Unter VR-Enthusiasten genießt Pimax einen zwiegespaltenen Ruf: Einerseits steht das asiatische Unternehmen für durchaus mutige Highend-Hardware für VR-Nerds, andererseits aber auch für spät oder gar nicht erfüllte Kickstarter-Versprechen und ein teils konfuses Produkt-Lineup.
Das wird mit zwei neu vorgestellten Produkten nicht besser, denn im Portfolio befindet sich neben der in diesem Artikel behandelten VR-Brille Crystal auch ein eigener Gaming-Handheld namens Portal. Unseren ersten Eindruck zu der Konsole lest ihr hier:
Bei Pimax Crystal hingegen handelt es sich um eine klassische VR-Brille, die schon aufgrund ihres hohen Preises von 1.899 US-Dollar erneut primär Firmen und VR-Enthusiasten anspricht. Zur Promotion gibt es aktuell eine Vorbesteller-Kampagne, bei der ihr die Pimax Crystal für 1.599 US-Dollar bekommen könnt. Allerdings waren Zeitangaben bei Pimax in der Vergangenheit eher fließend und wenig verbindlich, stellt euch also auf Wartezeiten ein.
Technische Daten der Pimax Crystal
Für diesen Preis ist es nicht vermessen, Highend-Hardware zu erwarten. Und tatsächlich sehen die reinen technischen Daten gut aus: Crystal setzt auf eine Auflösung von 2.880x2.880 Pixel pro Auge und realisiert bis zu 160 Hz Refreshrate. Das QLED-Display setzt auf eine Mini-LED-Hintergrundbeleuchtung, die erstmals in einem Consumer-Headset Local Dimming beherrscht (und nicht nur verspricht) und so für bessere Kontraste sorgen soll. Und falls jetzt jemand den Zeigefinger erhoben hat, um die Varjo Aero anzusprechen: Dort ist Local Dimming bisher immer noch nur angekündigt, aber noch nicht per Firmware freigeschaltet.
Dazu gibt es statt der bisher sehr weit verbreiteten Linsen mit Fresnell-Schliff zwei asphärische Linsen – das sorgt für ein besonders klares Bild mit hoher Klarheit über die gesamte Bildfläche. Die bei Fresnell oft beobachteten Effekte wie Glare und Godrays treten deutlich seltener auf und auch auf den Screendooreffekt wirken sich die neuen Linsen positiv aus – mehr dazu später beim Ersteindruck.
Die Crystal ist zwar eine PC-VR-Brille, die bevorzugt per Displayport mit dem Rechner verbunden wird (und eine gute Grafikkarte zum Befeuern der hohen Auflösung bevorzugt), sie lässt sich aber auch wie eine Meta Quest 2 autark nutzen. Oder: Soll sich nutzen lassen, ausprobieren konnten wir das noch nicht.
Ein Qualcomm Snapdragon XR2 Gen1 ist aber bereits verbaut, dem flotten Prozessor stehen zudem 12 Gigabyte RAM und 128 oder 256 Gigabyte Flashspeicher zur Verfügung. Ein Akku mit 6.000 mAh ist in der Front der Brille verbaut, am Hinterkopf lässt sich ein weiteres Akkupack befestigen – praktisch für mehr Laufzeit und zum Gewichtsausgleich des Headsets. Dank des zweiten Akkus ist Hotswapping möglich, ihr könnt also im laufenden Betrieb den Wechselakku tauschen. Pimax Crystal nutzt die gleiche Plattform wie der oben erwähnte neue Android-Handheld Portal, was einen gemeinsamen Store für Apps ermöglicht.
Ebenso wie Portal soll auch Crystal optional mit einem WiGig-Funkmodul per 60-GHz-WLAN Daten streamen können. Eine solche Wireless-Lösung bot bislang nur HTC für die Vive-Headsets an. Im Gegensatz zur Vive nutzt Pimax aber serienmäßig ein Inside-Out-Tracking mit vier Kameras im Headset – das kennen wir von der Quest 2, WMR und vielen anderen HMDs. Optional soll es später aber auch eine Faceplate geben, mit der sich Lighthouse nachrüsten lässt.
Hohe Auflösung, hohe Hardwareanforderungen
Es hatte sicherlich einen guten Grund, weshalb sich das MRTV-Headquarter für die Pimax Roadshow in Dortmund einige hochgezüchtete XMG-PCs mit Nvidia RTX 4090-GPU hat hinstellen lassen: Die Auflösung von 2.880x2.880 Pixeln pro Auge will befeuert werden. Auch wenn es aufgrund der quadratischen Auflösung verwirrend klingt: Die Pimax 8KX und die Crystal kommen insgesamt auf die gleiche Menge zu berechnender Pixel.
Bei der Pimax Crystal verteilen diese sich aber aufgrund des geringeren FoV auf einer kleineren Fläche, was die Pixeldichte erhöht und für ein noch schärferes Bild sorgt. Zudem kommt die Crystal ganz ohne die von älteren Geräten bekannten Verzerrungen im Außenbereich aus, wenn das große Field of View genutzt wird. Und dann sind da noch die asphärischen Linsen, die für ein knackscharfes Bild ohne Fresnell-Nachteile sorgen.
Zwei Paar Linsen inklusive
VR-Brillen bestehen aus einem oder zwei Displays, auf die der Nutzer durch speziell geschliffene Linsen blickt. In den letzten Jahren gab es nur wenige VR-Headsets, die dabei nicht auf den durch seine gut sichtbaren Rillen im Schliff erkennbaren Fresnell-Schliff gesetzt haben. Dabei zeigten Headsets wie PSVR (die erste) und sogar GearVR von Samsung, dass ohne Fresnell sogar bessere Ergebnisse erzielt werden können.
Nachdem bereits die Pico 4 auf sogenannte Pancake-Linsen setzte und so ein klareres VR-Bild produzieren kann, setzt auch Pimax auf die Fresnell-Konkurrenz. Was wir bisher sehen konnten, war das eine gute Wahl, der Bildeindruck war überragend. Allerdings konnten wir bisher nur die Linsen mit 35 PPD, also geringerer Pixeldichte, aber größeren Sichtfeld, ausprobieren. Ganz ehrlich: Das Bild war auch damit sehr scharf und so richtig praktisch ist das sehr kleine Sichtfeld der 42-PPD-Linsen auch nur, wenn ihr ausschließlich Filme in VR sehen wollt. Ob es dafür ein so teures Highend-Headset sein muss?
Und selbst die 35-PPD-Linsen bieten kein Field of View, wie man es bei Pimax aufgrund ihrer bisherigen Headsets erwarten würde – bislang stand Pimax für extrem große FoV-Werte und sicherte sich damit auch ein Alleinstellungsmerkmal.
Die Pimax Crystal ausprobiert. Zum Teil.
An der ersten Teststation der Roadshow konnte die Crystal zeigen, was sie bei Rennspielen abliefern kann. Spoiler: Einiges … die Bildqualität war beeindruckend, Pixel waren keine sichtbar. Auch das Dimming wurde demonstriert und zeigte einen klar sichtbaren Unterschied in den Kontrasten. Während bei vielen anderen VR-Brillen der tatsächliche Displaybereich sichtbar heller abgegrenzt von den schwarzen Außenbereichen sichtbar ist, war es hier ein fließender Übergang in die Spielgrafik. Ein beachtlicher Sprung für die Immersion.
Die zweite Teststation war mit Skyrim VR bestückt. Sicher nicht die beste Wahl, um hohe Auflösungen anhand von tollen Texturen zu präsentieren, aber wenigstens die Schärfe des Bildes und auch Objekte in der Entfernung ließen sich damit gut beurteilen. Den Test hat die Crystal ebenfalls bestanden. Trotz vieler Spielstunden in Skyrim VR war das Spiel noch nie so scharf und kontrastreich.
Allerdings musste Pimax auf die Steuerung per Gamepad zurückgreifen – ursprünglich geplant war es, die Controller der Crystal ebenfalls zu präsentieren. Durch technische Probleme bei einer früheren Roadshow entschied sich Pimax aber, die Controller noch einmal intensiver zu überarbeiten, bevor sie erneut gezeigt werden. Schade, denn so ließ sich nicht testen, wie gut das selbst entwickelte Inside-Out-Tracking funktioniert. Dass selbst VR-erfahrene Firmen damit Probleme haben können, bewies schon HTC mit der Vive Cosmos.
Am Skyrim-PC war aber etwas anderes möglich: ein Direktvergleich mit der ebenfalls sündhaft teuren Luxus-VR Varjo Aero. Und tatsächlich wirkte das Bild der Pimax Crystal der Aero überlegen. Bei der Schärfe tun sich beide Brillen nur wenig, Varjo bietet aber noch kein Dimming und hat noch keine Lösung für störende Verzerrungen im Außenbereich des Bildes gefunden.
Als Letztes stand aber noch der Microsoft Flight Simulator auf dem Programm. Hier konnte die Pimax-Brille erneut ein sehr scharfes Bild präsentieren, bei dem vor allem die ausgesprochen guten Kontraste auffielen. Instrumente waren perfekt ablesbar, selbst kleinste Details zu erkennen.
Versprechungen
Noch kann die Pimax Crystal nur für eine Vorbestellung reserviert werden, der Preis für das Headset liegt bei reduzierten 1.599 US-Dollar. Regulär sollen es 1.889 US-Dollar werden. Einige Baustellen gibt es für Pimax vor Release aber noch zu bearbeiten. Die noch nicht fehlerfrei arbeitenden Controller sind einer dieser Punkte. Viele Besucher der Roadshow berichteten aber auch von Problemen mit den genutzten Linsen: Das VR-Bild erschien ihnen unscharf, als würden sie eine Brille mit für sie falscher Stärke tragen.
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Sebastian Ang, in dessen Räumen das Pimax-Event in Dortmund stattfand und der in seinem MRTV-Hauptquartier so ziemlich alle relevanten und nicht-so-relevanten VR-Brillen präsentiert, stellte zudem fest, dass er ohne seine Brille mit der Crystal ein schärferes Bild hatte. Ich selbst bin noch auf dem Weg mir einzugestehen, dass ich immer kurzsichtiger werde und mir eine Brille organisieren sollte – unter der Pimax Crystal hingegen war alles so scharf wie es die Realität seit Jahren nicht mehr war. Gleicht ein Fehlschliff der Linsen meine und auch Sebastan Angs Fehlsichtigkeit zufällig perfekt aus?
Aufgefallen ist das den Pimax-Mitarbeitern bis zur Roadshow offenbar nicht. Sie bekräftigten aber, dass es noch Änderungen geben wird.
Das Eyetracking hingegen soll so gut wie fertig sein, konnte aber ebenfalls noch nicht gezeigt werden. Auch die Standalone-Fähigkeiten der Crystal konnten wir nicht testen, gleiches gilt für die angekündigte Faceplate für Lighthouse-Tracking und das Wireless-Modul. Da sich Pimax in den letzten Jahren öfters viel Zeit mit der Auslieferung versprochener Zubehörteile gelassen hat, bleiben wir hier erst einmal skeptisch. Was wir bislang aber sehen und begutachten konnten, war vielversprechend.
Fazit des Ersteindrucks
Die Pimax Crystal ist eine der bislang besten VR-Brillen, zumindest was den Bildeindruck angeht. Auch der Komfort ist in Ordnung, nur die serienmäßigen Lautsprecher fallen qualitativ ab. Leider war noch kein Blick auf die Controller und vor allem das Tracking möglich – schade, denn hier besteht noch viel Unsicherheit. Das Eyetracking von Tobii war ebenfalls nicht aktiv, allerdings hat Tobii einige Erfahrungen auf dem Markt und stattet auch die PSVR2 aus.
Eine gute Wahl sind die asphärischen Linsen, die für ein ungewohnt klares Bild sorgen. Positiv ist auch die Displayqualität. Hier fällt nicht nur die hohe Auflösung auf, sondern auch das Local Dimming.
Wer von Pimax aber ein extragroßes FoV erwartet, wird von der Crystal enttäuscht sein. Das Sichtfeld ist eher auf dem Niveau der Valve Index angesiedelt. Das reicht vielen sicherlich vollkommen aus und ist auch problemloser realisierbar, entspricht aber nicht dem, wofür Pimax steht. Und da die Crystal sich ein Gehäuse mit der kommenden Pimax 12K teilt, wirkt sie auch wuchtiger als nötig. Pico 4 und Quest Pro zeigen hier, wie es auch anders geht.
Was bleibt ist ein hoher Kaufpreis nahe der 2.000 US-Dollar und Unsicherheit, ob Pimax alle gegebenen Versprechen einhalten kann. Angesichts der auf der Roadshow ersichtlichen Probleme mit der Hardware dürfte der Release aber wohl wieder etwas später als angekündigt erfolgen. Gegenüber der Varjo Aero würden wir die Pimax Crystal aber wohl vorziehen, am ehesten fühlt sich die Pimax Crystal (in guten Momenten) wie eine Valve Index 2.0 an – und das ist als Lob gemeint.
Wie ist eure Meinung zu der Highend-Brille? Überzeugt euch die hohe Bildqualität oder lassen euch die noch nicht umgesetzten Versprechen zweifelnd zurück? Schreibt uns eure Meinung gerne in die Kommentare!
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