Digitaler Nachlass: Wer erbt eigentlich mein Netflix-Konto?

Was passiert eigentlich mit unseren Daten, wenn wir einmal nicht mehr sind? Genau dafür habe ich diesen Winter einen digitalen Nachlass erstellt. Wie das abgelaufen ist, erzähle ich euch hier.

Ich habe diesen Winter mein Testament geschrieben. Mit Mitte zwanzig bin ich mir dabei ein bisschen komisch vorgekommen, aber aus irgendeinem Grund ließ mir das Thema während der kalten, dunklen Jahreszeit keine Ruhe.

Meine physischen Angelegenheiten waren dabei recht schnell geregelt. Nicht einmal eine volle DIN-A4-Seite lang war alles, was ich posthum zu klären hatte. Zufrieden mit meinem Tagwerk fläzte ich mich auf die Couch, öffnete Twitter … und stockte. Denn all das digitale - Konten, Blogs, Steam-Bibliothek, Bilder und so weiter - hatte ich gar nicht bedacht.

Welche Konten sollten später einmal erhalten bleiben? Welche gelöscht oder gekündigt werden? Wie würden meine Nächsten Zugriff zu all meinen Accounts erhalten? Und kann ich meine Steam-Bibliothek weitervererben? Alles Wichtige zur letzten Frage klären wir in diesem Artikel:

Eine Google-Suche später hatte ich die Lösung für mein Problem: ein digitaler Nachlass. Damit bezeichnet man das Erbe eines verstorbenen Internetnutzers. Und das galt es bei mir noch zu regeln.

Um dabei an alles zu denken, habe ich mich lose an einer Checkliste der Webseite DigitalerNachlass.net orientiert und losgelegt.

Digitaler Nachlass: Wer kommt wie an meine Daten?

Die erste Frage, die mein digitales Erbe zu klären hatte: Wie gelangen meine Nächsten an meine Daten, wenn ich einmal nicht mehr bin. Denn die Daten sollen ja zu Lebzeiten so gut wie möglich geschützt sein: einzigartige Passwörter, Zweifaktor-Authentifizierung, das volle Programm.

Ich habe das Problem für mich folgendermaßen gelöst: Alle Passwörter werden in einem Passwort-Manager gespeichert. Um Einsicht in diesen zu erhalten, sind ein Master-Passwort und Zugang zu meinem Smartphone (2FA) nötig. Das Master-Passwort habe ich in der Mitte halbiert und jeweils eine Hälfte des Passworts mit meiner Mutter und meinem Bruder geteilt. Den Zugang zu meinem Handy hat mein Freund.

Solange sich die drei zu Lebzeiten nicht gegen mich verschwören, sind meine Daten also sicher und können später einmal trotzdem eingesehen werden.

Alana Friedrichs
Alana Friedrichs

Beim Erstellen eines digitalen Testaments hat sich Alana seltsam gefühlt. Ist man dafür mit Mitte zwanzig nicht eigentlich noch zu jung? Aber weil man nie weiß, wie das Leben spielt, ist sie lieber auf der sicheren Seite. Und damit ihr das ebenso sein könnt, hat sie euch ihren Weg zum digitalen Nachlass hier aufgeschrieben.

Digitaler Nachlass: Was wird behalten, gelöscht oder gekündigt?

Frage zwei auf meinem Weg zum digitalen Nachlass: Was soll nach meinem Tod mit meiner Internetpräsenz geschehen? Welche Accounts sollen bestehen bleiben, welche gelöscht werden. Welche Verträge müssen gekündigt werden, um nicht versehentlich weitervererbt zu werden? Sollen Bilder und Daten in Cloud-Diensten gelöscht werden?

Gerade bei Abos ist das wichtig. Denn sogenannte Verträge des täglichen Lebens werden im Allgemeinen weitervererbt und erlöschen nicht, wie etwa die Webseite Erblotse.de ausführt. Die Hinterbliebenen müssen dann entscheiden, ob sie diese fortführen oder beenden möchten. Eine Übersicht über alle existierenden Accounts kann hier viel Arbeit abnehmen.

All das schreibe ich alphabetisch in einer Liste auf. Dabei gehe ich nach dem Muster vor:

  • [Name des Dienstes] (URL): Soll gelöscht/gekündigt/fortgeführt/in den Gedenkstatus versetzt werden

Die Liste lege ich meinem Testament bei.

Gedenkstatus

Einige Online-Dienste wie Facebook, Google oder verschiedene E-Mail-Anbieter bieten die Möglichkeit, bestehende Accounts in einen Gedenkstatus zu überführen. Der Account bleibt so erhalten.

Andere Nutzer werden aber darüber informiert, dass der ehemalige Besitzer des Accounts verstorben ist. Außerdem werden so unschöne Situationen vermieden, wenn etwa Nutzer zum Geburtstag des Verstorbenen eine Nachricht erhalten, um zu gratulieren.

Digitaler Nachlass: Nachlassverwalter bestimmen

Bleibt noch zu klären, wer sich nach dem Tod um all meine Daten und Konten kümmern soll. Auch das lässt sich im Testament regeln, indem man einen sogenannten digitalen Nachlassverwalter bestimmt. Das ist in meinem Fall eine vertraute Person aus dem Umfeld. Es gibt aber auch Unternehmen, welche die digitale Nachlassverwaltung als Dienstleistung anbieten.

Um keine Fehler zu machen, orientiere ich mich bei meinem handschriftlichen Testament an einer Vorlage der Verbraucherzentrale NRW.

Außerdem teile ich dem Nachlassverwalter mit, welche Personen die Teilstücke meiner Master-Passwörter besitzen - nur zur Sicherheit.

In Zukunft könnte ich den digitalen Nachlass auch noch per Vollmacht regeln. Damit hätte die erwählte Person auch vor meinem Tod Zugriff auf meine Konten, sollte ich in Zukunft einmal geschäftsunfähig werden. Eine Anleitung dazu finde ich im Juraforum.

Der Kontoinaktivität-Manager von Google lässt uns für den schlimmsten Fall vorsorgen. Der Kontoinaktivität-Manager von Google lässt uns für den schlimmsten Fall vorsorgen.

Wie lange ich an meinem digitalen Nachlass gesessen habe? In etwa einen gesamten Nachmittag. Vor allem die Entscheidung, welche Daten gelöscht beziehungsweise behalten werden sollen, hat dabei mehrere Stunden in Anspruch genommen. Der Rest war vergleichsweise schnell erledigt.

Für eine einmalige Angelegenheit, die künftige Unsicherheiten oder sogar Streit zwischen meinen Liebsten aus dem Weg räumt, ist das keine große Investition. Und der Pflege-Aufwand dürfte sich auch in Grenzen halten. Einmal im Jahr möchte ich prüfen, ob ich meine Liste um neue Accounts erweitern oder alte Konten streichen muss.

Alles in allem kann ich auch euch nur ans Herz legen, sich frühzeitig um ein Thema wie den digitalen Nachlass zu kümmern. So sehr ich hoffe, dass uns allen noch viele schöne Jahrzehnte beschert sind: Man weiß nie, was passiert. Und ein derartiger Nachlass schafft bei den Hinterbliebenen Klarheit in einer Situation, die ohnehin bereits belastend ist.

Um euch am Ende des Artikels aber nicht mit Trübsal zurückzulassen, will ich euch an dieser Stelle noch einen echten Feelgood-Artikel empfehlen. Denn passend zum Valentinstag habt ihr uns erzählt, wie ihr die große Liebe in Games gefunden habt:

Trotz oder gerade aufgrund des düsteren Themas bin ich gespannt auf eure Meinungen: Besitzt ihr einen digitalen Nachlass? Oder habt ihr bisher gar nicht gewusst, dass so etwas überhaupt existiert? Wie würdet ihr den Zugang zu euren Passwörtern gestalten und sichergehen, dass eure Liebsten einmal Zugang dazu erhalten?

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