Dimis Wunsch für 2017 - »Habt mal mehr Mumm«

Dimi kann sich selbst schon nicht mehr beim Jammern zuhören, deswegen macht er seine Kritik an 2016 zu einer liebevollen Hoffnung für 2017.

»You have plenty of courage, I am sure,« answered Oz. »All you need is confidence in yourself.« »You have plenty of courage, I am sure,« answered Oz. »All you need is confidence in yourself.«

2016 war das Jahr der Multiplayer-Shooter. Und das ist prinzipiell super: Ich habe so viel Zeit in Battlefield 1, Overwatch und Rainbow Six: Siege (ja, 2015, ich weiß) verbracht, dass Shooter-König Johannes Rohe mich im Kreis seiner Nächsten vollends akzeptiert. Hach, es geht ja bekanntlich wenig über männliche Initiationsrituale. Trotzdem war das Jahr abseits davon für mich eine ziemliche Enttäuschung.

Wo waren die grandiosen Geschichten? Wo die spielerischen Revolutionen? Wenn der Triple-A-Branche 2016 eines gefehlt hat, dann war das in meinen Augen der Mumm, unser Medium mal in eine wirklich gewagte Richtung zu katapultieren. The Division erwies sich am Ende doch »nur als Grind-Shooter im Destiny-Windschatten - und quasi der komplette Rest des Spiele-Line-Ups bestand aus Fortsetzungen bekannter Marken, aus Remastered Editions, Reboots und so weiter.

Wir hatten ein neues Deus Ex, eine Neuauflage zu Doom, Fortsetzungen zu Mafia, Civilization, Street Fighter, Hitman, Dark Souls, Mirror's Edge, natürlich Call of Duty. Und ja, einige davon waren auch tatsächlich besser als die Vorgänger, beispielsweise Forza Horizon 3. Ich hatte mit den meisten dieser Titel selbst extrem viel Spaß. Aber bei einem so jungem Medium sollte man große Innovationen eigentlich nicht mit der Lupe suchen müssen. Und der Hoffnungsträger No Man's Sky entpuppte sich als eine der herbsten Community-Enttäuschungen der letzten fünf Jahre.

Nicht falsch verstehen: Ich werfe keinem Entwickler vor, dass er kein Herzblut und zu wenig Kreativität in sein Projekt gesteckt hat. Die Mehrheit der 2016 erschienen Spiele hat zurecht eine hohe Wertung abgestaubt. Aber im ganz großen Überblick ergibt sich das Bild einer stagnierenden Triple-A-Branche, die sicherlich nicht zuletzt deshalb unter sinkenden Verkaufszahlen krankt. Und das muss sich ändern!

Über den Autor: Dimi liebt Spiele, egal ob sie schlau oder simpel sind. Wenn er will, kann er auch mit Rambo: The Video Game Spaß haben (zwei, drei Bier vorausgesetzt), sich jubelnd durch die Kampagne von Call of Duty schießen und sich die halbe Nacht stumpfsinnig durch Torchlight schnetzeln. Aber er liebt auch das Philosophieren über die intellektuelleren Seiten unseres Lieblingsmediums, büffelt Game Studies und macht sich deshalb im Videoformat Spotlight für spannende Facetten an Spielen stark. Grund genug also, dafür zu plädieren, dass die Branche dieses breite Spektrum weiter ausbaut.

Die Großen stehen unter Zugzwang

Es gibt unter den Spielejournalisten durchaus die eine oder andere Person, die mit kulturellem Sendungsbewusstsein ein Fortschreiten des Spielemediums hin zu intellektueller Blüte fordert. Ich kann das schon verstehen - die klassische Massenzielgruppe aus männlichen Teens und Twens mit Faible für Action, Autos und barbusige Gaming-Babes deckt lange nicht mehr das Potenzial unseres Mediums ab. Spiele wie That Dragon, Cancer, Papers, Please oder Cart Life werden von diesen Kritikern als Zeichen einer Nouvelle Vague gesehen, die unsere Branche dringend mal nötig hat.

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Ich persönlich halte intellektuelle Feinfühligkeit zwar beileibe nicht für den einzigen Weg, den Spielbranche und -journalismus einschlagen sollten. Aber in einem Punkt teile ich die Meinung dieser kritischen Köpfe auf jeden Fall: Unser Medium muss gefälligst kreativ bleiben. Auch abseits des Indie-Bereichs. Bei Multimillionen-Dollar-Investitionen scheuen einige Publisher das große Risiko, aber das darf keine Ausrede sein, um in Stagnation zu verfallen. Die schlechten Verkaufszahlen eines Infinite Warfare bringen den Investoren hinter Activision schließlich auch wenig.

Ich wünsche mir für 2017 mehr Mumm in der Branche. Bethesda ist 2016 mit Dishonored 2 in Vorlage gegangen und hat eine richtig tolle Welt erschaffen. Square Enix hat mit Hitman als Live Service einen mutigen Schritt gewagt, den die Community erst nach einigen Monaten akzeptieren wollte - dann aber mit lautstarkem Beifall. Im neuen Jahr will ich mehr davon sehen. Ich will so richtig überrascht werden.

»Das kriegen die anderen Publisher doch sicher auch hin

Und meinetwegen darf auch der Anspruch steigen (auch wenn ich mich persönlich prima mit Action-Feuerwerken unterhalten kann). Rockstar schafft mit Grand Theft Auto 5 und Red Dead Redemption schließlich einen ähnlichen Spagat wie die Filmklassiker Scarface und The Matrix: Die breiten Massen mit ordentlich Spektakel abholen und den intellektuelleren Zuschauern gleichzeitig Interpretationsfutter für spannende Diskussionen bieten. Das kriegen die anderen Publisher doch sicher auch hin.

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Ein Beispiel: Ich will ein Mass Effect: Andromeda, das wirklich mal neu definiert, wofür das moderne Bioware steht. Keine lahmen Crafting-Orgien, kein purer Fanservice. Und ja, auch keine aufgezwungenen Multi-Gender-Romanzen, nur weil man in den Vorgängern damit mal ein Statement gesetzt hat. Kein PR-Bla-Bla über Entscheidungen und Konsequenzen, das ich in der Form schon 2008 gehört habe. Das alles darf natürlich trotzdem drin sein (allem voran die Multi-Gender-Romanzen), aber Bioware soll sich nicht einfach auf den fünf Buzz-Begriffen ausruhen, die sie über die Jahre groß gemacht haben.

Das soll nicht respektlos klingen. Wie gesagt, die Entwickler stecken über mehrere Jahre extrem gute Arbeit in ihre Projekte. Und auch hinter den aktuellen Blockbustern stehen Hunderte kreativer Köpfe mit viel Talent - im Besonderen bei Bioware. Mein Ansatz ist folgender: Wir sind an einem Punkt angekommen, an dem es immer schwieriger wird, neue spielerische Meilensteine vor allem über bessere Optik, krassere Effekte, größere Welten und mehr Feuerwerk zu erreichen. Und das PR-Bingo aus Werbephrasen, die uns fortwährend jedes Triple-A-Spiel als bahnbrechendes Meisterwerk und Meilenstein im jeweiligen Genre verkaufen, machen das Problem nicht kleiner.

Die Branche kann es sich nicht leisten, einfach stillzustehen und Jahr für Jahr das neue Call of Duty als nächsten großen Schritt im Action-Bereich zu verkaufen. Die beiden besten Spiele-Geschichten 2016 waren ein Addon (The Witcher 3: Blood and Wine) und eine Mod (Enderal). Wenn das Medium Spiel weiter an Relevanz gewinnen will, dann muss es mehr Mumm zeigen, mehr Risiken wagen, mehr Ideen für ein diverseres Publikum liefern, statt das alles auf den Indie-Sektor oder VR-Experimente abzuwälzen. Und das wünsche ich mir für 2017.

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