Seite 2: The Crossing - Entwicklung durchkreuzt

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Der Prototyp

Im Frühjahr 2006, als die Entwicklung von Dark Messiah of Might and Magic langsam auf ihr Ende zuläuft, stellt Raphael Colantonio eine Handvoll Leute für das Crossplayer-Projekt ab. Sie arbeiteten zunächst am Gerüst, an den technischen Grundlagen für die Verschmelzung von Solo- und Multiplayer-Spiel.

Die Tempelritter waren als wieselflinke Nahkampf-Spezialisten mit Armklingen geplant. Die Tempelritter waren als wieselflinke Nahkampf-Spezialisten mit Armklingen geplant.

Als Grafik-Engine wählt das Team zum zweiten Mal nach Dark Messiah die Source-Technologie von Valve. »Darüber mussten wir überhaupt nicht nachdenken«, erinnert sich Roby, »durch Dark Messiah kannten wir die Engine in- und auswendig, und die Unterstützung durch Valve war hervorragend.«

Bald läuft der erste rohe Technik-Prototyp des neuen Spiels. Sechs Monate später besitzt Arkane eine vorzeigbare Demoversion von The Crossing. Die Demo besteht nur aus einer Karte, der Schauplatz ist das Paris der Gegenwart, in The Crossing ein Ort der Aufstände und Ghetto-Krawalle. Simuliert wird eine Kampagnenmission, selbst Story-Elemente sind eingewoben. Man kann den Solisten spielen, der gegen KI-Gegner antritt. Oder gegen bis zu vier menschliche Spieler, die in die Demo einsteigen dürfen. Der Umfang ist für einen Prototypen beeindruckend, das Spiel enthält bereits ein breites Arsenal von Waffen: Schwerter, Wurfklingen, Gewehre, Granaten, Näherungsminen, sogar einen Wurfhaken, mit dem sich Spieler an Vorsprünge krallen und elegant von Häusern schwingen.

Dabei setzt Arkane optisch wieder auf die Körpererfahrung, die schon Dark Messiah ausgezeichnet hat: Der Spieler sieht seine Hände und Füße, er macht natürliche Bewegungen mit. Wer nach einem Sprung vom Seil auf dem Boden landet, der geht in die Knie, federt mit den Händen den Aufprall ab, alles aus der Ego-Perspektive sichtbar. Die Demo von The Crossing läuft nicht nur auf PC und Xbox 360, sie verbindet auch beide Plattformen zum gemeinsamen Spiel. Damit hat Arkane sein Budget für einen Prototypen erschöpft, denn die Firma aus Lyon ist ein Mittelstandsunternehmen, keine Branchengröße. Jetzt muss ein Geldgeber einsteigen. Arkane fühlt sich gut gerüstet.

Verhandlungen

In der Computerspielbranche heißen die Investoren meistens Publisher: große Verlage wie Electronic Arts oder Activision Blizzard, die das Geld und den Willen haben, über Jahre hinweg viele Millionen Dollar vorzustrecken. Denn ein konkurrenzfähiges Spiel zu entwickeln, kostet leicht zweistellige Millionenbeträge und kann zwei bis drei Jahre lang dauern.

Viktor Antonov hat den Architektur- und Kleidungsstil für The Crossing entworfen. Viktor Antonov hat den Architektur- und Kleidungsstil für The Crossing entworfen.

Profit fließt erst dann zurück an die Geldgeber, wenn das Programm im Laden steht. Das ist ein Risiko. Was, wenn sich das Spiel nicht gut genug verkauft? Bei bekannten Spielideen, Namen und Marken lässt sich der Erfolg kalkulieren, indem man vergleichbare Produkte betrachtet: So lief der Vorgänger, so liefen andere Shooter. The Crossing hat keinen Vorgänger, es gibt keine vergleichbaren Produkte. Sein Konzept ist ganz schön verwirrend. Aber Arkane hat den Prototypen.

Die Franzosen ziehen los, von einem Publisher zum nächsten, und setzen die Verantwortlichen an die Demoversion. »Die Demo hat unglaublich viel Spaß gemacht«, erzählt der Producer Julien Roby. »Bei allen großen Publishern, denen wir das Spiel gezeigt haben, gab es keine einzige Person, die den Prototypen nicht mochte. Wir waren wirklich stolz darauf, dass wir beweisen konnten, dass das Crossplayer-Prinzip funktioniert.« Arkane ist selbstbewusst. Es versteht sich nicht von selbst, dass Publisher ein komplett laufendes Level zu sehen bekommen, viele Verträge werden auf Basis von Designdokumenten und Technologie-Demos geschlossen. Arkane hatte die gesamte Vorproduktion in Eigenregie erledigt, die Technik war einsatzfertig, das Konzept ausgefeilt, man ist bereit für die Produktion. »Wir hatten zu dem Zeitpunkt schon so viel Geld in das Projekt investiert, dass wir auf sehr vorteilhafte Konditionen hofften«, sagt Roby.

Dabei geht es Arkane nicht in erster Linie um die Höhe der Gewinnbeteiligung, sondern um ausreichend Zeit und Geld, um The Crossing im Rahmen ihrer Qualitätsansprüche abzuschließen. Nur ein Publisher macht überhaupt ein Angebot. »Das war nicht mal ansatzweise in der Nähe unserer Vorstellungen«, erinnert sich Julien Roby, »und einige der Vertragskonditionen waren so ungünstig, dass wir um das Wohl des Projekts fürchteten.« Alle anderen Publisher hatten abgewunken.

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