Update, 04.01.2018: Wie Heise berichtet, hat Justizminister Heiko Maas gegenüber der Bild-Zeitung das umstrittene Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) verteidigt. »Die Meinungsfreiheit schützt auch abstoßende und hässliche Äußerungen«, erklärte Maas. Und weiter:
"»Die Meinungsfreiheit ist kein Freibrief, um Straftaten zu begehen. Wer strafbare Inhalte im Netz verbreitet, muss [...] zur Rechenschaft gezogen werden. Mordaufrufe, Bedrohungen und Beleidigungen, Volksverhetzung oder die Auschwitz-Lüge sind [...] Angriffe auf die Meinungsfreiheit von anderen. [...] Wem am Schutz der Meinungsfreiheit gelegen ist, der darf nicht tatenlos zusehen, wie der offene Meinungsaustausch durch strafbare Hetze und Bedrohung unterbunden wird.""
Zur vielfach geäußerten Kritik in Bezug auf einen potentiellen vorauseilenden Gehorsam der sozialen Netzwerke und infolgedessen möglicherweise zu Unrecht gelöschte oder gesperrte Beiträge äußerte sich Maas in diesem Zusammenhang allerdings nicht.
Original-Meldung, 03.01.2018: Weniger Hass-Inhalte und Extremismus im Internet und auf sozialen Netzwerken – dieses Ziel verfolgt das sogenannte Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG), das seit dem 01. Januar 2018 in Kraft ist. Seiten wie Facebook und Youtube drohen hohe Geldstrafen, wenn sie den Auflagen des Gesetzes nicht nachkommen. Welche das im Einzelnen sind, fassen wir hier zusammen.
Mit Löschung und Sperrung gegen extremistische Inhalte
Mit dem NetzDG will der Bund für eine stärkere Kontrolle und Eindämmung extremistischer Inhalte im Internet sorgen. Deshalb sind soziale Netzwerke »ab einer bestimmten Größenordnung [von mindestens zwei Millionen Nutzern in Deutschland, Anm. d. Red.] verpflichtet, halbjährlich einen Bericht über den Umgang mit Beschwerden über rechtswidrige Inhalte zu erstellen sowie ein wirksames Beschwerdemanagement vorzuhalten«.
Im Allgemeinen unterscheidet das NetzDG dabei zwischen zwei Arten von Inhalten: In die erste Kategorie fallen solche, die eindeutig extremistischen Inhalts sind und/oder gegen geltendes Recht verstoßen, beispielsweise Volksverhetzung. Hier bleiben der jeweiligen Social-Media-Plattform 24 Stunden nach Eingang einer Beschwerde Zeit, um den entsprechenden Inhalt zu entfernen. Eine Liste der rechtswidrigen Inhalte findet sich auf der Seite des Bundesjustizamtes.
Bei der zweiten Kategorie handelt es sich um Inhalte, bei denen nicht auf den ersten Blick eine eindeutig extremistische Tendenz erkennbar ist. Zur Prüfung und gegebenenfalls zur Löschung derartiger Beiträge haben die Firmen dann eine Woche Zeit.
Ausnahmen von dieser Frist bestehen dann, wenn die Rechtswidrigkeit des Inhalts vom Wahrheitsgehalt der Aussage oder von tatsächlichen Umständen abhängt. Dem betroffenen Nutzer bleibt dann die Gelegenheit für eine Stellungnahme. Außerdem kann die jeweilige Plattform die Entscheidung über die Rechtswidrigkeit eines Beitrages an eine anerkannte Einrichtung der Regulierten Selbstregulierung abtreten.
Erhält ein soziales Netzwerk eine Beschwerde über einen bestimmten Beitrag, kann es sich für eine Löschung oder eine Sperrung entscheiden. Im Falle einer Löschung wird der betroffene Inhalt weltweit entfernt, bei einer Sperrung bleibt er in Ländern außerhalb Deutschlands sichtbar. Erste prominente Fälle in Zusammenhang mit dem NetzDG sind Äußerungen von den AfD-Politikerinnen Beatrix von Storch und Alice Weidel, wie Golem berichtet.
Beschwerden der Nutzer und gesetzliches Beschwerdeverfahren
Grundsätzlich sind die Betreiber der vom NetzDG erfassten Social-Media-Plattformen nicht verpflichtet, eigenständig Beiträge zu kontrollieren und zu sperren. Das NetzDG verpflichtet sie allerdings zur Sperrung beziehungsweise Löschung von Inhalten als Reaktion auf eine eingegangene Nutzer-Beschwerde.
Kommt eine Plattform einer solchen Beschwerde nicht innerhalb des vom NetzDG vorgegeben Zeitrahmens nach, können Nutzer ein erweitertes gesetzliches Beschwerdeverfahren nutzen. Dazu hat das Bundesamt für Justiz auf der hauseigenen Webseite ein Formular zur Verfügung gestellt, mit dem die Nutzer eine Anzeige an das Amt richten können, wenn ein Netzwerk eine Beschwerde ignoriert hat.
Das Formular verlangt neben diversen Angaben zur Person eine detaillierte Auskunft zur bereits erfolgten Beschwerde sowie zur Art des beanstandeten Inhalts. Mit der Absendung des Formulars beginnt dann ein behördliches Beschwerdeverfahren, in deren Rahmen die Zulässigkeit der Beschwerde geprüft wird.
Bei Verstößen: Strafzahlungen von bis zu 50 Millionen Euro
Kommt ein soziales Netzwerk dem Antrag auf Löschung oder Sperrung eines Inhalts im Rahmen einer berechtigten Nutzerbeschwerde nicht oder nicht innerhalb der gesetzten Frist nach, gilt diese Zuwiderhandlung als Ordnungswidrigkeit. Aus dem daraus folgenden Verfahren ergibt sich dann eine Strafzahlung für die jeweilige Plattform, die sich nach der Art des Verstoßes sowie der Struktur des betroffenen Unternehmens richtet.
Als Höchstmaß für ein potentielles Bußgeld gibt das Bundesjustizamt die Summe von fünf Millionen Euro an. Diese kann sich allerdings auf bis zu 50 Millionen Euro erhöhen, sofern die »Geldbuße gegen juristische Personen und Personenvereinigungen festgesetzt wird«. Die Geldbuße selbst kann übrigens auch gegen Unternehmen mit Sitz im Ausland verhängt werden.
Kritische Stimmen sehen in dem Gesetz eine mögliche Einschränkung des Rechts auf eine freie Meinungsäußerung, zumal auch die Sorge besteht, dass Beiträge lieber schnell gelöscht werden könnten, um den drohenden Strafen zu entgehen, statt sie genauer zu überprüfen (oder überprüfen zu lassen). Wie wirksam das Gesetz an sich und die damit zusammenhängenden Strafen in der Praxis sein werden, lässt sich aktuell jedenfalls noch schwer einschätzen.
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