Die Fortsetzung einer epischen Reise

Rezension: „Landwirtschafts-Simulator 2009“ – Plattform: DVD

von ModuGames am: 20.09.2020

Hinweis: Ich empfehle, dass Sie zuerst meine Rezension zum Vorgänger lesen.

Mein Streifzug durch die Geschichte von Deutschlands beliebtester Berufssimulation geht weiter! Nachdem ich mich in einem Blog dem ersten Teil der Reihe gewidmet habe, behandeln wir nun den Landwirtschafts-Simulator 2009, der am 30.03. in eben jenem Jahr veröffentlicht wurde – nicht einmal zwölf Monate nach dem Debüt.

Bescheidene Anfänge

Beginnen wir erneut im Hauptmenü, wo wir mit denselben Optionen konfrontiert werden wie im Vorgänger. In den „Missionen“ muss man erneut zeitbasierte Herausforderungen abschließen und wird mit Medaillen belohnt. Das ist nach wie vor ziemlich langweilig und höchstens noch als Tutorial zu gebrauchen. Es gibt nach wie vor keinen Mehrspieler, also wenden wir uns dem „Karriere“-Modus zu. Neu ist, dass man vor Spielbeginn die Wahl zwischen den drei klassischen Schwierigkeitsgraden „leicht“, „mittel“ und „schwer“ hat, die sich auf die Preise auswirken. Was es damit auf sich hat, beschreibe ich später, jetzt zählt vor allem der Ersteindruck.

So starten Sie im freien Spiel. Es wird Zeit, den Hof zu modernisieren! 

Zuerst untersuche ich, ob man nun sprinten und springen kann. Ersteres ist nun in der Tat möglich, letzteres nach wie vor keine Option. Das ist schade, aber immerhin wirkt das Spiel nun nicht mehr ganz so behäbig. Wer sich auf dem Hof umschaut, wird auf „i“-Zeichen stoßen, die Hinweise darüber geben, wie man seinen Betrieb am besten führt – ein ganz nettes Feature. Der Hof selbst... macht keinen sonderlich guten Eindruck. Wo wir im Vorgänger noch alle Fahrzeuge bereits zu Beginn des Spiels besaßen, gibt uns der LS 09 deutlich bescheidenere Mittel an die Hand. Wir starten mit einem rostigen Traktor, einem genauso rostigen Mähdrescher und einigen kleinen Geräten – das absolute Minimum an Ausrüstung.

Der LS wird komplexer

Die große Neuerung dieses Teils ist nämlich, dass es ein „richtiges“ Wirtschaftssystem gibt. Dies schließt mit ein, dass man sich neue Maschinen kaufen kann. Ich kann gar nicht genug betonen, wie viel das Spiel durch diese Änderung profitiert! Es gibt nun endlich ein Ziel, auf das man hinarbeiten muss – im Vorgänger konnte man lediglich dem Konto beim Wachsen zuschauen. Der Fuhrpark wurde ebenfalls deutlich ausgebaut, so gibt es insgesamt sieben Traktoren und vier Mähdrescher, jeweils doppelt so viele wie im LS 08. Man kann sich von jedem Modell so viele kaufen, wie man möchte, und sie zum halben Preis auch wieder abstoßen, wenn man sich verkalkuliert hat oder Geld für bessere Maschinen braucht. Unterm Strich ein motivierendes System, auch wenn die Nachfolger hier natürlich deutlich mehr in die Tiefe gehen. Es dauert je nach Spielstil zehn bis 15 Stunden, dann hat man in der Regel alle großen Maschinen erworben.

In diesem Menü kann man Geräte (ver)kaufen. Hier sehen Sie die vier schlechtesten Traktoren, wobei der Fendt 614 mit Frontlader essenziell ist, um Ballen bewegen zu können. 

Doch auch an anderer Stelle dreht der LS 09 auf: Wo es im Vorgänger nur eine Getreidesorte gab, haben wir es nun mit vier zu tun: Weizen, Gerste, Raps und Mais. Die ersten beiden haben die Besonderheit, dass sie zusätzlich zum Korn auch noch Stroh produzieren (dazu später mehr). Letzteres entfällt, wenn man Raps aberntet. Für Mais wiederum braucht man ein besonderes Schneidwerk, ansonsten verhält er sich aber wie Raps. Der Clou hierbei ist, dass es nun drei Verkaufsmöglichkeiten (statt nur einer im Vorgänger) gibt: den Hafen, die Brauerei und die Mühle, die allesamt unterschiedlich viel für die Lieferungen bezahlen. Die Getreidepreise variieren je nach Art und ändern sich außerdem täglich. Das ist eine interessante strategische Komponente, da man den Verkauf der Ernte zum Teil verschieben muss, wenn die Preise gerade nicht günstig sind.

Felderfahrungen

Doch genug von der Theorie, wie spielt sich das in der Praxis? Nun, als ich anfing, mit meinem Mähdrescher die bereits reifen Felder abzuernten, fielen mir ein paar Dinge auf. Erstens: Die grafische Qualität wurde verbessert. Klar, die Präsentation ist von damaligen Toptiteln immer noch meilenweit entfernt, aber die Optik ist nicht mehr so eklatant schlecht wie im Vorgänger. Vor allem die Fahrzeugmodelle sehen ganz ordentlich aus, dafür bereiten die Geländedetails wieder Bauchschmerzen. Außerdem besitzt die Spielfigur nun einen Körper, den man in der Außenansicht bestaunen kann. Die Figur ist zwar nicht animiert und in der Ego-Sicht spielt man immer noch einen Geist, aber die Entwickler sind auf dem richtigen Weg. Viel wichtiger ist hingegen eine andere Erkenntnis: Die Fahrphysik ist ziemlich grausig. Mein Drescher rutscht geradezu über den Boden, von Traktion keine Spur. Beim Abernten der Felder ist das tatsächlich nur halb so schlimm, aber wenn man grubbert oder pflügt und man sich lediglich in Schlangenlinien fortbewegen kann, ist das furchtbar unbefriedigend. Ich erwarte in einer Simulation über Landwirtschaft ein halbwegs nachvollziehbares Fahrverhalten.

Mit dem Frontladertraktor muss man die Quaderballen auf das rote Förderband laden, das man hier im Hintergrund sieht. Die verkorkste Steuerung hilft hierbei überhaupt nicht, zumal das Förderband mich offensichtlich in den Wahnsinn treiben will. 

Als ich dann also am Ernten war, konnte ich die Stroh-Mechanik ausprobieren. Der Drescher lässt bei den bereits angesprochenen Getreidearten Stroh liegen, das man mithilfe einer Ballenpresse verarbeiten kann. Gesagt, getan, ich habe mir das Teil gekauft. Die Quaderballenpresse zu fahren, macht Spaß. Was danach kommt, löst deutlich weniger Freude aus. Man muss diese Ballen nämlich auf ein Förderband heben, das man auf seinem Bauernhof findet. Dazu benötigt man den Traktor mit Frontlader. Besagter Frontlader hat nur leider noch keine Maussteuerung, sondern muss über die Tasten J, N, K und M bedient werden, was hinten und vorne nicht funktioniert. Und dann noch dieses Förderband, das mindestens zwei Drittel der Ballen wieder abwirft! Furchtbar! Es gibt übrigens einen Ballenwagen, allerdings müssen die kleinen Quaderpakete manuell auf diesem platziert werden – ebenfalls furchtbar. Das heißt, dass man wirklich lange Strecken mit nur einem Ballen auf der Gabel fahren muss, was noch dadurch erschwert wird, dass sich das Abbremsen und Beschleunigen nach wie vor sehr unnatürlich anfühlt.

Halbherzig umgesetzte Features

Es gibt noch einige andere Aspekte des Spiels, die ebenfalls gut gemeint, aber nicht gut gemacht sind. Einer davon ist die sogenannte Helferfunktion. Aktiviert man diese, übernimmt eine KI gegen einen geringen „Lohn“ die Kontrolle über ein bestimmtes Fahrzeug und führt dann simple Tätigkeiten wie das Grubbern von Feldern aus. Zumindest in der Theorie, denn der Computer hat absolut keine Ahnung, was man von ihm will. Er weiß nicht, wo Felder enden und fährt dann meilenweit in die Walachei hinein. Oder er bleibt irgendwo zufällig stehen. Wie gesagt: Ein gut gemeintes Feature, aber hier muss noch nachgebessert werden. Das Mähen von Gras wurde hingegen nur minimal ausgebaut. Erneut sammelt man das Gras mit einem Ladewagen ein und lädt die Erzeugnisse beim Bauernhof ab, nachdem man die Wiese mit Mähwerken bearbeitet hat. Das bringt etwas Geld ein, ist aber extrem unbefriedigend (Tierzucht sucht man in diesem Teil immer noch vergebens). Man könnte das Gras auch zu Ballen pressen, aber warum das keine gute Idee ist, habe ich ja schon weiter oben erläutert.

Die Qualität der Modelle wurde verbessert und auch die Welt wirkt lebendiger. Das heißt aber noch lange nicht, dass der LS 09 gut aussieht. 

Damit wäre der Bauernalltag soweit abgearbeitet, also wird es wieder Zeit, mich auf eine Erkundungstour zu begeben. Erneut gibt es nur eine Karte im Spiel, eine Insel, die sich flächenmäßig nicht vor der des Vorgängers verstecken muss. Sie ist aber diesmal besser gefüllt, so kann man etwa einen Stonehenge-Klon entdecken. Es gibt außerdem einen Händler, von dem man seine neu erstandenen Gerätschaften abholen muss (kleine Anmerkung am Rande: Alle modernen Traktoren und Mähdrescher sind Fendt-Modelle). Es wurde ein Versuch unternommen, die Spielwelt interaktiver zu machen, indem die Entwickler 100 Flaschen in der Welt verteilt haben, die man bei Containern abgeben kann. Das steigert das Ansehen bei den Bewohnern jeweils um einen Prozentpunkt pro Flasche, was man im PDA einsehen kann. Dabei handelt es sich um eine Art Tablet, das allerlei interessante Informationen wie etwa das Wetter der nächsten Tage oder die Getreidepreise anzeigt. Ich verstehe zwar nicht, warum die Reputation eines Landwirts derart stark davon abhängen sollte, dass er den Müll anderer Leute beseitigt, aber vielleicht liegt den Entwicklern von Giants Software ja auch einfach nur viel am Umweltschutz. Die Welt wird außerdem dadurch lebendiger, dass auf den Straßen nun Autos fahren. Für Fußgänger im Dorf hat es zwar nicht gereicht, aber man nimmt ja, was man kriegen kann. Besagte Autos kommen übrigens gerne vom Weg ab und fahren durch die Felder – meine Felder. Schade, dass ich mir im Shop keine Schrotflinte kaufen kann, um diese Sonntagsfahrer von meinem Grund und Boden zu vertreiben. Das hätte das Spiel gleich deutlich unterhaltsamer gemacht.

Fazit

Lassen Sie sich von meiner Wertung nicht täuschen: Der Landwirtschafts-Simulator 2009 stellt eine massive Steigerung dar. Gut, man könnte jetzt natürlich argumentieren, dass es nicht schwer ist, ein – offen gestanden – ziemlich schlechtes Spiel zu toppen. Dennoch möchte ich die Verbesserungen angemessen würdigen: Der Wirtschaftsteil samt Shop hebt die Langzeitmotivation an, mehr Getreidearten erhöhen die Abwechslung, die Insel wirkt lebendiger – dazu kommen noch einige Detailänderungen. Aber es ist alles noch nicht so richtig „gut“! Mal ganz abgesehen von all den Dingen, die noch fehlen: Tierzucht, eine einigermaßen akzeptable Fahrphysik, Mehrspieler-Unterstützung etc. pp. Der LS 09 ist ein klarer Schritt in die richtige Richtung, aber auch nicht mehr als das.


Wertung
Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

eher leicht

Bugs:

Häufiger, unregelmäßig

Spielzeit:

Mehr als 40, weniger als 100 Stunden



Kommentare(1)
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