X-Com goes X-Men

Am 21.11.2012 stellte ich eine Rezension für Firaxis' X-Com Remake in diesesForum ein und bewertete das im Vergleich zum Original aus den 90ernlange nicht...

von - Gast - am: 24.11.2013

Am 21.11.2012 stellte ich eine Rezension für Firaxis' X-Com Remake in dieses
Forum ein und bewertete das im Vergleich zum Original aus den 90ern
lange nicht so komplexe, dafür aber stimmungsmäßig und technisch brilliant
gemachte Spiel mit 90%. Was ich damals positiv, aber auch negativ zu diesem
Spiel sagte gilt auch heute noch bis auf Kleinigkeiten, die hier explizit
Erwähnung finden werden.

Auch in diesem Text sollen Story-Spoiler gering gehalten und auch
nicht alle neuen Techniken beschrieben werden -- bis auf einige wenige,
die für die Rezension relevant sind. Wer auch das nicht mag, da er oder
sie ohnehin schon entschieden hat, das neue Spiel zu spielen, möge dies
tun und das folgende nicht lesen.

Das Expansionpack als Ganzes fühlt an, wie eine kräftige Gewürzmischung,
die in die ansonsten bereits fertige Suppe einfach eingerührt wurde.
Diese Würzmischung ist aber durchaus goutierbar und bringt insbesondere
in punkto Soldatenpersönlichkeiten entscheidenden Mehrwert.

Geordnet und zum Tema:

Gameplay
Hier haben sich Kleinigkeiten getan. So gibt es nun bei der Missions-
vorbereitung einen Button "Make items available" mit dem man alle
Soldaten, die nicht auf dem Flugdeck stehen, ihre Ausrüstung direkt
in die Armory bringen lassen kann, was mitunter einiges an
Klickarbeit spart.

Was die Missionen betrifft so begegnen dem Spieler nun viele Aufgaben,
die auf die eine oder andere Weise einen Timer haben, der aber oft auch
nur an eine Belohnung geknüpft ist. Diese Timer, zusammen mit geeigneten
upgrades, die den Soldaten bei vergleichbarem Risiko für Leib und Leben
rasches Erkunden des Spielplans ermöglichen, beschleunigen den Spielablauf
in angenehmer Weise und verleihen dem Spiel auch etwas Tiefgang, während
der Spieler abwägt: Brauche ich den Meld-Container (eine neue Resource, die
für die beworbenen Bio- und Tech-Upgrades benötigt wird und die mit
Verfallsdatum auf einigen Spielplänen herumliegt) so dringend, oder nutze
ich diese letzte Runde, während der der Heavy Weapon Specialist den Sectoid
mit der Restmunition aus seinem Maschinengewehr in Deckung zwingt, um den
Assaulter mit dem Arc Thrower-Betäubungsgerät lieber doch dorthin zu schicken?

Gemein aber realistisch ist, dass Soldaten, deren Zug beendet ist,
nicht mehr mit Objekten interagieren können: Wer eine Tür öffnen oder
das Meld einsammeln will muss bis zur nächsten Runde warten und
hoffen, dass es dann noch nicht zu spät ist. Auch ein rollenspieltechnisch
verwerflicher Kamikazerun auf einen Meld-Container wird so erheblich
erschwert.

Interessant ist, dass es nun früh im Spiel ein Foundry-Upgrade gibt,
das es allen Soldaten ermöglicht, zwei Backpack-Objekte zu tragen.
Bei mir führte das aber nur bei den Assaultern zu echten Neuerungen:
Diese hatten vorher meist keinen aktiv einsetzbaren Gegenstand, da der
Slot durch das Chitin Plating belegt war. Heute haben gegen Ende
alle meine Soldaten im Team Chitin-Plating (Pech für Alien-Nahkämpfer)
und einen beliebigen Zweitgegenstand. Auf der aktiven Seite tat sich also
wenig. Das upgrade ist aber trotzdem hoch willkommen und macht die
frühe Foundry interessant!

Ein Blick in die Gefallenenliste bringt nun auch Überblick über die
Todesursache und bestätigt, was ich immer vermutet hatte:
Der eindeutig gefährlichste Außerirdische ist auch in der Expansion
der Thin Man!

Grundsätzlich betrachtet ist das Ungleichgewicht zwischen den schweren
Anfangsmissionen und den am Ende leichten Finalmissionen nocheinmal
deutlich stärker geworden. Die hohe Missionsdichte am Anfang mit Horden
der erwähnt tödlichen Thin Men motivierte mich zu Beginn des Spieles
sogar ein dringend benötigtes Laboratorium zu bauen -- ein Gebäude, das
im Grundspiel fast keine Rolle spielt. Mit Startkontinent Europa war es
auch finanzierbar. Hingegen zum Endspiel fällt auf, dass der technologische
Boost, den das Erweiterungspack X-Com bringt, den Außerirdischen etwas
abgeht. Nochmal zur Missionsdichte pro Zeit: Insgesamt ist das Spiel um
den Expansion-Inhalt, nun, erweitert. Dies hat bei mir die Gesamtzahl
der Missionen bis zum Sieg um 50% erhöht. Der Sieg fand aber trotzdem
im September statt.

Alienupgrades
Der dringend benötigten Sectoid-Verstärkung (die dem Mindmeld, mit dem
sich die Grays immer selbst in den Fuß schießen, endlich einen
für die Außerirdischen positiven Sinn gibt) hätte man noch einen
Granatwerfer gönnen können.

Und auch der hier nicht näher beschriebene Seeker hätte eine stärkere
Heavy-Variante oder auch nur eine KI, die ihn in erster Priorität erst
mal zu seinen Freunden fliehen oder, noch besser, diese holen gehen
lässt (als Sniperschreck ist er ja gut, aber immer nur zu zweit ist
er viel zu leicht zu kontern), gut gebrauchen können: Seine Fähigkeiten
machen ihn eher zum Supporter als zum Einzelkämpfer.

Zu den Gewinnern der Expansion gehört jedoch klar der Sectopod, der in
neugefundenen Glanz erstrahlt! Sein Upgrade war sicher leicht
zu programmieren, aber wichtig, um durchzusetzen, was im Grundspiel
noch nicht funktionierte: Hier ist eine Maschine, die das Schlachtfeld
beherrscht. Insbesondere meine zum Zeitpunkt seines Auftauchens zum Übermut
erfolgsverwöhnte Truppe hat das kurz vor Ende des Spiels hart lernen müssen.

Soldaten
"As you know, every soldier is different", sagt Central Officer Bradford
nach der ersten Mission. Was im Grundspiel, auch ob der Tatsache, dass
meist eine von zwei Trainingsmöglichkeiten in 100% aller Fälle besser ist
als die andere, wie ein schlechter Witz klang ist nun einigermaßen Realität
geworden.

Im Grundspiel reichte der Blick auf Rang und Typ, um das Team für
eine Mission zusammenzustellen, da bei den Beförderungen zumindest
bei mir immer dieselben Entscheidungen getroffen werden. Heute kann
ein Soldat zusätzlich an verschiedenen Körperteilen genetisch aufgepeppt
sein. Oder er kann durch das etwas hölzern daherkommende Ordenssystem
individuelle Vorteile gegenüber gleichrangigen Kameraden derselben
Waffengattung haben.

Der Commander bekommt nämlich ab und zu Orden, die er nach Lust und
Laune an die Truppe verteilen kann (die diese dann mit stoischer Miene
in Empfang nimmt. Naja, sie wurde ja auch nicht für ihre Herzenswärme
angeheuert). So ein Orden gibt dem Soldaten situationsabhängige
Bonuspunkte und machen ihn zu einem Sonderling, den man in manchen
Missionen mitnimmt und in anderen bewusst zu Hause lässt. Schönstes
Beispiel ist ein Orden, der allen Teamkameraden, die noch nicht im Range
eines Captains stehen, leichter Beförderungen verschafft. So jemand ist
eine wichtige Nachwuchs-Führungskraft, die im Regelfall zu Hause bleibt,
wenn das A-Team ausrückt. Und die Orden sind rar. Pläne wie "jeder
Assaulter bekommt Orden xy" gehen nicht auf.

Die Genmodifikationen kommen für die Körperregionen Hirn, Augen,
Brust, Knochen und Haut daher und bieten, wie gewohnt, je zwei Optionen
die einander ausschließen. Nach gerade einmal einem Spiel kann ich
noch nicht in allen Fällen sagen, welches Upgrade besser ist.
Erwähnt sei hier nur das teuerste Genupgrade: Mimic Skin.
Assaulter mit Mimic Skin sind das Herz der Truppe. Sie stürmen
unsichtbar über das Schlachtfeld und klären Aliens auf, die dann
von den Snipern aus heiterem Himmel erledigt werden.
Außerdem erbeuten Mimicer unerkannt frisches Meld und entkommen
als verdeckte Agenten den Exalt-Schlägern. Oh Ihr Aliens! Mit den
Seekern, deren Autopsie diesen Alptraum ermöglichte, habt Ihr Euch einen
Bärendienst erwiesen, denn Euren Truppen fehlt leider jede Form
von Detektoren und die Tarnung funktioniert zu 100%.

Etwas zynische Commander können ihre Soldaten auch als "Freiwillige"
Dr. Shen's Cyber-Programm unterziehen. Die Betroffenen bringen, wie
der ansonsten sehr ethische Ingenieur sagt, große Opfer, um dann als
waschechte Battle-Mechs das Feld zu betreten.
Spielerisch bringt das eine ganz neue Waffengattung und einigen Reiz:
Der Mech hat Hardened Armor und einen eigenen Entwicklungsbaum zusätzlich
zu dem des Piloten. Die Fertigkeiten des Mechs addressieren einige
Dinge die der Truppe bislang fehlten und die ich hier nicht alle
aufliste. Ein gutes Beispiel ist der einbaubare Nahkampfangriff.
Es tut einfach gut, zur Abwechlung so einen frechen Cryssalid ungespitzt
mit den Mandibeln durch die Wand zu prügeln! Das mit dem durch die Wand
prügeln geht auch ohne Alien dazwischen. Und das ist toll! Denn damit
ist ein wichtiger Kritikpunkt aus meiner Rezension des Grundspiels behoben,
nämlich der Wunsch Wände bewusst zu zerstören, um Durchgänge zu schaffen.
Dem Mech steht auch noch ein zweiter oft einsetzbarer Angriff zur Verfügung,
um Gelände zu zerstören -- und diesen hat er sogar von Anfang an.

Bugs
Schließlich wurden einige Bugs behoben. Vor allem erfreut, dass es dem
Sniper mit Squad-Sight mittlerweile genügt, wenn der Feind durch seinen
eigenen Battle-Scanner aufgeklärt wurde. Nun kann er endlich in der ersten
Runde den Scanner werfen und in der zweiten sein nicht besonders
ehrenhaftes aber kriegswichtiges Ding durchziehen.

Neu ist auch, dass wer den Sectopod stürmt, um ihm nach langer Schlacht
aus nächster Nähe mit der Alloy-Cannon (hoffentlich) den Rest zu geben,
erfährt, dass die im Erfolgsfall auftretende bisher rein grafische
Explosion nun so weh tut, wie es der involvierten Eleriumdichte
im platzenden Reaktor angemessen ist.

Überhaupt wurde die Ai-Verbessert. Insbesondere die Floater und die
Cyberdisk sind durch ihr Verhalten deutlich stärker geworden.
Vor allem die stärkeren Aliens entscheiden nun auch einmal, dass der
komische Heavy, der sie da aus 100 Meter Entfernung in Deckung zwingen
will, doch eh nichts trifft, falls sie veruchen wegzulaufen -- und haben
Recht damit. Die Sectoiden fügen sich nun allerdings noch erbärmlicher
in ihre Opferrolle zwischen den Ethereals auf der einen und X-Com
auf der anderen Seite.

Auf negativen Seite verwendet Firaxis immer noch einen Zufallsgenerator,
der (nicht analysiert aber intensiv gefühlt) zu viele und zu lange
Runs hat. Wenn ein Soldat mit 90% Trefferwahrscheinlichkeit daneben
schießt hat man hervorragende Chancen, dass seine Kollegen mit vergleichbar
hohen Werten auch daneben holzen. Und wenn man Glück hat, hält der Run
lange genug vor, dass auch die Aliens nichts treffen.
Das macht nach wie vor die Munchkin-Rechnung, dass ein Double-Shot-Assaulter,
dem ein einzelner Treffer reicht, den Einzelschuss bevorzugen sollte, falls
die unmodifizierte Trefferwahrscheinlichkeit kleiner als 34% oder größer
als 96% ist, etwas akademisch, da die Schüsse nicht stochastisch
unabhängig sind.

Ebenfalls weh tut, dass Firaxis eine "Map-Rotation" verwendet, die die
neuen Maps "früh ins Spiel bringen" soll. Das ist schade! Denn die neuen
Maps ergänzen thematisch, dass nun auch mal ein UFO über einer Stadt
abgeschossen wird. Dass jedoch alle neuen Maps direkt am Anfang gezeigt
werden reduziert nicht nur den Wiederspielwert sondern sorgt auch dafür,
dass man, wo man früher in 100% aller Fälle in der Wildnis nach UFOs suchte,
nun erst einmal nur UFOs in der Stadt aufspürt.

Die Mimitic Skin, die bei der Partie auf der diese Rezension basiert,
exzessiv genutzt wurde, macht auch einen bereits im Grundspiel
enthaltenen Endkampffehler relevant: Wer unsichtbar den Endkampf
in der finalen Mission auslöst sieht sich unvollständig gespawnten
Aliens gegenüber, die zwar igendwie da sind, aber ihren Zug nicht
ausführen und so das Spiel effektiv aufhängen.
Hier wäre eine einfache Lösung, dass die vermutlich ohnehin blinden
Ethereals sich von der Hautfarbe der Soldaten nicht beeindrucken lassen.
Insbesondere der Ober-Ethereal hat ja perverserweise ohnehin den
Fortschritt der X-Com-Truppen auf seinem Territorium minütiös verfolgt
-- ganz ohne Line of Sight -- und muesste wissen, dass "der Neue"
auf der Brücke ist.

Neue Missionen
Wie schon bei Slingshot beweist Firaxis, dass sie mitunter viel Liebe in
einzelne Karten stecken können. Ein wunderbares Intermezzo, das noch nicht
mal eine übertriebene Belohnung nach sich zieht, ist eine Mission in
einem Fischerdorf. Aber auch die Ratsmissionen, die sich um den Exalt-
Plot drehen, sind für sich genommen schon fast die Expansion wert
(ok, die erste ist nichts Besonderes).

Überhaupt ist der Exalt-Nebenplot eine schöne Erweiterung, die sich nicht
zu 100% auf dem Schlachtfeld sondern auch im Situation-Room abspielt.
Hier kann man entscheiden wann man Geheimagenten losschickt, um Exalt-
Zellen (es handelt sich um eine Terrororganisation im schönsten Bond-Sinn)
ausfindig zu machen. Tut man dies zu früh nach einem Schlag gegen Exalt,
finden die Agenten nichts. Tut man es zu spät, müssen die Agenten nicht
lange suchen, da sie den Schlag zurückverfolgen können, der bereits das
aktuelle Projekt von Dr. Valen sabotierte, das Bankkonto leerte, oder
Panik in irgend einem Land hervorrief.

Dann wiederrum: Erfolgloses Suchen ist doof, suchen kostet nämlich Geld.
Ist eine Zelle gefunden, kann ein einzelner Soldat als verdeckter Ermittler
und nur mit einer Handfeuerwaffe bewaffnet losgeschickt werden.
Das alles ist recht stimmungsvoll gemacht. Allerdings hinkt Exalt
trotz eigener Entwicklung der technischen Entwicklung von X-Com fatal
hinterher.

Fazit:
Diese Expansion entfernt das Spiel noch weiter vom (auch von mir)
glorifizierten Original aus den 90ern. Aber das wird nur tragisch, wenn
man sagen will: Das Spiel ist ein modernes Remake, das den Klassiker
ersetzen will. Tut man das nicht findet man mit "Enemy Within" eine
Erweiterung die vor allem zeigt, dass sich Firaxis die Kritik der Spieler-
gemeinde sehr zu Herzen genommen hat. Und sie taten es mit Fantasie!
"Enemy Within" ist düsterer als das Original und das veränderte Einganszitat
(sinngemäß: "Die mit dem Spielzeug des Teufels hantieren, werden in kleinen
Schritten dazu gebracht werden, sein Schwert zu führen.") ist
auch diesmal wieder treffend gewählt, aber vor allem viele Schwächen des
immer gleichen Spielablaufs mit seinen immer wieder kehrenden logischen
Löchern wurden abgedämpft oder behoben.

Im Haupttext nicht erwähnt habe ich die neuen, wieder sehr kunstvoll
gemachten Zwischensequenzen, die den Exalt-Plot erzählen.

Zur Wertung. "Enemy Within" ist echter Mehrwert. Dass man parallel auch
das komplette Grundspiel fast unverändert nocheinmal spielt tut ob
der neuen Möglichkeiten und dem Feeling der Meld-Jagd kaum weh.
Damals vergab ich 90%. "Enemy Within" ist eine Steigerung zum Positiven.
Auf den durchaus vorhanden und hier nicht komplett aufgelisteten Bugs
herumzuhacken wirkt kleinlich. Der Spielspaß entscheidet. Und den
empfand ich als immens und dem Kaufpreis durchaus entsprechend.
95% sollten es sein. So bleibt auch Luft nach oben. Schließlich, daran
hat sich ja nichts geändert, ist das etwas dubiose Ende ein mörderischer
Cliff-Hanger!

100 Prozent gegen Ethereal

(Anmerkung: Das Rechteck (bei mir im Firefox) verbirgt eine Grafik. Rechtsklick bietet die Option "View Image", die zum Screenshot führt)

Ein bisschen Posing sei mir bitte noch gestattet! Der Soldat im Bild wurde nie
traumatisiert, hatte von Rookie an Iron Will Training und kam so
auf einen Grundwert Willenskraft von über 100. Dazu kommen Psi-Armor,
Psi-Inspiration und der gar nicht mal so defensive Mind-Shield, was
sich am Ende zu 194 aufsummierte. Reicht.


Wertung
Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

genau richtig

Bugs:

Nur sehr wenige

Spielzeit:

Mehr als 20, weniger als 40 Stunden



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