Master of Orion im Test - Auferstanden aus Orion

Das neue Master of Orion ist im Early Access spürbar gereift. Aber reicht das schon für einen Spitzenplatz im 4X-Genre?

Ein neues Master of Orion, und ich schreibe den Test. Es ist der Abrams-Effekt in Reinkultur. Wie bei J.J. Abrams »Star Trek«-Reboot überfluten mich Lens-Flares (zumindest in Zwischensequenzen) und Kindheitserinnerungen. Beim Film daran, wie ich aus der Schule nach Hause stürmte, um Jean-Luc Picard im ZDF-Nachmittagsprogramm beim Earl-Grey-Nippen zuschauen zu können.

Und beim Spiel - natürlich - an Master of Orion 2. Wie ich galaktische Imperien wob, während Regentropfen ans kinderzimmerliche Dachfenster klopften. Wie ich auf meiner 14. Geburtstagsfeier die Familiengäste warten ließ, weil ich noch eben schnell die Antaraner abwehren musste, ein schönes Schlachtschiff zusammenschrauben und den Feldzug gegen die Sakkra planen.

Zumindest für mich ist kaum ein Strategiespiel - außer vielleicht Civilization 2 - so nostalgisch aufgeladen wie Master of Orion 2. Und ein neues Master of Orion entsprechend keine einfache Fortsetzung, sondern etwas, auf das ich zwei Jahrzehnte lang gewartet habe. Denn Master of Orion 3 hat es ja bekanntlich nie gegeben, richtig? Richtig.

Die Startpositionen sind nicht immer fair; wer Pech hat, findet anfangs kaum bewohnbare Welten. Wir haben hier Glück. Die Startpositionen sind nicht immer fair; wer Pech hat, findet anfangs kaum bewohnbare Welten. Wir haben hier Glück.

Die Geschichte der Rundenstrategie
In unserer großen Reportserie für GameStar Plus beleuchten wir die Geschichte der Rundenstrategie sehr ausfürhlich, von ihren wilden Anfängen bis heute. Dazu sprechen wir unter anderem mit dem Genre-Pionier und Stahlhelmträger Chris Crawford, dem Civilization-Vater Sid Meier und den britischen Brüdern Julian und Nick Gollop, denen wir die XCOM-Serie verdanken - und damit, indirekt, das moderne Revival des Rundenstrategie-Genres.
Teil 1: Die Runden-Pioniere
Teil 2: Ein Genre erobert die Welt
Teil 3: Die Wiege der Civilization
Teil 4: Die Retter der Runde

Nun also Master of Orion: Conquer the Stars, das dem weißrussischen World-of-Tanks-Entwickler und Neu-Publisher Wargaming eine »Herzensangelegenheit« war. Sagt zumindest Firmenchef Victor Kisly. Wer's mit dem Herzen hat, muss jedoch manchmal Pillen schlucken, und drei davon wirken bei Master of Orion erst mal bitter. Erstens ist es kein Remake des genialen zweiten Serienteils, sondern »nur« des ersten.

Deshalb fehlen liebgewonnene Elemente wie rekrutierbare Flottenkapitäne und Koloniegouverneure (hach, Brainac …) oder die Antaraner, jene schwerbewaffneten Rüpel aus der Nachbardimension, die ich zum Partiebeginn fürchtete und zum Partieende kalt lächelnd ins Nirwana bombte. Pille Nummer zwei: Master of Orion kein gänzlich originalgetreues Remake, sondern in wesentlichen Aspekten abgeändert, ich sage nur Echtzeitschlachten.

Neue Welt Neue Welt
Neue Runde Neue Runde

Filmchen illustrieren den Partiebeginn ...

Drittens haben die Entwickler in der halbjährigen Early-Access-Phase einige neue Ideen gestrichen, etwa neutrale »Stadtstaaten« à la Civilization 5. Aber das muss nichts Schlimmes bedeuten! Denn die Mini-Zivilisationen sollen per Patch nachgeliefert werden, zudem war Master of Orion nie überkomplex, ein Teil seiner Faszination lag stets in der übersichtlich-eleganten Spielmechanik.

Master of Orion 3 (das es nie gab, nein) scheiterte nicht zuletzt daran, dass es diese Einfachheit fanatisch verkomplizierte. Diese Lektion haben die Macher des neuen Master of Orion gelernt und in der Early-Access-Werkstatt vorbildlich an ihrem Spiel geschliffen. Also was kann es denn nun, das neue Master of Orion?

Der große Konkurrent: Stellaris im Test

Master of Orion 2 - Hall-of-Fame-Video zum Strategie-Klassiker Video starten 8:47 Master of Orion 2 - Hall-of-Fame-Video zum Strategie-Klassiker

Elf Feinde

Grundsätzlich kann es dasselbe wie das alte Master of Orion. Es hat dieselben Gebäude, dieselben Waffen, dieselben Schiffsklassen, dieselben Technologien, dieselben planetensprengenden Todessterne und denselben Schatzplaneten Orion in der Milchstraßenmitte, der vom monströsen »Wächter« bewahrt wird und bei seiner Eroberung wertvolle Fortschritte preisgibt. Auch die zehn wählbaren Völker sind alte Bekannte, von den charismatischen Menschen über die produktiven Klackon-Insekten bis zu den meisterhaften Darlok-Spionen.

Eine elfte Fraktion, die niederträchtigen Terraner (die zeigen, was aus der Erde geworden wäre, wenn Khan aus »Star Trek« gesiegt hätte), gibt's bloß in der 46 Euro teuren Collector's Edition - und nein, das sind sie nicht wert. Ich kann mir ja einfach »böse« Menschen via Völker-Editor bauen.

Apropos: Das Alien-Basteln ist für echte Fans freilich Ehrensache, wobei mir »Werteboni wie »+25% Produktion« oder »+50% Nahrung« nützlicher erscheinen als vermeintlich gleichwertige Eigenschaften à la »Gestaltwandler« (bessere Spione) oder »Kriegsherr« (bessere Bodentruppen).

Die Indie-Alternative: StarDrive 2 im Test

Weit herausgezoomt sieht man die komplette Galaxis. Die Einblendung +quot;Erweitertes Spiel+quot; bedeutet, dass wir bereits eine der fünf Siegbedingungen erfüllt haben, aber trotzdem weiterspielen. Weit herausgezoomt sieht man die komplette Galaxis. Die Einblendung "Erweitertes Spiel" bedeutet, dass wir bereits eine der fünf Siegbedingungen erfüllt haben, aber trotzdem weiterspielen.

Apropos: Die Eigenschaften der vorgegebenen Völker weichen dezent vom Original ab. So sind die eierköpfigen Psilonen zwar immer noch die einzige »kreative« Rasse, die alle Fortschritte erforschen darf. Weil das Wissenschaftssystem anders funktioniert (dazu gleich mehr), bringt das aber weniger Vorteile. Neu ist dafür, dass manche Völker eine Vorliebe für bestimmte Planetensorten mitbringen, also die Nachteile unwirtlicher Gestirne ignorieren.

Wie gehabt teilen wir Kolonisten als Forscher, Bauern oder Fabrikarbeiter ein. Wie gehabt teilen wir Kolonisten als Forscher, Bauern oder Fabrikarbeiter ein.

Die katzenhaften Mrrshan etwa bevorzugen »trockene« Welten, wo andere Rassen weniger Nahrung ernten. Das ist eine clevere Ergänzung, weil ich meine Expansionsstrategie anpassen muss: Mit den Mrrshan lasse ich idyllische, »erdähnliche« Paradiese links liegen, um stattdessen interstellare Dörrpflaumen zu besiedeln.

Mit den kristallinen Silicoiden, deren Bevölkerung nicht durch den Nahrungsanbau wächst, sondern durch üppige Mineralienvorkommen, suche ich hingegen gezielt nach unfruchtbaren, gesteinsreichen, am besten vulkanischen Himmelskörpern, an denen sich andere Völker die Finger verbrennen würden.

Und dort kann ich dann gleich die Produktion von Gebäuden und Schiffen ankurbeln, weil ich keine Bewohner als Bauern abstellen muss - wie gehabt lassen sich Kolonisten als Wissenschaftler, Industriearbeiter oder Nahrungsproduzenten einteilen. Die Völkerwahl beeinflusst also die Spielweise, zumindest zu einem gewissen Grad.

Die Raumschlachten sind nicht übermäßig taktisch, aber nett anzuschauen. Die Raumschlachten sind nicht übermäßig taktisch, aber nett anzuschauen.

Master of Multiplayer
Master of Orion bietet auch einen Multiplayer-Modus für bis zu acht Spieler. Den konnten wir aus Zeitgründen allerdings noch nicht ausgiebig testen. Schade: Schlachten werden im Multiplayer grundsätzlich ausgewürfelt und lassen sich nicht in Echtzeit austragen.

Nicht alles gleich

Die Planetenqualität beurteilt Master of Orion erneut in zwei Kategorien: Biom (je grüner, desto mehr Nahrung) und Mineralienvorkommen (je reicher, desto mehr Produktion). Fair verteilt sind die Werte allerdings nicht immer. Wer Glück hat, badet gleich zum Beginn in hochwertigen Himmelskörpern; Pechvögel starten in einer Ecke voller Schrottkugeln, die zudem per »instabilen Sprungpunkten« vom Rest der Galaxis abgeschnitten ist - zumindest, bis man fortschrittliche Reisetechnologie erforscht hat.

Apropos: Reisen durch die Milchstraße sind im neuen Master of Orion nicht mehr völlig frei möglich, stattdessen kurven Flotten entlang von vorgegebenen Sternen-»Autobahnen« von System zu System. Das ändert das Spielgefühl, ist aber kein Nachteil, weil es auch neue Taktiken ermöglicht.

So lassen sich Knotenpunkte mit Militärstationen blockieren, um Besucher auszusperren. Fortschrittliche Reiche dürfen zwischen ihren Kolonien überdies Sprungtore zimmern, um Reisezeiten abzukürzen. Gut, keine Revolution, solche Hyperlane-Reisesysteme kennt man aus anderen 4X-Spielen.

Technologiewahl Technologiewahl
Technologiebaum Technologiebaum

Master of Orion hat nun einen klassischen Technologiebaum à la Civilization.

Größere Auswirkungen auf das Spielgefühl hat da schon das neue Forschungssystem. Im alten Master of Orion musste ich bei jedem Fortschritt eine von drei Untertechnologien wählen, die anderen beiden konnte ich dann nur erhandeln oder mit Spionen stehlen. Lediglich »kreative« Völker lernten alles.

Wir weisen fremden Kolonien Spione und denen dann Aufträge zu. Wir weisen fremden Kolonien Spione und denen dann Aufträge zu.

Im neuen Master of Orion gibt's hingegen einen althergebrachten Technologiebaum à la Civilization, nur eine Handvoll Forschungsziele zwingen mich zur Wahl zwischen Alternativen, etwa tödlicheren Raketen versus dickeren Panzerplatten. Und die richtige Wahl ist meist so offensichtlich, dass meine Haare ungerauft bleiben; entsprechend weniger wertvoll sind »kreative« Völker.

Ebenfalls angepasst haben die Entwickler die Spionage: Statt massenhaft Agenten zu rekrutieren und pauschal einem Gegner zuzuweisen, errichte ich eine Geheimdienstzentrale, die alle paar Runden Nachwuchs ausspuckt. Die Schnüffler schicke ich einzeln zu fremden Kolonien, wo sie versuchen, Fortschritte zu stehlen oder Aufstände anzuzetteln.

Und … das läuft so nebenher. Essentiell ist die Spionage nicht, aber das gilt für fast jedes globale Strategiespiel. Immerhin eröffnet mir Master of Orion damit eine Möglichkeit, die der Konkurrent Stellaris (noch) nicht bietet.

Flotten bewegen sich zwischen Planeten und Sprungpunkten. An Letzteren errichten Fabrikschiffe Raumstationen sowie Sprungtore, auf Asteroiden und Gasriesen zimmern sie Minen. Flotten bewegen sich zwischen Planeten und Sprungpunkten. An Letzteren errichten Fabrikschiffe Raumstationen sowie Sprungtore, auf Asteroiden und Gasriesen zimmern sie Minen.

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