Seite 4: US-Urteil über Videospiele - Schwarzenegger gegen die Spielebranche

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Suche nach der Grenze

Was Kalifornien und AB 1179 auf die Füße fallen könnte, ist letztlich die schwierige Frage, wo die Trennlinie zwischen exzessiver und noch vertretbarer Gewalt verläuft. Das Thema ist hoch umstritten, denn eine lupenreine Abgrenzung gilt als kaum möglich.

In allein drei Kategorien und zwölf Unterpunkten geht der Text von AB 1179 auf die Definition von »abartiger Gewalt« ein, darunter detaillierte Auslegungen von Worten wie »grausam«, »abscheulich« und »Missbrauch«. Das deutsche Jugendschutzgesetz widmet der gleichen Definition im Vergleich nur drei knappe Zeilen.

Trotzdem musste sich der Anwalt Kaliforniens bei der Anhörung vor dem Supreme Court am 2. November 2010 in die Mangel nehmen lassen:

Richter Antonin Scalia: Was ist ein abartig gewalttätiges Videospiel? Im Vergleich zu was? Zu einem normal gewalttätigen Videospiel?

Anwalt Zackery Morazzini: Ja, Euer Ehren. Abartig hieße abweichend von etablierten Normen.

Scalia: Es gibt etablierte Normen von Gewalt?

Morazzini: Wenn wir zum Beispiel zurückschauen auf …

Scalia: Um ehrlich zu sein, einige von Grimms Märchen sind ziemlich grausig.

Morazzini: Zugegeben, Euer Ehren. Aber der Gewaltgrad ...

Scalia: Sind die in Ordnung? Wollen Sie die auch verbieten?

Morazzini: Keineswegs, Euer Ehren.

Richterin Ruth Bader Ginsburg: Wo liegt der Unterschied? Wenn Sie eine Kategorie von Inhalten annehmen, die gefährlich für Kinder sind, warum ziehen Sie dann die Grenze bei Videospielen? Was ist mit Filmen? Mit Comics? Mit Grimms Märchen?

Die Frage beschäftigt auch Teile der restlichen Unterhaltungsbranche Amerikas. Vorsichtshalber haben sich die Verbände der Musikindustrie, der Buchverlage und der Werber mit Unterstützungsbriefen an die Seite der Spieleindustrie gestellt, dazu die Generalstaatsanwälte von acht Bundesstaaten und mehrere Professoren.

Kalifornien darf im Gegenzug auf die Rückendeckung von elf US-Bundesländer zählen. Illinois und Delaware haben bereits angedeutet, im Fall eines kalifornischen Siegs ähnliche Gesetze auf den Weg bringen zu wollen.

Kaliforniens Sieg ist unwahrscheinlich

Falls der Supreme Court tatsächlich entscheiden sollte, dass Darstellung von extremer Gewalt nicht automatisch durch das First Amendment geschützt ist, dann stünde sie theoretisch auch in Filmen, im Fernsehen und anderswo neu zur Debatte.

Mit dem M-Logo kennzeichnet die ESRB Inhalte für Erwachsene. Mit dem M-Logo kennzeichnet die ESRB Inhalte für Erwachsene.

Dieses Ergebnis ist allerdings hochgradig unwahrscheinlich. Der Supreme Court denkt in historischen Linien. »Wir urteilen nicht darüber, ob eine Form von Äußerung geringen Wert hat. Wir entscheiden, ob es eine Tradition der Regulierung für diese Form von Äußerung gibt. Wo ist die Tradition der Regulierung von Gewalt?«, erinnerte die Richterin Sonia Sotomayor die Konfliktparteien bei der Anhörung im November. Eine solche Tradition gibt es in den USA nicht. Kaum anzunehmen, dass sie nun geschaffen wird.

»Wir haben so eine lange Geschichte, in der wir uns nie sonderlich um die Zensur von Gewalt geschert haben, und so viele unverhohlen gewaltgetriebene Teile unterer Unterhaltungskultur, dass Kalifornien einen sehr schweren Stand haben dürfte«, urteilt Matt MacLean.

»Der Ausgang dieses Falls dürfte schnell und eindeutig sein«, prognostiziert der Journalist Joseph Jackmovich auf der Webseite Gamrfeed, »alles andere als eine einstimmige Ablehnung des Gesetzes wäre überraschend.«

Gut möglich aber, dass das Oberste Gericht das Recht der Bundesstaaten auf Schutz ihrer minderjährigen Bürger bestätigt, sofern sie dazu enger gefasste Regeln finden. Eine Lösung könnte ein verpflichtende Alterskontrolle auf Basis der etablierten ESRB-Siegel sein. Die Entscheidung des Gerichts wird im Juni erwartet.

Zumindest einer scheint den rechtlichen Rummel jedenfalls gelassen zu nehmen: die amerikanische Spielerschaft. »Ich sehe nur sehr wenig Interesse von unseren Lesern an dem Fall«, sagt der GamePro-US-Redaktionsleiter Julian Rignall. »Es scheint sie nicht besonders zu kümmern.«

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