An Atmosphäre unübertroffener Rollenspiel-Klassiker

Das Königreich befindet sich im Krieg mit den Orks. Waffen werden mit Vorteile aus dem magischen Erz geschmiedet. Die Insel Khorinis, welche über entsprechende...

von luke_the_duke am: 21.11.2008

Das Königreich befindet sich im Krieg mit den Orks. Waffen werden mit Vorteile aus dem magischen Erz geschmiedet. Die Insel Khorinis, welche über entsprechende Resourcen verfügt, wird kurzer Hand zum Arbeitslager umfunktioniert und damit da auch ja niemand fliehen kann, beschliesst man, eine magische Barriere um das Lager zu errichten. Dabei geschieht ein Unfall: Die Barriere greift, man kann da Sträflinge reinschicken, die bleiben dann auch da, aber raus kann gar niemand mehr. So banal das alles nun tönt: Diese dürftigen Hintergundinformationen bilden das Fundament für eines der dichtesten und spannensten Rollenspiele, die je erschienen sind. Als namenloser Sträfling wird unser Alter Ego in die Strafkolonie geschickt, welche sich aufgrund der speziellen Umstände zu einem darwinistischen Machtgefüge entwickelt hat. Die Aussenwelt ist abhängig vom Erz, die Kolonie ist auf Lebensmittel und andere Verbrauchsgüter angewiesen. Gespielt wird aus der Aussenperspektive, Charakterwahl gibt es keine. Das Charaktersystem kennt die klassischen Grundwerte wie Stärke, Intelligenz etc. Dazu kommen dann waffen-, magie- und berufsspezifische Skills. Beim Levelaufstieg erhält man Lernpunkte, die man beim Lehrer auf die gewünschte Fertigkeit setzt. Spezialisierungen machen zu Beginn des Spiels noch einigermassen Sinn, wer sich jedoch auch die eine oder andere Nebenaufgabe zu Gemüte führt, wird meiner Meinung nach im Verlauf des Spiels schlicht zu mächtig, so richtig an die Wand fahren kann man seinen Charakter praktisch nicht.
Die Bedienung des Spiels ist mal vorteilhaft ausgedrückt sehr gewöhnungsbedürftig. Objekte oder Personen (Freund und Feind) mit denen man interagieren kann, werden angeschrieben sobald im Blickfeld. Bei Druck auf die Ctrl/Strg-Taste erhält das Objekt/ der NPC / der Gegner den Fokus und von nun an kann mit den Pfeiltasten interagiert werden. Fokussiert man nun z.B. auf einen Gegner, können mit den Pfeiltasten 'Links' und 'Rechts' seitliche Hiebe ausgeteilt werden, mit der 'Vor'-Taste führt der Held einen Ausfallschritt durch, mit 'Zurück' wird geblockt. Lässt man nun aber die Ctrl-Taste nur einmal los, verliert man den Fokus und die Pfeiltastenprügelei endet in spastischen Zuckungen des Alter Egos. Der Frust ist also vorprogrammiert, bereits der erste Scavenger, welche das ganze Gebiet besiedeln und im Verlauf des Spiels zu blossem Schwertfutter verkommen, wird ohne Übung zur echten Bedrohung.
Die grosse Stärke von Gothic liegt in der Atmosphäre, den Aufgaben und der NPC-Inszenierung, sämtliche Gespräche, auch die Parts des Spielercharakters, sind exzellent vertont. Wer sich also im Eiltempo durch die Dialoge klickt, dem entgeht ein Grossteil der Faszination Gothic. Die Quests behandeln immer plausible Anliegen der Auftragsstellers, die in der gegebenen Welt Sinn machen. Als Beispiel: Im Alten Lager, der ersten grösseren Menschensiedlung, die sie betreten müssen (!!!, mehr dazu später), wird man von einem der Vorsteher gebeten, einen Vermissten zu suchen, welchen man später in einer nahegelegenen Höhle tot auffindet. Pflichtbewusst setzen wir den Vorsteher über das traurige Schicksal seines Kameraden in Kenntnis, worauf dieser sich dann eigentlich vor allem für die übriggebliebenen Habseligkeiten des Verblichenen interessiert. Konsequenterweise darf man den Aufseher dann auch anlügen, vergeigt aber dadurch wichtige Sympathiepunkte. Derlei vom Machtkampf und Eigensinn getriebene Überlebenskünstler trifft man in Gothic an allen Ecken, nichts geschieht ohne Eigennutz, was dem Szenario des anarchistischen Verbrechersumpfs unglaubliche Glaubwürdigkeit verleiht. Warum man das Alte Lager praktisch als erstes aufsuchen MUSS, liegt an den Gefahren, die man als kleiner Nachwuchsheld schlicht unmöglich bewältigen kann und überall ausserhalb des Lagers lauern. Auch dadurch bekommt das Geschehen einen realistischen Anstrich, die Welt ist eben wirklich voller Gefahren, welchen nicht jeder dahergelaufene Anfänger trotzen kann, die Siedlungen bieten tatsächlich Schutz. Die komplett offene und nur selten durch Ladebildschirme gestörte Welt von Gothic ist relativ klein, die Dichte an questrelevanten Orten aber so hoch, dass keine Höhle, kein Turm, kein Wald nur so zum Selbstzweck dasteht. Selbst die abrupten Levelenden erhalten mit der magischen Barriere ihre Daseinsberechtigung. Die Welt von Gothic atmet, menschelt und ächzt an allen Ecken und vermittelt dem Spieler so ein unglaublich intensives Mittendrin-Gefühl. Pros: - Geniale Atmosphäre
- Exzellentes Charakter- und Questdesign
- Tolle, vertonte Dialoge
- Erwachsenes Flair
- Stimmige, dreckige Optik
Cons:
- Bedienung unter aller Sau
- Zuweilen buggeplagt
- Fähigkeiten schlecht balanciert
- Schwierigkeitsgrad extrem schwankend
- Zu einfaches Finale


Wertung
Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

eher schwer

Bugs:

Häufiger, unregelmäßig

Spielzeit:

Mehr als 20, weniger als 40 Stunden



Kommentare(2)
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