Update am 28. Mai 2025: Donald Trump hatte zum 1. Juni 2025 50-Prozent Zölle auf alle Waren aus der EU angekündigt. Nach weiteren Gesprächen setzte er diese bis zum 9. Juli 2025 aus. Erst dann sollen sie bei Ausbleiben einer Einigung im Handelsstreit in Kraft treten (via ZDF).
Wenn das passiert, gewänne das von uns mit Expertenhilfe skizzierte Szenario 2 zunehmend an Relevanz: Es könnten auch Preise von Videospielen betroffen sein.
Trumps Zölle betreffen alle. Auch wir könnten schon bald tiefer ins Portemonnaie greifen müssen, um uns allerlei Hobbys zu finanzieren. Denn wer die Produktion teurer macht, der belastet früher oder später den Endkunden. Was droht jenseits von schlicht teuer im Laufe des Jahres? Das haben wir Torben Klarl, VWL-Professor an der Universität Bremen, gefragt.
Die Aktionen der US-Regierung gehören zum Schlimmsten, was ihm bisher an Wirtschaftspolitik untergekommen sei. Vor allem extrem hohen Zölle auf chinesische Produkte bringen Unruhe in die Produktionsketten. Stand 24. Mai 2025 hat sich hier die Lage etwas entspannt. Dennoch bleibt die Gefahr latent bestehen.
Dabei ist aus Tech-Sicht vor allem die Hardware mit ihren Mikrochips betroffen – aber auch bei Software könnten die Trump-Zölle bald eine Rolle spielen.
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Wenige Länder dominieren den Massenmarkt für gerafft Elektronik
– und sie alle finden sich in Asien. Die USA, Japan, Südkorea und Europa können vor allem im Hightech-Bereich sowie der Entwicklung Stärken vorweisen. Aber wenn es um die Herstellung von Massen an Elektrogeräten oder ihren Einzelteilen, den Chips, geht, führt kein Weg an folgenden Staaten vorbei: Indien, Taiwan, Vietnam, Thailand und China. Mehr Infos via all-electronics
Die aktuelle Lage: Zölle, Zölle und nochmal Zölle
Aktuell gelten zwar für die meisten Länder nur relativ geringe Abgaben von 10 Prozent, wenn sie in die USA exportieren wollen. Allerdings sind das noch immer höhere Zölle, als sie der globale Freihandel seit Jahrzehnten kennt. Zusätzlich belasten je nach Branche und Land weitere Zölle Industrie, Handel und Konsumenten. So gibt es etwa über die 10 Prozent hinaus weitere Zölle auf Autos aus der EU.
Ferner tickt die Uhr, bis alles (wieder) noch schlimmer kommt: Donald Trump hat weit höhere Zölle (20 bis 50 Prozent) auf den Rest der Welt nur ausgesetzt. Ab 1. Juni 2025 drohen sie, die Lage für die EU zuzuspitzen und Preise erneut in die Höhe zu treiben.
Szenario 1: Mittelfristig steigen die Preise – egal, was wir tun
Laut Torben Klarl werden fast zwangsläufig folgende Effekte eintreten: Kurzfristig könnten die Preise für Elektronik in Europa sinken, da die Produktionsländer Waren umleiten. Die USA erhalten weniger, Europa mehr. Auf diese Art könnten die US-Zölle vermieden werden.
Wie schnell das passiert, hängt von den Lagerbeständen ab. Alles, was sich jetzt bereits in den USA befindet, hat die US-Grenzen bereits überschritten – also zu geringeren oder keinen Zöllen. Diese günstigeren Waren müssen erst verkauft sein, damit neuen Zoll-belastete Waren in den US-Regalen landen. Wie lange das dauert, sei schwer abzuschätzen. Aber wahrscheinlich geht es nur um Wochen.
Mittel- bis langfristig werden die Konzerne aber versuchen, die Verluste in den USA und das Minus durch die niedrigeren Preise in Europa auszugleichen. Dann werden sie auch bei uns steigen. Ähnliches erklärte auch bereits GameStar-Chefredakteur Heiko in seiner Kolumne zur Switch 2.
Als Zeitrahmen für diese Entwicklung gibt Klarl Ende 2025 an. Bis dahin werden wir auf alle Fälle handfeste Marktreaktionen spüren – und wahrscheinlich keine guten.
Wie stark Preise fallen oder steigen, sei aber Kaffeesatzleserei.
Szenario 2: Was passiert, wenn die EU kontert?
Parallel zu den steigenden Preisen auf Elektronik könnte sich ab Sommer eine zweite Wirtschafts-Front neben der zwischen USA und Asien bilden. Europa muss eine glaubhafte Drohkulisse aufbauen. Wir dürfen nicht einknicken, sonst wäre der globale Freihandel auf Dauer beschädigt
, betont der Wirtschaftsprofessor.
Unser schärfstes Schwert: eine Digital-Steuer. Die könnte erst im Sommer angedroht und dann ab Herbst tatsächlich eingeführt werden. Ihr Ziel: Die großen Konzerne in den USA zu treffen, die bisher in der EU kaum Steuern zahlen, aber Milliarden an Umsatz einfahren, zum Beispiel: Apple, Meta, Google, Netflix, Disney oder Dutzende weitere.
Grundsätzlich könnte sich eine Digital-Steuer gegen bestimmte Konzerne richten. Frankreich hat solch eine bereits implementiert, die ab einer bestimmten Umsatzhöhe gilt. Die Steuer muss allerdings neutral formuliert sein und darf sich nicht explizit gegen Konzerne aus einem Land richten. Da aber alle großen Digital-Konzerne aus den USA kommen, wäre dies ohnehin nicht nötig.
Ähnlich wie bei Zöllen würden die Unternehmen diese Kosten aber zumindest in Teilen weiterreichen, digitale Produkte aller Art könnten teuer werden – neben den Diensten der Tech-Riesen möglicherweise auch Spielekäufe. Valve ist ebenfalls eine US-amerikanische Firma und damit rückt Steam in die Schusslinie. Laut Klarl könnten 10 Prozent oder mehr anstehen, sollte es zu Digital-Steuern kommen.
Auch Sony und Nintendo könnten als japanische Unternehmen betroffen sein. Das hänge von der genauen Formulierung vonseiten der EU ab. Allerdings stünde ohnehin berechtigt die Frage im Raum: Warum sollten beide preislich nicht einfach freiwillig bei ihren Preisen nachziehen, wenn andere sich zu Verteuerungen gezwungen sehen, um ihre Börsenkurse zu stützen?
Des Weiteren wären theoretisch auch handfeste Zölle auf digitale Käufe rechtlich und technisch machbar. Es könnte also jeder Kauf eines digitalen Produktes direkt beaufschlagt werden. Aber das wäre ein langer Abstimmungsprozess und würde dauern.
Deutschland könnte davon auch einiges im Alleingang, also ohne die EU, umsetzen. Professor Klarl hält einen solchen Alleingang ohne die EU jedoch für unwahrscheinlich.
Hoffnung auf Einsehen Trumps
Letzten Endes gelte aber jenseits all dieser Überlegungen eines und das müsse den Akteuren, allen voran den USA klar sein:
Freihandel schafft Wohlstand, und zwar weltweit, auch wenn er manchen Ländern mehr nützt als anderen. Doch selbst ärmere Staaten profitieren von Freihandel, ihm verdanken wir den Aufstieg der Weltwirtschaft im 20. Jahrhundert als Ganzes. Das ist wissenschaftlich belegt und kann nicht einfach beiseite gewischt werden.
Derzeit bleibt uns nur Abwarten. Wie genau sich die Preise für Software und Elektronik entwickeln, hängt vor allem davon ab, ob der Handelskrieg zwischen den USA und China endet.
In nächster Instanz folgt dann die Frage, ob die für die EU auf Dauer untragbaren Zölle auf zum Beispiel Autos fallen. Wenn nicht, müsse Europa scharf reagieren – unabhängig, was in Asien passiert.
Der US-Präsident wäre laut Klarl weise beraten, wenn er von seinem Kurs abkehre. Denn: »Trump kann den Handelskrieg gegen den Rest der Welt nicht gewinnen.«
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