die sich erst bei genauerem Hinsehen offenbart. Mit diesen Qualitäten konnte auch schon das Hauptspiel punkten.

Die größten Veränderungen macht Before the Storm aber bei den Gesichtsanimationen, vor allem in Bezug auf Chloe und Rachel. Bei allen erzählerischen Stärken litt Life is Strange doch oft unter einer etwas hölzernen Mimik, was in vielen emotionalen Szenen immer etwas negativ auffiel. Im Prequel können unsere Hauptfiguren hingegen mit deutlich besseren Animationen punkten. Endlich kann man unseren Figuren ihr Gefühlsspektrum auch am Gesicht ablesen, was vielen Zwischensequenzen wesentlich mehr Tiefe verleiht und die Wirkung der Dialoge nochmal deutlich steigert. Hier zeigt sich nochmal deutlich, was für eine starke Auswirkung gute Animationen auf ein Dialog lastiges Spiel haben können. Da sieht man auch gerne darüber hinweg, dass einige Nebenfiguren nicht von der neuen Mimik profitieren.

Akustisch ist das Spiel ein Genuss. Zwar erhält Chloe mit Rhianna DeVries eine neue Synchronsprecherin, die ihren Job jedoch hervorragend macht und sich nicht hinter ihrer Vorgängerin verstecken muss. Beim ersten Hinhören ist mir persönlich auch kein größerer Unterschied aufgefallen, nicht zuletzt ist unsere Protagonisten hier auch noch einige Jahre jünger. Ashly Burch, Chloes Stimme aus dem Original, befand sich während der Entwicklung von Before the Storm im Streik, kehrt aber in der Bonusepisode Farewell zu ihrer Rolle zurück und sorgt damit auch für einen schönen Übergang zum Hauptspiel. Kylie Brown punktet in der Rolle als Rachel, ebenso wie der Rest der Charaktere, die durchweg gut besetzt sind. Allerdings erneut nur auf Englisch. Wer sich an den manchmal etwas „speziellen“ Redensweisen aus dem Vorgänger gestört hat, dem sei Entwarnung gegeben. Die Dialoge klingen deutlich natürlicher, auch wenn wesentlich mehr geflucht wird. Das dürfte mit Chloe in der Hauptrolle aber keine Überraschung sein.

Eine, wenn nicht sogar die größte Stärke von Before the Storm, stellt wieder einmal die musikalische Untermalung dar. Bereits Life is Strange setzte hier eine hohe Messlatte, die das Prequel aber durchweg hält. Neben diversen Eigenkompositionen sind es vor allem die zahlreichen Indie Stücke, die wieder großartig platziert worden sind und die Wirkung vieler Szenen nochmal deutlich verstärken, etwa am Ende von Episode 1 oder Farewell. Zwar können viele Spiele mit einem guten Soundtrack punkten, mir fallen aber nur wenige Titel ein, die diesen so geschickt einzusetzen wissen wie Life is Strange und sein Nachfolger.

Wer den Vorgänger kennt, wird sich auch mit der Steuerung schnell zurechtfinden. Die bleibt nahezu unverändert. Lediglich die Auswahl unserer Aktionen und Dialogoptionen erfolgt nicht mehr über die Maus, sondern WASD, was deutlich einfacher von der Hand geht. Die Gamepadsteuerung habe ich selbst nicht getestet, vermute aber, dass sie wieder einmal etwas zugänglicher ist.

Technisch lief Before the Storm durchgehend stabil, größere Bugs sind mir nicht aufgefallen, lediglich in einigen Dialogen schienen ein paar Audiofiles zu fehlen. Jedoch nicht in dem Umfang, als dass ich es in die Wertung einfließen lassen würde. Bei den Systemanforderungen ist das Spiel seiner Optik entsprechend genügsam, sodass mein Rechner vor keine großen Herausforderungen gestellt wurde und ich von langen Ladezeiten oder fps Einbrüchen verschont geblieben worden bin.

 

Die verbesserten Gesichtsanimationen stellen eine große Bereicherung für das Spiel dar. Leider nicht im Bild: die tolle musikalische Untermalung.

Was hat ein Prequel zu leisten? Fazit

 

Für mich gibt es im ersten Life is Strange ja nur ein richtiges Ende, nämlich Chloe sterben zu lassen. Den Tod hunderter, wenn nicht tausender Menschen in Kauf zu nehmen, nur um die beste Freundin zu retten, erscheint mir einfach falsch. Die Erkenntnis, dass sich Chloe und Max dadurch nie wiedertreffen werden und Chloe einsam auf der Schultoilette sterben wird, gehört für mich zu den bittersten Spielemomenten der letzten Jahre. Dass ich in Before the Storm nun die Geschichte zweier Todgeweihter miterlebe, verleiht dem Spiel eine besonders traurige Note.

Before the Storm fällt auf den ersten Blick in vielerlei Hinsicht hinter seinem Vorgänger zurück, bietet weniger Entscheidungsfreiheit, weniger Gameplay und wirkt erzählerisch deutlich gehetzter. Dass es am Ende trotzdem gut funktioniert, liegt an seiner Wechselwirkung mit Life is Strange.  Als Prequel macht es seine Sache nämlich außerordentlich gut. Es verleiht Chloe nicht nur wesentlich mehr Tiefe, sondern lässt ihre Beziehung zu Rachel endlich greifbar werden. Dass beide Charaktere und ihre Dialoge durchweg gut dargestellt sind, lässt manche erzählerische Schwäche verzeihen. Es gibt mehr als genug emotionale Momente, in denen das Spiel punkten kann, nicht zuletzt wegen der tollen musikalischen Untermalung.

Als eigenständiges Spiel leistet Before the Storm vielleicht etwas zu wenig, bereichert aber die Ausgangslage des Hauptspiels so sehr, dass ich gerne bereit bin darüber hinweg zu sehen. Für Fans des Originals kann ich an dieser Stelle also eine ganz klare Kaufempfehlung aussprechen.


Wertung
Pro und Kontra
  • tolle Hauptfiguren
  • gut geschriebene Dialoge
  • sehr gute Sprecher
  • fantastische musikalische Untermalung
  • interessante Entscheidungen
  • grafisch stets stilsicher
  • bereichert die Geschichte des Vorgängers auf ganzer Linie
  • eigentlich interessante Story,...
  • ...die ihr Niveau leider zum Ende hin nicht halten kann
  • diverse Handlungsstränge werden zu schnell abgehandelt
  • Entscheidungen haben eher wenig Auswirkung

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

genau richtig

Bugs:

Nur sehr wenige

Spielzeit:

Mehr als 10, weniger als 20 Stunden



Kommentare(2)
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