Das Foto mit der längsten Entstehungszeit der Welt: Acht Jahre, eine Bierdose - und ein Ufo, das keins ist

Oft beeindrucken uns nicht nur Bilder selbst, sondern auch die Geschichten dahinter. Das gilt ganz besonders für das Foto mit der vermutlich längsten Belichtungszeit überhaupt.

Manche Dinge brauchen ihre Zeit, wie ich nun schon zum zweiten Mal innerhalb einiger Tage festgestellt habe. Auf einen eigentlich gut erkennbaren Filmfehler in Jurassic Park, den ich fast 30 Jahre lang übersehen habe, folgt das Foto mit der vermutlich längsten Belichtungszeit der Welt, das bereits Ende 2020 veröffentlicht wurde. Bislang ist es an mir vorübergegangen, aber sowohl das Bild selbst als auch die Geschichte dahinter sind in meinen Augen immer noch mehr als einen Blick wert.

Das Foto, um das es geht, hat mich spontan an Aliens und an ein UFO erinnert. Kennt man aber die Entstehungsgeschichte dahinter, wird schnell klar, dass es sich um ein sehr weltliches Phänomen handelt. Doch schauen wir uns das besagte Foto zunächst an:

So sieht das Bild mit der vielleicht längsten Belichtungszeit überhaupt aus. (Quelle: Universität Hertfordshire) So sieht das Bild mit der vielleicht längsten Belichtungszeit überhaupt aus. (Quelle: Universität Hertfordshire)

Entstanden ist es mittels einer Lochkamera, die über einen sehr profanen Gegenstand umgesetzt wurde: eine Bierdose. Die Kombination aus einem winzigen Loch in Stecknadelgröße und Fotopapier, das im Inneren der sonst gut abgedichteten Dose gegenüber vom Loch untergebracht war, hat im Endeffekt zu dem oben zu sehenden Ergebnis geführt. Aber was genau ist darauf zu sehen?

Hier kommt die Sonne

Es handelt sich um die Bahnen, die die Sonne über einen Zeitraum von acht Jahren am Himmel über der Universität von Hertfordshire zog. Im Winter liegen sie wie allseits bekannt sehr tief und im Sommer sehr hoch, was die gewisse UFO-Form des Liniengebildes zur Folge hat.

Bereits am Bild selbst und an dem Auf und Ab der Sonnenbahnen ist zu erkennen, dass die Lochkamera fast genau nach Süden ausgerichtet war. Wie der gleiche Blickwinkel auf einem Foto aussieht, wenn es wie gewohnt digital und mit sehr kurzer Belichtungszeit festgehalten wird, ist hier zu sehen:

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Falls ihr es ganz exakt wissen wollt, könnt ihr die passenden Koordinaten der Lochkamera (51.774869, -0.09458) auch über einen Kartendienst wie Google Maps aufrufen.

In der Ansicht mit Satellitenbildern stechen aus der Vogelperspektive nah genug herangezoomt sowohl das Observatorium auf der einen als auch das Gerüst auf der anderen Seite schnell ins Auge.

Einen völlig anderen Blickwinkel könnt ihr mit Google Maps einnehmen, wenn ihr euch die spannende Variante für das Römische Reich anschaut. Mehr dazu erfahrt ihr im folgenden Artikel:

Wer hat die Lochkamera angebracht und wie wurde sie entdeckt?

Laut einem offiziellen Beitrag der Universität von Hertfordshire, der mittlerweile ohne Zugangsdaten nur noch per Web-Archiv aufrufbar ist, hat die ehemaligen Studentin Regina Valkenborgh die Bierdose im Jahr 2012 an einem der Teleskope des hiesigen Observatoriums angebracht.

Valkenborgh stand am Ende ihres Studiums der Bildenden Künste, wobei sie sich besonders für Aufnahmen von Fotos ohne den Einsatz moderner Technik interessierte. Das brachte ihr bereits etwa ein Jahr zuvor mit einem ähnlichen Vorgehen per Lochkamera einen Eintrag als Astronomy Picture of the Day bei der NASA ein, auch wenn dieses Bild nur über einen Zeitraum von sechs Monaten entstand.

Die Bierdosen-Kamera vom Bild oben hat sie dagegen vergessen. Erst im September 2020 ist sie dem technischen Leiter des Observatoriums David Campbell aufgefallen. Dass sich die Langzeitaufnahme nach all der Zeit noch in einem so guten Zustand befand, sei großes Glück gewesen, so Valkenborgh:

Es war ein Glücksfall, dass das Bild unberührt blieb, um von David nach all den Jahren gerettet zu werden. Ich hatte diese Technik schon ein paar Mal am Observatorium ausprobiert, aber die Fotos wurden oft durch Feuchtigkeit ruiniert und das Fotopapier rollte sich auf.

Wie die Konstruktion genau aussah, ist auf dem folgenden Bild gut zu erkennen:

Obwohl die Lochkamera über acht Jahre lang englischem Wind und Wetter ausgesetzt war, hat das Foto darin überlebt. Obwohl die Lochkamera über acht Jahre lang englischem Wind und Wetter ausgesetzt war, hat das Foto darin überlebt.

Zuvor galt übrigens der deutsche Künstler Michael Wesely als Rekordhalter für das Foto mit der längsten Belichtungszeit. Es ist über einen Zeitraum von vier Jahren und acht Monaten hinweg entstanden und zeigt den Aufbau der Pinakothek der Moderne in München.

Falls ihr auf der Suche nach Bildern seid, die sich eher für den Einsatz als Desktop-Hintergrund eignen, solltet ihr einen Blick auf die jüngsten Aufnahmen des James-Webb-Teleskops werfen. Mehr dazu erfahrt ihr im folgenden Artikel:

Komplette Galaxie auf einem Foto: James-Webb-Teleskop liefert nie dagewesene Bilder aus dem All

Könnt ihr euch für die analoge Fotografie begeistern und habt vielleicht sogar schon mal mit einer Lochkamera experimentiert, seid ihr voll und ganz für die Vorzüge der digitalen Fotografie oder hat beides aus eurer Sicht seine Daseinsberechtigung? Schreibt es gerne in die Kommentare!

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