Ein Wort: Episch

Es ist wirklich nur dieses eine Wort, mit dem sich das Werk von Cdproject-Red umschreiben lässt. Episch - von vorne bis hinten. Wo soll man also anfangen,...

von Jcfr am: 28.05.2015

Es ist wirklich nur dieses eine Wort, mit dem sich das Werk von Cdproject-Red umschreiben lässt. Episch - von vorne bis hinten.

Wo soll man also anfangen, um ins Detail zugehen? Am besten mit der Story...

Wer bich ich, wer bist du, was ist hier los:
TW3:Wild Hunt erzählt die geschichte des Hexers Geralt von Riva weiter. Der anheuerbare Monstertöter ist zu Beginn des Spiels auf der Suche nach seiner Liebsten, der Zauberin Yennefer, sowie seiner Ziehtochter Ciri  welche von der mysteriösen und gefürchteten "wilden Jagd" gehetzt wird. Vorbei die Tage der Amnesie aus den beiden Vorgängern, man beginnt mitten im Geschehen und das während eines Krieges zwischen dem Kaiserreich Nilfgaard und den nördlichen Königreichen. 

So atmosphärisch, dicht und spannend Geschichte und Spielwelt auch sind, hierin könnte ein kleiner Kritikpunkt liegen. Denn wie schon im 2. Teil so mag auch hier bei manch einem Nicht-Kenner der Buchserie, auf welcher die Spiele beruhen, immer wieder das Fragezeichen ins Gesicht geschrieben stehen.  Wer ist Yennefer? Wer Ciri? Wieso sind beide so wichtig für Geralt? Welche Vergangenheit verbindet sie? Was ist das "ältere Blut"? Etc.

Der im Spiel eingebaute Glossar gibt sich zwar Mühe, diese Fragen zu beantworten, der Komplexität der Handlung der Romane wird er allerdings nicht gerecht. Dafür entdecken Kenner der Bücher immer wieder kleine und größere Anspielungen. Es ist klar, das unter den Entwicklern also mehr als ein Mega-Fan war.

Fesselnd ist die düstere, erwachsene Geschichte nichtsdestotrotz.

Ein Hexer tötet Monster:

Von der Story zur Spielmechanik. Wie im 2. Teil der Serie steurt man Geralt wieder aus der 3rd-Person Schulterperspektive und trägt Kämpfe mit dem Schwert aus. Das Kampfsystem gibt sich Mühe, den Spagat zwischen Komplexität und Zugänglichkeit zu meistern und auf höheren Schwierigkeitsgraden sind die meisten Begengungen ziemlich herausfordernd.
 Ganz so gnadenlos wie im Vorgänger ist es allerdings nicht geraten (auch wenn das Kontern mir immer noch nicht von der Hand gehen will).

Wie üblich kämpft man mit dem Stahlschwert gegen Menschen, mit dem Silberschwert gegen Monster und bedient sich nebenbei Hilfsmitteln wie Tränken, Ölen, Bomben und magischen Zeichen. Die Steuerung geht dabei mit dem Gamepad deutlich besser von der Hand als mit  Maus und Tastatur. Letztere fühlt sich sperrig und manchmal reglrecht unresponsiv an. Mit Gamepad hatte ich zumindest weniger Probleme bei den gelegentlichen Hüpfeinlagen, sowie beim Ausweichen im Kampf.

Ein wenig nervig ist, dass es nur zwei Schnellzugriffslots für Tränke und Bomben gibt, man im Verlauf des Spiels aber eine immense Sammlung an selbigen anhäuft. Wer wechseln will muss immer wieder ins Inventar gehen, was bei längeren Kämpfen gegen verschiedene Monster im späteren Spielverlauf schon mal nerven kann. Dafür können Tränke aber wieder direkt im Kampf eingenommen werden  und müssen nicht umständlich während der Meditation vorbereitet werden.

Neu ist allein die Armbrust, deren einsatz allerdings nur bei fliegenden Gegnern und unterwasser Sinn macht.

Aufleveln kann so öde sein:

Wie in jedem Rpg so steigt auch Geralt mit zunehmender Erfahrung im Level auf.  Hierbei haben sich die Entwickler ein neues system ausgedacht. Im Charakterbildschirm kann Geralt Punkte auf Schwertkampffähigkeiten, Alchemie, Magie oder allgemeine Skills verteilen. Aktiv werden diese aber erst, wenn man sie in bestimmten Slots platziert. Einfluss haben die aktivierten Skills auch auf Mutagene, deren  Wirkung sie verstärken, was Boni z.B. auf Angriffkraft bringt, sofern die Fertigkeiten auch zum Mutagen passen (rot zu rot, grün zu grün, etc.).

Was nach einem interessanten System mit reichlich Möglichkeiten zum Experimentieren klingt,  entpuppt sich als ziemlich ernüchternd. Die meisten Skills laufen lediglich auf eine geringfügige prozentuale Erhöhung dieses oder jenes Manövers hinaus. 5% mehr Schaden hier, 2% mehr widerstand da. Dazu kommt, dass man lediglich einen Skillpunkt per level bekommt, man für die Freischaltung höherstufiger Fertigkeiten aber konstant Punkte in einen Bereich investieren muss.
Heißt: Für die Schwertkampf-Fertigkeiten der Stufe zwei muss man acht Punkte auf Fertigkeiten des 1. Grades verleihen - oder anders: acht mal im Level aufsteigen. Und um die Fertigkeiten der 3. Stufe freizuschalten muss man schon insgesamt 20 Punkte verteilen. Bei dieser Masse an Skills und dieser geringen Auswirkung verstehe ich nicht, warum man nur einen Punkt per level-up bekommt?

Erkunde die Welt, wie es dir gefällt:

TW3 bietet drei riesige Areale in einer Quasi-open-world auf. Und riesig sind die Gebiete. Um daher schnell von A nach B zu gelangen verfügt Geralt sowohl über sein treues Pferd Plötze, als auch über die Fähigkeit zu segeln , sowie verschiedene Schnellreisepunkte auf der Karte.  Abseits der story-Missionen gibt es viel zu erkunden und zu finden - von versteckten Schätzen über Banditenlager bis hin zu  Monsterverstecken.

Allerdings wurde gerade mit den versteckten Schätzen - meines Erachtens - ein wenig übertrieben.
Wer jedes einzelne Versteck abklappern will ist wirklich ewig unterwegs und findet dabei doch nur meist kram, den er gar nicht braucht oder der schlechter ist, als alles, was man bereits besitzt. Das liegt auch ein Bisschen am nächsten Kritikpunkt, denn wie in allen Open-world-Spielen gibt es zonen, für die man zunächst zu schwach ist und für die man erst noch ein paar Levels zulegen muss.

Hier macht TW3 es aber nicht immer eindeutig klar, wie weit man gehen kann, oder wo noch Quests für die eigene Stufe zu finden sind. Immer wieder kam es vor, dass ich im Spiel auf eine Zone traf, in der Monster hausten die für mich noch viel zu mächtig waren und als sich ein paar levels später wiederkam stellte sich heraus, das dahinter ein Dorf mit einer Quest lag, die jetzt allerdings weit unter meinem level liegt. Wäre ich mal bloß vorher mit Plötze durch den Mob durchgaloppiert.

Auch ein wenig schade finde ich, das die Abwechlsung der Monster nicht gerade üppig ist. Ich hatte auf die Wiederkehr alter Bekannter gehofft, wie Zeugl, Bruxa, Kikimoren, Wij, Striege und andere. Wer weiß, vielleicht in den dlcs.

Ein weiterer Kritikpunkt ist der, das Boote kaputtgehen und sinken können, man sie aber - soweit mir bekannt ist - nicht reparieren kann, obwohl man Holz und Nägel im Inventar hätte. Gerade in Skellige mit den weit voneinander entfernten Inseln und den vielen versunkenen Schätzen kann es furchtbar nerven, wenn auf halben Weg das eigene Boot von Sirenen versenkt wird... mal wieder.

Das Leben ist eine Quest:

Neben den üblichen Monster-Aufträgen, die sich wirklich Mühe geben abwechslungsreich zu sein, gibt es noch kleinere Nebenquests und auch altbekannten Zeitvertreib wie z.B. Faustkämpfe (die Gott lob keine QTEs mehr sind). Aber auch Pferderennen und das heimliche Highlight: Gwint.

Dabei handelt es sich um ein eingebautes Sammelkartenspiel  das echt spaßig ist und um längen besser als Würfelpoker. Gut, manchmal ist es auch frustig, wenn man zum dritten Mal in Folge ein schlechtes Blatt bekommt oder auf einen Gegner trifft, dessen Deck einfach extrem viel besser bestückt ist, aber das gehört eben zu einem sammelkartenspiel. Die KI ist dabei eher schwankend. Manchmal richtig clever und manchmal strunzdumm.
Schade finde ich, dass man sich sein Starterdeck nicht aussuchen kann und es immer das Nordling-Deck ist (ich hätte lieber mit einem Monsterdeck begonnen).

Downgrade, na und:

Ja, TW3 ist ein grafisches Downgrade widerfahren. Schlecht sieht es deswegen bei weitem nicht aus - erst recht nicht seit patch 1.04.

Es ist immer noch bockhübsch mit einer der detailverliebtesten Spielwelten, die mir je untergekommen ist. Selten ist das Mittelalter so schmutzig und Lebensecht rübergekommen wie in TW3 und dabei lief es unglaublich Stabil. Bis auf einen Freeze und einen endlos-lade-bug bin ich auf keine technischen Probleme gestoßen. Da kann sich Ubisoft noch eine ganze Scheibe von abschneiden.

Auch die Quests liefen bei mir reibungslos... bis auf zwei Ausnahmen. Das Vegelund-Gedächtnisrennen ließ sich nicht abschließen, weil einer der Checkposten partout nicht erkennen wollte, wenn ich ihn passierte und die Quest für den Meisterwaffenschmied ließ sich nicht abschließen, da Hattori auf der Haupstraße einfror und nicht an seinen Arbeitsplatz zurückkehren wollte. zumindest letzterer Bug ließ sich allerdings durch das Laden eines früheren Speicherstands aufheben.

Trotzdem: Ein Spiel derartiger Größe und Umfang mit derartiger Stabilität? Respekt!

Sex sells:

Ja, auch das gehört zum Hexer. Also, wie ist es um die amouröse Seite Geralts bestellt? Nicht schlecht.

So manche Dame ist unserem Hexer gewogen. Pronografisch oder sexistisch wird TW3 dadurch aber zu keiner Zeit. Vor allem auch deshalb, weil viele der zur Verfügung stehenden Damen eine recht emanzipierte, selbstbewusste Persönlichkeit besitzen.  Frauen werden also nicht als "nackte Fleischware" behandelt und man ist auch nicht nur damit beschäftigt, durch die Straßen zu gehen und alles zu knattern, was nicht niet- und nagelfest ist.
Meistens sind es kleinere -ähem- Belohnungen am Ende langer Questreihen.

The Witcher bleibt seinem Vorbild und der Buchvorlage treu und zeigt Bioware, wie man eine Prise Erotik wirklich in einem Spiel einbaut, ohne geschmacklos oder prüde zu sein. 

Fazit:

The Witcher 3: Wild Hunt ist genau das geworden, was ich mir erhofft habe. Ein episch fesselndes Abenteuer in einer düster-schmutzigen Mittelalterwelt.
 Ja, ein paar kleinere Designschwächen sind drin, jedoch nicht ein einziger grober Schnitzer.

Wer auch nur ansatzweise ein Faible für Fantasy und eine Geschichte, in der Entscheidungen Konsequenzen haben, hat, der kommt um dieses Spiel eigentlich  nicht herum. Und nach den Enttäuschungen, die mir Inquisition und Mass Effect 3 beschert haben neige ich fast schon zu sagen: Bioware ist tot, es lebe Cdproject-Red!


Wertung
Pro und Kontra
  • Tolle Geschichte
  • Tolle, offene Spielwelt
  • Gutes Kampfsystem
  • Schöne Grafik
  • Stabile Technik
  • Massenhaft Umfang
  • Steuerung am Pc ohne Gampad sperrig
  • Ein paar kleinere Designschwächen

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

genau richtig

Bugs:

Nein

Spielzeit:

Mehr als 40, weniger als 100 Stunden



Kommentare(10)
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