Um euch die Feiertage und die Zeit zwischen den Jahren mit unterhaltsamen und informativen Inhalten zu versüßen, haben wir handverlesen GameStar-Tech-Artikel ausgesucht, die uns 2023 in besonderer Erinnerung geblieben sind und deren Lektüre wir euch sehr ans Herz legen.
Dieser Artikel ist einer davon. Die Redaktion wünscht frohe Feiertage!
Als ich den wohl am meisten erwarteten Spiele-Trailer aller Zeiten zum ersten Mal gesehen habe, fühlte ich mich enttäuscht. Das liegt nicht daran, dass GTA 6 wie zu erwarten war zunächst nicht für den PC erscheint, sondern an der Technik, die mein Kollege Sören bereits neutral für euch analysiert hat.
Ich weiß, ich weiß, viele von euch werden sich jetzt fragen, wie das sein kann - schließlich ist die Grafik des Trailers in verschiedener Hinsicht sehr beeindruckend und vermutlich sogar durchaus nahe an dem, was auf den Konsolen wirklich zu spielen sein wird. Lasst es mich euch erklären.
So viel sei schon jetzt gesagt: Es geht hier um Jammern auf hohem Niveau und um eine subjektive Einschätzung. Weil mein Hintergrund dabei wichtig ist, erfahrt ihr im folgenden Infokasten etwas mehr über mich:
Ein alter Bekannter: Die Engine
Schon nach dem ersten Schauen des oben zu sehenden Trailers stellte sich bei mir ein Das kommt dir doch bekannt vor!
-Gefühl ein.
Rockstar geht den naheliegenden und vermutlich auch von vielen gewünschten Weg: Alles so machen, wie immer, nur in einer anderen schon mal genutzten US-Stadtvorlage als beim Vorgänger, technisch aufgebohrt und garniert mit einer Extraportion Tiktok & Co.
Mein Hauptproblem dabei: Man sieht dem Spiel an, dass es mit einer Engine gemacht wurde, die bereits seit langer Zeit verwendet wird und die wir schon aus dem zehn Jahre alten Vorgänger kennen - allen offensichtlichen Verbesserungen zum Trotz.
Versteht mich nicht falsch, GTA 6 sieht im Trailer um Welten schöner aus als GTA 5 und auch besser als die allermeisten Spiele auf dem Markt, wie zu erwarten war. Und natürlich liegt es aus Rockstars Sicht absolut nahe, lieber die gewohnte Technik zu iterieren, als hier ins Risiko zu gehen.
Außerdem geht es am Ende nicht darum, welche Engine man nutzt, sondern was sie im jeweiligen Spiel zu welchem (Hardware-)Preis leistet. Und die begrenzte Leistungsfähigkeit der inzwischen immerhin drei Jahre alten Konsolen darf man dabei auch nicht vergessen.
Technisch bin ich beim Schauen des Trailers aber dennoch immer wieder auf kleine Probleme gestoßen, die mir das Gefühl gegeben haben: Da wäre (noch) mehr drin gewesen!
, spätestens auf dem PC. Beginnen wir mit einem für mich besonders prominenten Beispiel.
Ansichtssache: Die Mimik
Es ist eine altbekannte Herausforderung von Spielen, die selbst große Titel gerne eher weniger überzeugend meistern: Die Mimik und die Blicke von Spielfiguren (Hat da jemand Starfield
gesagt?).
Schon die erste Szene des GTA-6-Trailers im Gefängnis aus dem Bild oben lässt mich vermuten, dass das auch für den neusten Teil der bekannten Reihe gelten wird.
Die Lippen der beiden Frauen wirken beim Sprechen fast wie aufeinander gepresst, die Gesichter insgesamt eher starr und ihre Blicke gehen teils ins Leere.
Und wenn es mir schon bei den Hauptfiguren so ins Auge springt, dann überrascht es nur wenig, dass es sich auch bei bei den anderen Charakteren im Trailer mehrfach wiederholt.
Bemerkenswert gut sehen dagegen die Haare vieler Figuren aus. Klar, es gibt teils sichtbare Artefakte wie ein gewisses Rauschen oder Flimmern. Aber so lebensechte und bewegliche Frisuren verschiedener Art waren bislang wohl noch in keinem Spiel zu sehen.
Und wo wir schon mal bei der Charakterdarstellung sind: Auch die Animationen der Körper wirken an vielen Stellen sehr gelungen, etwa beim Tanz in der Autotür des grünen Pick-Ups bei Minute 0:52 oder beim Partyvolk des Thrillbilly Mud Clubs, das in der Szene direkt danach zu sehen ist.
Natürlich schwierig: Die Vegetation
Ebenfalls für jedes Spiel und insbesondere für große Open-World-Titel wie GTA 6 eine Hürde: die Natur beziehungsweise die Vegetation.
Niemand erwartet, dass die Bewegungen jedes Grashalmes und jedes Blattes physikalisch korrekt berechnet werden. Aber im Trailer zu GTA 6 ist mir dann doch etwas (zu) viel starres und eher einfach gehaltenes Geäst und Grün zu sehen, vor allem nahe am Boden.
Wesentlich beeindruckender sieht die Natur für mich beispielsweise bereits in Avatar: Frontiers of Pandora aus. Dieser Vergleich hinkt aber aufgrund der stark unterschiedlichen Settings zugegebenermaßen etwas.
An der Vegetation äußert sich teilweise außerdem ein weiteres Problem der Grafik im Trailer, das wiederkehrend auftaucht: Fehlende Schattenwürfe lassen Objekte und Figuren an manchen Stellen recht flach und eher unecht wirken.
So ist die Vegetation im Garten mit dem Pool wie auf dem Bild unten zu sehen grundsätzlich schön abwechslungsreich gestaltet. Viele Bereiche davon sind aber gleich hell. Dadurch sieht das Ganze ein wenig wie eine Fototapete aus, statt wie ein echter Garten.
Beeindruckenden Detailreichtum hat die Szene aber dennoch zu bieten, von den Tassen am Rand des Pools über den Sonnenschirm mit doppeltem Dach bis hin zum authentischen Strommast im Hintergrund:
Fehlende (optische) Tiefe: Die Schatten
Die korrekte Berechnung von Schatten ist für Entwickler ebenfalls eine altbekannte Herausforderung. Wird man dabei zu genau und kleinteilig, frisst es schnell Unmengen an Leistung. Fehlen Schatten dagegen zu oft oder sehen zu unnatürlich aus, kann die Optik sichtbar darunter leiden.
Auch im Trailer zu GTA 6 gibt es an verschiedenen Stellen in meinen Augen gewisse Probleme mit den Schatten, so etwa in der unten zu sehenden Szene mit einer belebten Straße am Abend.
Vor allem die Figuren auf dem Bürgersteig am rechten Bildrand und die kleinen Objekte auf dem Boden wie die Papiertüte und die Dose wirken etwas aufgesetzt.
Auch den meisten Autos fehlt es in Anbetracht der Menge an Lichtquellen (Stichwort Autoscheinwerfer
) an Schatten, besonders stark am Fahrzeug ganz links zu erkennen, das gerade aus dem Bild herausfährt:
Positiv stechen in der Szene dafür die schicke Beleuchtung samt stimmigem Abendrot am Himmel sowie die optisch überzeugend umgesetzte Unschärfe weiter entfernter Objekte ins Auge.
Negativ aufgefallen ist mir dagegen die feierwütige Figur rechts im Bild unten. Während ihre Tanzanimation sehr authentisch aussieht, fügt sich die Person selbst insgesamt nicht stimmig in die Szene ein.
Der Grund fällt im Vergleich mit der Person links im Bild auf: Schatten von der Reling auf den Beinen der Dame sorgen für eine gewisse räumliche Einordnung, bei dem Herrn mit Hut rechts fehlen sie dagegen:
Andere (kleine) Baustellen:
- Weit von oben betrachtet sieht das Wasser absolut fantastisch aus (etwa bei Minute 0:12), in der Strandszene war ich von der praktisch komplett flachen Brandung allerdings etwas enttäuscht (Minute 0:22). Gerade wenn man es mit dem in dieser Hinsicht absolut fantastischen Horizon 2 vergleicht.
- In vielen Szenen werden weiter entfernte Objekte in einen sichtbaren Nebel gehüllt (z.B. Minute 0:38), der neben der Abbildung eines gewissen
Großstadtdunstes
dabei helfen kann, die Performance zu verbessern, wenn er darauf ausgelegt ist. Ich hoffe, im fertigen Spiel muss es Rockstar damit nicht übertreiben. - Manche großflächig eingesetzten Texturen wirken auf mich nicht so scharf und detailreich, wie ich es mir wünschen würde (z.B. die Straße bei Minute 01:10). Das könnte aber auch am Upscaling liegen (die Render-Auflösung liegt vermutlich bei 2560x1440, die Videoauflösung des Trailers aber bei 3840x2160 beziehungsweise 4K) und ließe sich auf dem PC potenziell leicht umgehen.
Der Kern des Ganzen: Die Zukunft
Kommen wir langsam, aber sich zu meinem Fazit, wobei ich vor allem zwei Dinge betonen will.
Einerseits, wie überzeugend ich den Trailer zu GTA 6 in vielerlei Hinsicht trotz der oben genannten Kritikpunkte finde.
Diese Haare!
Diese Beleuchtung!
Diese Lebendigkeit!
Dieser Detailreichtum:
Andererseits, dass ich absolut nachvollziehen kann, wenn man meine Kritikpunkte als Jammern auf zu hohem Niveau empfindet.
Es ist zwar wichtig zu wissen, dass sie mir alle schon beim ersten Blick auf den Trailer aufgefallen sind. Es handelt sich hier also im Kern um meine spontane Reaktion auf den Trailer und nicht um eine nachträgliche Suche nach Haaren in der Suppe.
Aber auch für Spielgrafik gilt, dass Geschmäcker verschieden sind und dass der eine gewisse optische Aspekte oder Problemfelder eher (störend) wahrnimmt als der andere.
Ein Beispiel für einen ganz anderen Blick auf den Trailer findet ihr unter anderem im folgenden Artikel meines Kollegen Chris Werian von unserem Schwestermagazin GamePro:
Ich muss meine Augen upgraden
: Die Grafik vom GTA 6-Trailer macht Fans und auch uns sprachlos
Gleichzeitig ist mir vollkommen klar, dass mit ein paar Technik-Haaren zu rechnen war. Schließlich ist GTA 6 schon eine ganze Weile in der Entwicklung und die Zielplattform für den ersten Release eine Konsolen-Generation, die bis dahin mehr als vier oder gar fünf Jahre alt ist.
Unter Windows werde ich GTA 6 aber erst in relativ weit entfernter Zukunft beziehungsweise frühestens in drei, vier Jahren spielen können. Und für ein PC-GTA-6, das im Jahr 2026 oder 2027 erscheint, hätte ich mir einfach (noch) mehr gewünscht.
Dem steht Vieles entgegen, so etwa der Umstand, dass einiges dafürspricht, eine ausgereifte Engine zu erweitern, statt eine neue Engine zu entwickeln. Außerdem rangieren die Konsolen bei Rockstars Einnahmen meilenweit vor dem PC, wie mein Kollege Peter bereits näher analysiert hat.
Aber träumen kann man ja mal.
Zwischen Traumvorstellung und Wirklichkeit
Ebenso offensichtlich wie abschließend wichtig ist auch der folgende Aspekt: Ich weiß nicht, was Rockstar mit der PC-Version von GTA 6 genau vorhat. Theoretisch sind deutliche Verbesserungen der Technik möglich.
Und wer weiß: Vielleicht arbeitet Rockstar intern bereits mit einer aufgebohrten Version der Engine und skaliert diese für die Trailer runter, um auf der aktuellen Konsolengeneration keine falschen Erwartungen zu wecken. Es würde mich jedenfalls wundern, wenn Rockstar die mit Sicherheit kommenden Umsetzungen für PC, PS6 und nächste Xbox nicht schon mitdenken würde.
Aber ganz egal, wie leistungsfähig PC-Hardware bis dahin auch sein wird und ob Render-Rundumschläge wie Pathtracing dank DLSS und FSR in Version 4 oder 5 selbst für ein deutlich aufgebohrtes Windows-GTA-6 in greifbarer Nähe sein könnten: Am Ende muss der Aufwand gerechtfertigt sein.
So sehr ich mir aus Sicht eines PC- und Technik-Nerds auch wünschen würde, dass jeder Charakter in GTA 6 eine Mimik hat wie in Overdose beziehungsweise mit wie MetaHuman (siehe das Video oben) oder dass Dank Pathtracing Schatten, Licht und Reflexionen allesamt ihresgleichen suchen, so klar ist mir auch, dass großartige Technik am Ende nur einen Randaspekt darstellt.
Zumal auf dem PC für die Entwickler das Problem hinzukommt, Spiele sowohl für langsame als auch für schnelle Hardware vernünftig optimieren zu müssen.
Die Grafik ist längst nicht alles
Ein hoher Grad an Realismus kann zwar sehr dabei helfen, mich in eine Welt hineinzuziehen. Deshalb halte ich Techniken wie Raytracing und Pathtracing sowie HDR in Spielen für klar unterschätzt, sofern sie überzeugend eingesetzt werden.
Aber um zu begeistern, ist all das nicht wirklich nötig und es passt auch nicht zu jedem Spiel.
Selbst wenn ich mich also über ein GTA 6 freuen würde, das den viel strapazierten Begriff des Fotorealismus in Spielen mehr bedient, als der erste Trailer es in meinen Augen tut (was technisch möglich gewesen wäre), kann ich es dennoch kaum abwarten, mehr von dem Spiel zu sehen.
Mit welchen Mitteln Spiele(grafik) in Zukunft generell noch realistischer werden könnte, erfahrt ihr im folgenden Video-Podcast. Auch GTA ist darin Thema, genauer gesagt Teil 5 in Kombination mit KI:
Wie seht ihr das? Hat die Grafik im Trailer von GTA 6 eure Erwartungen übertroffen, liegt sie genau im Rahmen eurer Erwartungen oder hattet ihr euch so wie ich teils etwas mehr erhofft? Seid ihr außerdem generell sehr gespannt auf das Spiel und auf die weiteren Details, die bis zum Release noch enthüllt werden oder lässt euch GTA 6 insgesamt eher kalt? Schreibt es gerne in die Kommentare!
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