Raketentriebwerke einfach erklärt: Von der Saturn 5 über Sojus bis zum Starship

Wir erklären euch, was ihr wissen müsst, um zu verstehen, was Falcon 9, Starship oder Legenden wie Sojus in den Orbit bringt - garantiert einfach, aber feurig.

Ein geradezu ikonisches Bild: Eine Rakete strebt dem Weltall entgegen - ohne die hier erklärten Prinzipien wäre das undenkbar. (Quelle: stock.adobe.com - alexyz3d) Ein geradezu ikonisches Bild: Eine Rakete strebt dem Weltall entgegen - ohne die hier erklärten Prinzipien wäre das undenkbar. (Quelle: stock.adobe.com - alexyz3d)

Egal ob wir Mond, Mars oder andere Ziele fernab unserer irdischen Heimat erreichen wollen - eines steht uns im Weg: Um die Wiege der Menschheit zu verlassen, müssen wir die Gravitation bezwingen.

Damit das gelingt, muss eine oft Tausende Tonnen schwere Rakete mindestens 11,2 Kilometer pro Sekunde schnell sein - das entspricht etwa 40.000 Kilometern pro Stunde. Selbst für den Orbit sind es nur eine Handvoll Tausender weniger. Wie gelingt uns das eigentlich seit Jahrzehnten?

Keine Träumerei, Rocket Science!

Die Antwort ist seit mehr als 50 Jahren feurig. Denn auch wenn es faszinierend ist, Lösungen mit Antimaterie, Sprungtoren und Co. zu suchen, heißt unser Weg ins Weltall auch in naher Zukunft: Raketentriebwerke.

Sie sind, was uns einst mit der Saturn 5 erste Schritte auf dem Mond gehen, den Mars mit Robotern erkunden und die International Space Station (ISS) erbauen ließ.

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Raketentriebwerke - Schub durch Druck

Raketen nutzen ein fundamentales Prinzip der Natur aus: Druckausgleich. Alle Stoffe strömen schnellstmöglich aus Bereichen mit hohem Druck hin zu Zonen niedrigeren Drucks. Da verhält sich der Inhalt von Raketentanks nicht anders als entweichende Luft aus einem zugeknoteten Luftballon. Auch er fliegt losgelassen davon.

Bei Raketen maximieren wir den Druckunterschied auf sehr kleinem Raum. Erst lassen wir den Druckausgleich seine Arbeit verrichten und zünden die Stoffe danach noch an, um es auf die Spitze zu treiben.

Es der Natur überlassen: Rein druckbetrieben

Startpunkt der meisten Verfahren ist ein Tank, in dem Überdruck herrscht. Er ist durch ein Ventil abgeriegelt. Wird dieses geöffnet, entströmt der Inhalt gemäß dem 3. Newtonschen Gesetz und erzeugt Schub in die entgegengesetzte Richtung.

3. Newtonsches Gesetz

Kräfte treten immer paarweise auf. Übt ein Körper A auf einen anderen Körper B eine Kraft aus (actio), so wirkt eine gleich große, aber entgegen gerichtete Kraft von Körper B auf Körper A (reactio).

Doch das Ergebnis ist eher mager, deshalb ergänzen wir einen weiteren Tank. In dem befindet sich kein Treibstoff, sondern ein Oxidator - also eine Substanz, die andere Stoffe oxidieren lässt. Das Gemisch aus beiden lässt sich in einer Brennkammer entzünden.

Warum wollen wir das? Jeder kennt es vom Kochtopf mit Wasser auf der heißen Herdplatte: Hitze unterm Deckel erzeugt Druck, da sich erhitzte Materie ausdehnt. Deshalb ist das Kernprinzip eines jeden Raketentriebwerkes eine möglichst effiziente Verbrennung. Hierdurch erhöht sich der Druck in der Brennkammer und damit der Unterschied zwischen dem Inneren des Triebwerkes und der Atmosphäre. Wir erhalten also mehr Schub.

Wer nach diesem Grundlagenartikel vertieft in die Materie einsteigen will, dem sei dieses Video von dem Youtuber und Teilnehmer bei der Dear-Moon-Mission Everyday Astronaut ans Herz gelegt. Allerdings ist es komplett auf Englisch. Weiter unten findet ihr zudem ein Video über die schier legendäre Anzahl an sowjetischen Raketentriebwerken.

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Treibstoff und Oxidator

Jede Rakete nutzt Treibstoff, ähnlich wie Flugzeuge. Eine beliebte Wahl ist dabei RP-1, das dem bei Fliegern verwendeten Kerosin recht ähnlich ist. Alternativ kommt aber auch Wasserstoff zum Einsatz - oder seit einigen Jahren vermehrt Methan, wie beim Starship von SpaceX.

Als Oxidator wird meist stark gekühlter Sauerstoff in flüssiger Form verwendet. Der sorgt, wie oben beschrieben dafür, dass der Treibstoff überhaupt brennt. Der wird oft ebenfalls eiskalt und flüssig mitgenommen, da nur so überhaupt die notwendigen Mengen in die Tanks passen. Ausnahme zum Beispiel RP-1. Das Raumtemperatur flüssig.  Beides kommt in der eben eingeführten Brennkammer zusammen und wird chemisch oder durch einen separat erzeugten Funken entzündet.

Allerdings sind alle rein druckbetriebenen Verfahren - egal ob mit oder ohne Verbrennung - nicht dazu geeignet, den Orbit zu erreichen. Wir erhalten einfach nicht genug Druck, um die Erdgravitation zu überwinden. Zum Einsatz kommen sie stattdessen bei Manöverdüsen, beispielsweise an Bord von Satelliten.

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Erfolg über die Masse? Wer nun vorschlägt, einfach mehr Triebwerke zu verwenden, hat im Prinzip recht. So würde eine Rakete mehr Schub erhalten.

Sie würde aber auch an Größe und damit an Gewicht zulegen. Das macht mehr Treibstoff erforderlich, was wiederum das Gewicht weiter erhöht und noch mehr Schub notwendig werden lässt - ein Teufelskreis. Wir brauchen also ein Triebwerk, das buchstäblich mehr Schub aus vorhandenen Tanks herauswringt.

Turbopumpen: Mit Nachdruck in den Orbit

Um den Druck zu erhöhen, verwenden wir Pumpen. Bei Raketen werden sie Turbopumpen genannt. Die erhöhen den Durchfluss von Treibstoff und Oxidator im Inneren der Triebwerke drastisch. Beides wird, anstatt freiwillig fließen zu können, mit Gewalt in die Brennkammer gezwängt.

Angetrieben werden die Pumpen von einer Turbine, auch Vorbrenner genannt. Was dort verbrannt wird, kommt aus den beiden ohnehin vorhandenen Tanks.

Unterscheiden müssen wir dabei zwischen dem offenen Verbrennungszyklus, einem gestuften Verbrennungszyklus sowie dem Gesamtfluss-Verbrennungszyklus. Keine Sorge, das klingt komplizierter als es ist. Feurig ist es allemal, wie ein Triebwerkstest eines Helix-Triebwerkes von RFA eindrucksvoll unter Beweis stellt:

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Offener Verbrennungszyklus (Open Cycle Gas Turbine)

Beim offenen Verbrennungszyklus werden die Abgase, die beim Vorbrenner anfallen, in die Umwelt geblasen. Es geht also reichlich potenziell nutzbare Energie und damit auch Schub verloren. Aber das Design ist relativ simpel und bewährt: Zwei Tanks, die per Leitungen mit Pumpen mit einer Brennkammer verbunden sind, sowie eine separat angebundene Turbine mit Auspuff, voilà.

Praxisbeispiele: Der offene Zyklus ist der mit Abstand geläufigste. Er kommt selbst heute noch bei vielen berühmten Raketen zum Einsatz: Falcon 9, Saturn 5 oder auch Ariane sowie Sojuz. Eine deutsche Eigenentwicklung ist das Aquila von Isar Aerospace für ihre Spectrum-Rakete.

Gestufter Verbrennungszyklus (Closed Staged Combustion Cycle)

Beim geschlossenen bzw. gestuften Verbrennungszyklus werden die Abgase des Vorbrenners der Brennkammer zugeführt und nochmals verbrannt. Das ist nicht nur effizienter, sondern auch umweltfreundlicher. Der Vorbrenner kann entweder oxidator- oder treibstoffreich befeuert werden. Was nicht verbrennt, wird gasförmig in die Brennkammer  geleitet, wo es sich mit dem jeweils noch flüssigen Gegenstück vermischt und entzündet wird.

Praxisbeispiele: Die Haupttriebwerke des Space Shuttles und des Space Launch Systems der NASA gehören zu dieser Gruppe (RS-25). Ferner erreichte das BE-4-Triebwerk von Blue Origin jüngst einen Meilenstein und auch den Orbit, als zwei davon mit der Vulcan ihren Erstflug tadellos meisterten. Ansonsten setzt wohl bald ein Aspirant aus Deutschland an, Geschichte zu schreiben.

Die RFA-ONE mit all ihren Stufen. Quelle: RFA Die RFA-ONE mit all ihren Stufen. Quelle: RFA

Das Helix-Triebwerk, eine Premiere für die Europäische Union

Die Rocket Factory Augsburg (RFA), 2018 gegründet, hat in den vergangenen Jahren ihre eigene Orbitalrakete mit zugehörigem Triebwerk dieser Unterart entworfen, die RFA-ONE. Und das Helix als Antrieb ist eine Premiere für die Europäische Union und auch europaweit selbst heutzutage eine Besonderheit. Denn bisher lag der Ursprung aller Vertreter aus der alten Welt im Raum der ehemaligen Sowjetunion. Deutschland ist mit dem Helix von RFA Technologie-Vorreiter auf dem Kontinent.

Helix nutzt Sauerstoff als Oxidator und RP-1 als Treibstoff, der Vorbrenner wird sauerstoffreich angetrieben. Der Erstflug der RFA-ONE soll laut dem New-Space-Unternehmen im Spätsommer 2024 erfolgen – wenn alles glatt läuft. Seit dem Sommer 2022 gelte es dank des Abschlusses aller erforderlichen Tests als betriebsbereit.

Ein Helix-Triebwerk, hier ein gedrehtes Hochformat, damit in der Queransicht mehr Details erkennbar sind - dargestellt von zwei Seiten. Quelle: RFA

Derweil setzt selbst Russland nur noch relativ selten einen gestuften Verbrennungszyklus ein - an Bord der Proton-Frachtrakete (RD-253). Die USA nutzten bis zum Russischen Angriffskrieg auf die Ukraine, für die Atlas V sowie die Antares, importierte russische Closed-Cycle-Triebwerke der RD-170-Serie.

Starship und das Raptor: Gesamtfluss-Verbrennungszyklus (Full Flow Staged Combustion Cycle)

Der heilige Gral chemischer Triebwerke ist allerdings der Gesamtfluss-Verbrennungszyklus. Bei diesem wird jeweils ein Vorbrenner, der auch je eine Turbopumpe antreibt, sauerstoff- bzw. treibstoffreich betrieben. Deren beider Abgase werden vollständig in die Brennkammer geführt.

Der entscheidende Vorteil dieser Methode ist, dass sowohl Sauerstoff als auch Treibstoff gasförmig ankommen. Das maximiert den potenziellen Schub.

Bisher sind SpaceX mit ihrem Raptor an Bord des Starships sowie des als erste Stufe fungierenden Super-Heavy-Boosters die weltweit einzigen, die solch ein Triebwerk erfolgreich geflogen haben. Am 14. März 2024 erreichte das erste Starship mithilfe der Raptor-Triebwerke schließlich einen Orbit.

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